Rückwirkend zum 15. Juli erhöhen sich die Honorare freiberuflich tätiger Hebammen um 17 Prozent. Der Haken: Es gibt auch eine neue Vorschrift. Sie besagt, dass in der Klinik tätige freiberufliche Hebammen innerhalb von 30 Minuten nur zwei Frauen gleichzeitig betreuen dürfen.
Seit Jahren streiten freiberufliche Hebammen und Krankenkassen über eine Neuordnung der Vergütung. Da sie keine gemeinsame Lösung fanden, hatten beide Seiten im Februar die Schiedsstelle angerufen. Dem Kompromissvorschlag haben nun die Verbände der Hebammen und der GKV-Spitzenverband zugestimmt: Freiberufliche Hebammen bekommen mehr Geld. Der Haken aus Sicht der Hebammen ist allerdings, dass zu dem Beschluss auch eine neue Vorschrift gehört. Die Punkte im Detail: Alle Honorare von Hebammen werden rückwirkend zum 15. Juli um rund 17 Prozent angehoben. Neu abzurechnende Leistungen wie ein drittes Vorgespräch in der Schwangerschaft und die Einzelunterweisung zur Geburtsvorbereitung kommen mit hinzu. Dem gegenüber steht ein umstrittener Betreuungsschlüssel: In der Klinik tätige freiberufliche Hebammen dürfen innerhalb von 30 Minuten nur zwei Frauen gleichzeitig betreuen. Dazu gehören beispielsweise „Hilfe bei Wehen“, CTG-Messungen oder das Abhören von Herztönen. Folglich ist es pro Stunde möglich, Leistungen bei vier werdenden Müttern abzurechnen. Die personelle Situation im Klinikum spielt dabei keine Rolle. Was für den GKV-Spitzenverband eine verbesserte Betreuung von Mutter und Kind darstellt, ist für den Deutschen Hebammenverband (DHV) ein massiver Einschnitt in die Berufsausübung der Beleghebammen. Der DHV rechnet damit, dass Beleghebammen aus der Geburtshilfe aussteigen werden und dadurch Engpässe entstehen.
Seit Jahren stagniert die Zahl freiberuflich tätiger Hebammen mehr oder minder. Laut Deutschem Hebammenverband machen die Neuerungen das Berufsbild nicht attraktiver © GKV-Spitzenverband Laut GKV-Spitzenverband führen die Novellierungen zusammen mit Neustrukturierungsmaßnahmen für die persönlichere Betreuung in der klinischen Geburtshilfe zu weiteren Mehreinahmen über die 17-prozentige Honorarerhöhung hinaus. Kassen kalkulieren schon jetzt mit Mehrausgaben in Höhe von bis zu fünf Prozent. Hinzu kommt ein Ausgleich für steigende Kosten der Berufshaftpflichtversicherung von Hebammen.
„Aus Sicht des GKV-Spitzenverbandes ist dies ein gutes Ergebnis“, heißt es in einer Meldung. „Die Honorare werden deutlich angehoben, zudem werden Schwangere in den Kliniken durch freiberuflich tätige Hebammen künftig individueller betreut.“ Damit werde zum Schutz von Mutter und Kind eine qualitativ hochwertige Versorgung langfristig gewährleistet. Kritik kommt vom Hebammenverband: „Wir befürchten, dass die Entscheidung der Schiedsstelle gravierende Auswirkungen auf die geburtshilfliche Versorgung von Frauen in Deutschland haben werden“, so DHV-Präsidentin Martina Klenk. „Es gibt massive Einschnitte in unsere Berufsausübung ohne die Rahmenbedingungen wie beispielsweise genügend Personal anzupassen.“ Eine gute Qualität in der Geburtshilfe könne man mit ausreichend Hebammen, nicht mit weniger Leistung durch Hebammen erreichen. Gleichzeitig zeige die Erhöhung von 17 Prozent „zu wenig Wirkung“, da die Grundvergütung bisher gering gewesen sei. Seit Jahren fordert Klenk die Eins-zu-eins-Betreuung bei Geburten. In den neuen Regelungen sieht sie „keinen Anreiz für Hebammen, in die Geburtshilfe zu gehen oder zurückzukehren“. Reinhild Bohlmann, erste Vorsitzende des Bundes freiberuflicher Hebammen Deutschlands (BfHD), relativiert: „Der BfHD hat sich an Machbarkeiten orientiert und die Grenzen des GKV-Spitzenverbandes ausgelotet. Es machte wenig Sinn, sich in Utopien zu versteigen, die auch in der Schiedsstelle keine Mehrheit finden können.“ Welche Folgen der Kompromiss in der Praxis hat, wird sich erst zeigen. Dem Vertrag zufolge sind weitere Anpassungen erst ab Juli 2020 möglich.