Der Trend zur Miniaturisierung prägt innovative Tools rund um Diagnostik und Therapie. Geringe Probenmengen beziehungsweise eine hervorragende Kompatibilität zum menschlichen Körper – davon profitieren Patienten mit unterschiedlichen Krankheitsbildern.
In den letzten Jahren gelang es, Herzschrittmacher oder Hörgeräte immer weiter zu verkleinern – bei besserer Funktionalität und höherer Stabilität. Diese Entwicklung hält weiter an – Ingenieure haben sich jetzt neuen Herausforderungen gestellt. Einige Trends:
Mikrosensoren bestimmen zuverlässig wichtige Parameter wie den Partialdruck von Sauerstoff oder Kohlendioxid in Gasen. Und Notfallpatienten profitieren von einem Tubus mit integrierter Messung des Durchsatzes. Doch Sensoren können noch mehr: Im Zuge seines Forschungsprojekts HapCath entwickelte Dr.-Ing. Thorsten Meiß von der Technischen Universität Darmstadt ein haptisches Assistenzsystem für Katheterisierungen. Mit HapCath, so der Name, navigieren Ärzten den Führungsdraht besser durch Gefäße – dank eines Sensors an der Katheterspitze. Alles andere sei wie „mit dem Blindenstock durch Adern tasten“, heißt es von den Entwicklern. Zunehmende Miniaturisierungstendenzen stellen Ingenieure aber auch vor Schwierigkeiten, Stichwort Signalübertragung. An der Technischen Universität Darmstadt werden deshalb verschiedene Technologien untersucht, um Mikrodrähte, Leitungsbündel oder flexible Leiterbahnen anzuschließen.
Guillermo J. Tearney, Massachusetts, hat diese Herausforderungen bei miniaturisierten Systemen zur Endoskopie bereits gemeistert. Seit mehr als zehn Jahren sind Pillenkameras im Gespräch, um Gastroskopien oder Koloskopien für Patienten angenehmer zu gestalten. Am Massachusetts General Hospital kombinierten Ärzte transparente „Pillen“ jetzt mit einem dünnen Kabel zum Datentransfer und zur Stromversorgung. Bilder nimmt die Minikamera mit infrarotem Licht auf – dreidimensional und mikroskopisch genau, berichtet Tearney in Nature Medicine. Zeitgleich testen deutsche Krankenkassen ein Konkurrenzprodukt Namens PillCam. „Wir erhoffen uns von diesem Modellprojekt vor allem, dass wir mit der zusätzlichen Untersuchungsmethode insgesamt mehr Menschen als bisher motivieren können, die Möglichkeit der Krebsvorsorge nutzen“, so Dr. Helmut Platzer, Vorstandsvorsitzender der AOK Bayern. http://www.youtube.com/watch?v=-skADvtasv8
Gastroenterologen setzen miniaturisierte Technik nicht nur zu diagnostischen Zwecken ein, sondern arbeiten an innovativen Implantaten. Beispielsweise haben hydraulische Schließmuskeln klassischer Bauweise gravierende Nachteile: Durch ihren permanenten Druck nimmt der Darmausgang manchmal Schaden. Auch scheitern gerade ältere Patienten an der komplizierten Handhabung. Jetzt arbeiten Forscher des Biomaterials Science Center, Uni Basel, an adaptiven Miniimplantaten, „SmartSphincter“ genannt. „Ein intelligenter Schließmuskel sollte etwa den Druck automatisch erhöhen, wenn der Patient hustet“, so Forschungsleiter Professor Dr. Bert Müller. Er setzt auf nanometerdünne Kunststofffilme, die sich unter elektrischer Spannung verformen. Die Technologie ist bereits bekannt, muss für den Einsatz am Menschen jedoch weiter miniaturisiert werden.
Dann weiter zu internistischen Fragestellungen: Um bei Patienten mit Leberversagen die Wartezeit auf ein Spenderorgan zu überbrücken, greifen Ärzte zu einer künstlichen Leber. Davon profitieren auch Patienten nach einer Leberresektion aufgrund von Tumoren. Bislang zugelassene Unterstützungssysteme entgiften lediglich den Körper. Deshalb arbeiten Forscher an einer informations- und kommunikationsgestützten, miniaturisierten d-Liver. Wichtige Komponenten sind zellbasierte Unterstützungssysteme, die auch Synthesefunktionen übernehmen. Hinzu kommen eine Monitoring-Plattform für Tablet-Computer sowie eine telemedizinische Disease-Management-Plattform. Mit d-Liver wollen Ärzte sowohl die Lebensqualität von Betroffenen steigern als auch durch Krankenhausaufenthalte verursachte Kosten senken.
Von miniaturisierter Diagnostik profitieren nicht nur Patienten mit Lebererkrankungen. Mehrere Fraunhofer-Institute haben eine ivD-Plattform vorgestellt, um Laborwerte patientennah zu bestimmen. Im Feldeinsatz entnehmen medizinisch geschulte Kräfte lediglich etwas Blut aus der Fingerbeere und tragen es auf verschiedene Kartuschen auf. Anschließend verbinden sie das System mit einer Basisstation. Innerhalb von maximal 15 Minuten liegen entsprechende Testergebnisse vor, was eine schnelle therapeutische Entscheidung ermöglicht. Mittlerweile gibt es immunologische, serologische und DNA-basierte Tests nach diesem Prinzip. Durch Mikroarrays lassen sich bis zu 400 verschiedene Spots ausgelesen, orientiert am medizinischen Bedarf.
Viele Projekte und viele Ideen. Nicht immer herrscht eitel Sonnenschein, Stichwort interdisziplinäre Schnittstellen. Auf der Medica 2012 sprach Professor Dr. Günter R. Fuhr, Fraunhofer-Institut für Biomedizinische Technik (IBMT), zwar von einer „Revolution in der Informatik und Medizintechnik“, monierte aber Lücken zwischen beiden Disziplinen. Als Best-Practice-Modell kommt das „Labor der Zukunft“ ins Spiel: miniaturisiert, modular aufgebaut, transportabel und mit interdisziplinärem Konzept. Experten am IBMT haben sowohl ein epidemiologisches Labor als auch ein Labor der biologischen Sicherheitsstufe drei auf die Straße gebracht, ermöglicht durch kompakte Hard- und Softwareelemente – auch eine Form der Miniaturisierung.