Bisher war unklar, warum bei schlechtem Wetter mehr Herzinfarkte auftreten. Eine über 16 Jahre laufende Studie aus Schweden mit mehr als 280.000 Patienten legt nahe, dass niedrige Außentemperaturen ein Trigger für Herzinfarkte sein könnten.
Dass es saisonale Unterschiede bei der Häufigkeit von Herzinfarkten gibt, ist schon lange bekannt. Prof. David Erlinge von der Universität Lund wollte nun wissen, welche Wetterbedingungen dabei eine Rolle spielen. Basis seines Projekts waren Daten aus dem schwedischen Herzinfarktregister Swedeheart. Außerdem erfasste der Kardiologe meteorologische Aufzeichnungen diverser Wetterstationen. Dazu gehörten Lufttemperatur, Sonnenstunden, Niederschlagsmenge oder Luftdruck.
Während der Studiendauer von 16 Jahren traten in Schweden 280.873 Herzinfarkte auf. Erlinge gelang es, in 99 Prozent aller Fälle lokale Wetterdaten über das Swedish Meteorological and Hydrological Institute (SMHI) zu ermitteln. Seinen Ergebnissen zufolge, kam es an kalten Tagen häufiger zu entsprechenden Ereignissen als bei wärmeren Temperaturen. Rein rechnerisch traten in Schweden pro Tag vier Herzinfarkte zusätzlich auf, falls die Durchschnittstemperatur unter 0 °C sank. Er verglich die Daten von Tagen, an denen die Temperatur unter 0 °C sank mit den Tagen, an denen die Temperatur bei 10°C oder mehr lag. Als weitere Faktoren identifizierten die Wissenschaftler höhere Windgeschwindigkeiten, eine geringe Anzahl von Sonnenstunden und eine höhere Luftfeuchtigkeit. Die Ergebnisse waren innerhalb aller untersuchten Regionen konsistent. Im nächsten Schritt analysierte Erlinge Daten von Subgruppen mit medizinischen Risikofaktoren. Dazu gehören ältere Menschen, Patienten mit Bluthochdruck oder Diabetes sowie Patienten mit früherem Herzinfarkt. Auch hier bestätigte sich, dass niedrige Temperaturen ein möglicher Trigger für Herzinfarkte sind.
Mit ihrer Beobachtungsstudie können die Forscher nur eine Assoziation, aber keine Kausalität beweisen. Dennoch führen sie weitere Argumente für den möglichen Zusammenhang an. Dazu gehört die Größe der Kohorte selbst. Zum physiologischen Vorgang haben die Autoren ebenfalls eine Hypothese. Unser Körper reagiere auf Kälte mit einem Zusammenziehen der oberflächlichen Blutgefäße, schreiben sie. Weitere bekannte Reaktionen seien ein erhöhter Puls, ein erhöhter metabolischer Grundumsatz und eine höhere Körpertemperatur. „Die meisten gesunden Menschen haben kein Problem mit diesen Mechanismen“, erklärt der Erstautor Dr. Moman Aladdin Mohammad. „Aber bei Menschen mit atherosklerotischen Veränderungen in den Koronararterien kann das einen Herzinfarkt auslösen.“ Da es sich um eine Beobachtungsstudie handelte, könnten auch andere Faktoren das Ergebnis mit beeinflusst haben, so Mohammad weiter. Er nennt vor allem Infektionen des Respiratorischen Systems als bekannte Risikofaktoren für einen Herzinfarkt. Auch saisonal bedingte Unterschiede im Verhalten wie weniger Bewegung in der kalten Jahreszeit oder ein verändertes Essverhalten könnten zu der erhöhten Herzinfarktrate beitragen. Quelle: Air temperature as an external trigger of ST-segment elevation myocardial infarction - a SWEDEHEART nationwide observational study. Mohammad et al., ESC 2017, Abstract 2949