Forscher haben unter Realbedingungen nachgewiesen, dass optische Verfahren die Erreger von Harnwegsinfektionen schneller als Standardverfahren nachweisen können. So konnten die verantwortlichen Keime innerhalb von 2 Stunden identifiziert werden.
Gemeinsam mit Kollegen des Instituts für Physikalische Chemie der Friedrich-Schiller-Universität Jena und den Abteilungen Medizinische Mikrobiologie und Klinische Chemie des Universitätsklinikums Jena veröffentlichten die Wissenschaftler vom Institut für Photonische Technologien (IPHT) Jena ihre Ergebnisse jetzt im Fachblatt Analytical Chemistry.
„Zieh dir was an, Kind!“. Jeder kennt die gutgemeinten elterlichen Ratschläge. Spätestens nach der ersten Blasenentzündung bekommen sie eine neue Bedeutung. Beinahe jede zweite Frau ist mindestens einmal im Leben betroffen. Einigen Harnwegsinfektionen kann man mit Kräutertees und warmer Unterwäsche beikommen, in hartnäckigen Fällen hilft nur ein Antibiotikum. Doch welcher Keim verursacht die Entzündung? Die Forscher aus Jena um Doktorandin Sandra Kloß konnten mit Hilfe der Raman Spektroskopie in einem Blindversuch aus Urinproben von zehn Patienten die verantwortlichen Keime innerhalb von 2 Stunden identifizieren. Der etablierte Weg über eine Bakterienkultur braucht mindestens 24 Stunden.
Möglich ist die verkürzte Dauer durch eine Art Rasterfahndung mit Hilfe der Raman Spektroskopie. Bei ihr lässt sich anhand der Farbverschiebung von Laserlicht auf die Inhaltsstoffe der beleuchteten Probe schließen, denn vom Licht zum Schwingen angeregt, gibt jedes Molekül ein unverwechselbares Spektrum, seinen Fingerabdruck, preis. Der Fingerabdruck ändert sich mit der Zusammensetzung der Probe, die bei Bakterien auch von Kultivierungsmedium und Kultivierungszeit abhängt, so dass die Wissenschaftler aus Jena eine Datenbank mit den Spektren der bekannten Erreger von Harnwegsinfektionen in verschiedenen Urinen als Kultivierungsmedium anlegten, um sie mit den unbekannten Spektren aus den Patientenproben abzugleichen. Dabei findet die Raman-Messung nur an jeweils einer Zelle statt, diese werden vorher aus dem Urin herauszentrifugiert und gewaschen. Bei dem Blindversuch nahmen die Forscher ca. 50 Zellen pro Probe unter die Lupe.
„Die Datenbank ist der eigentliche Kern unseres Aufbaus“, sagt Kloß. „Je mehr Spektren wir im Vorfeld von den üblichen Verdächtigen unter möglichst realen Bedingungen aufnehmen, umso sicherer können wir die Erreger dann in den Patientenproben nachweisen“. Da der Urin sich von Patient zu Patient stark unterscheidet hat Kloß mit ihrem Team über die letzten Monate mehr als 3000 Spektren von den 11 Haupterregern von Harnwegsinfektionen in der Datenbank hinterlegt. Die Raman-Spektroskopie dient als Ansatz, um Erreger aus verschiedenen normalerweise sterilen Körperflüssigkeiten zu identifizieren, so zum Beispiel um Sepsis-Keime nachzuweisen. Ein Feld auf dem das IPHT gemeinsam mit seinen Partnern der Jenaer Universität und des Uniklinikums seit Jahren aktiv forschen. Was die Anwendung auf den Urin erleichtert ist, dass er weniger komplex zusammengesetzt ist, als beispielsweise Blut und dass hier im Falle einer Infektion sehr viele Bakterienzellen vorliegen. Originalpublikation: Culture Independent Raman Spectroscopic Identification of Urinary Tract Infection Pathogens: A Proof of Principle Study Sandra Kloß et al.; Analytical Chemistry, doi: 10.1021/ac401806f, 2013