Biomediziner haben gentechnisch veränderte Hauttransplantate erzeugt, die zu einem deutlichen Rückgang von Typ-2-Diabetes bei Mäusen führte. Das könnte die Diabetes-Behandlung revolutionieren. Das System eignet sich möglicherweise auch für die Behandlung von weiteren Krankheiten.
Gentherapien auf Ebene der Keimbahn sind ethisch und wissenschaftlich umstritten. Xiaoyang Wu und Kollegen der University of Chicago zeigen jetzt, dass somatische Behandlungsansätze ebenfalls möglich sind. Sie untersuchten an Mäusen, wie sich Gentherapien auf Diabetes mellitus und Adipositas auswirken.
Wu berichtet, die Technik, Hautzellen im Labor anzuzüchten und dann Gewebe zu transplantieren, wurde seit den 1970er Jahren immer weiter perfektioniert. „Das Maus-System ist jedoch weniger ausgereift“ erklärt der Forscher. „Es dauerte ein paar Jahre, um unsere 3D-Zellkultur zu optimieren.“ Darunter versteht man die Kultivierung von Zellen in einer dreidimensionalen Zellkultur in vitro. Im Gegensatz zur einschichtigen Zellkultur berücksichtigt sie das räumliche Wachstum von Gewebe. Per Immunfluoreszenz zeigten Wu und Kollegen eine normale Differenzierung im Bereich von Transplantaten © Wu Laboratory / University of Chicago Für seine Experimente entnahm Wu Progenitorzellen von Keratinozyten aus Nagern. Ihm gelang es, mit dem CRISPR/Cas9-System Gene für das Glucagon-ähnliche Peptid 1 (GLP1) in Zellen einzuschleusen. GLP1 wird normalerweise in neuroendokrinen L-Zellen des Darms produziert. Es stimuliert die Insulinsynthese, senkt den Glucagonspiegel, verzögert die Magenentleerung und dämpft das Hungergefühl. GLP1-Analoga sind als Arzneistoffe bekannt, müssen jedoch regelmäßig gespritzt werden, da das Peptidhormon generell eine kurze Halbwertszeit besitzt. Die DNA-Abschnitte wurden in ihren Experimenten so verändert, dass ein stabileres GLP1-Protein entstand. Zur Steuerung der Hormonausschüttung brachte Wu Promotorsequenzen ein, die durch Doxycyclin aktiviert werden. Die modifizierten Keratinozyten wuchsen in vitro heran und es entstanden mehrschichtige, hautähnliche Organoide. Diese wurden anschließend gesunden Mäusen mit intaktem Immunsystem transplantiert. Dabei gab es keine relevanten Abstoßungsreaktionen. Gewebeschnitte am Ende des Experiments zeigten, dass die Hautlappen gut eingewachsen waren.
Mäuse mit genetisch modifizierten Transplantaten (links) nahmen unter hochkalorischer Ernährung deutlich weniger zu als Wildtyp-Mäuse (rechts) © Wu Laboratory / University of Chicago Erhielten die Versuchstiere anschließend kleine Mengen Doxycyclin über ihr Trinkwasser, kam es zur Genexpression und die Transplantate schütteten GLP1 in das Blut aus. Fraßen die Nager hochkalorische Nahrung, verbesserte sich die Glukosetoleranz, und das Gewicht blieb im Normalbereich. Als Vergleich zog Wu Wildtyp-Mäuse ohne transplantierte Hautlappen heran. Diese Tiere wurden fettleibig und zuckerrkank. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass „kutane Gentherapien für GLP1-Sekretion praktisch und klinisch relevant sein könnten“, heißt es im Artikel. Der Experte schätzt, ein Transplantat von 20 mal 20 Zentimetern könne bei erwachsenen Menschen Typ-2-Diabetes kontrollieren. „Wir denken, dass dies eine langfristige sichere Option für die Behandlung von vielen verschiedenen Krankheiten sein könnte.“ erklärt Wu. Er denkt z.B. an Patienten mit Hämophilie. Hauttransplantate könnten in diesem Fall die fehlenden Gerinnungsfaktoren liefern. Quelle: Engineered Epidermal Progenitor Cells Can Correct Diet-Induced Obesity and Diabetes Jiping Yue et al., Science Direct, doi: 10.1016/j.stem.2017.06.016; 2017