Ein zu hoher Zuckerkonsum verursacht weltweit Zahnbehandlungskosten in Milliardenhöhe. Deutschland gehört dabei zu den Ländern mit den höchsten Behandlungskosten. Eine Steuer auf Süßes konnte in anderen Ländern den Konsum nachweislich verringern.
Menschen essen weltweit deutlich zu viel Zucker. Das wirkt sich nicht nur negativ auf ihre Zähne, sondern indirekt auch auf ihre Geldbeutel aus: Global belaufen sich die Zahnbehandlungskosten auf jährlich rund 128 Milliarden Euro. Allein in Deutschland sind es 17,2 Milliarden Euro pro Jahr. Das sind die Ergebnisse einer gemeinsamen Studie der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU) und der Biotechnology Research and Information Network AG (BRAIN AG).
Für ihre Arbeit werteten die Ernährungswissenschaftler repräsentative Daten zum Vorkommen von Karies, Parodontitis und Zahnverlust, entsprechende Behandlungskosten und Krankheitslasten sowie Daten zum Zuckerverbrauch in 168 Ländern für das Jahr 2010 aus. Auf Basis dieser Daten errechneten sie den Anteil an den Gesamtkosten durch übermäßigen Zuckerkonsum. Neben weißem Haushaltszucker schlossen die Forscher in die Analyse zudem versteckte Zucker ein, wie Glukosesirup oder Maltodextrin, die in vielen verarbeiteten Produkten, wie Getränken, Ketchup, Speiseeis, Tiefkühlkost oder Backwaren enthalten sind.
„Die Daten zeigen einen eindeutigen Zusammenhang zwischen dem Konsum von Zucker und dem Vorkommen von Karies, Parodontitis und als Folge Zahnverlust“, so Studienerstautor Dr. Toni Meier vom Institut für Agrar- und Ernährungswissenschaften der MLU. „Pro Mehrverzehr von 25 Gramm Zucker pro Person und Tag – was ungefähr acht Zuckerwürfeln oder einem Glas gesüßter Limonade entspricht – steigen die Zahnbehandlungskosten in Ländern mit hohen Einkommen im Durchschnitt um 75 Euro pro Person und Jahr an.“ In Deutschland werden täglich im Durchschnitt zwischen 90 und 110 Gramm Zucker pro Kopf verbraucht. Die Behandlungskosten belaufen sich auf jährlich 210 Euro pro Person. Damit liegt Deutschland in der Gruppe der Länder mit den höchsten Behandlungskosten pro Kopf und Jahr. Dazu gehören ebenfalls die Schweiz (300 Euro), Dänemark (178 Euro) und die USA (138 Euro bzw. 185 US-Dollar).
„Würde die Zielvorgabe der Weltgesundheitsorganisation von 50 Gramm Zucker pro Person und Tag erreicht, ließen sich in Deutschland 150 Euro Behandlungskosten pro Person einsparen. Hochgerechnet auf Bundesebene entspricht dies einem jährlichen Einsparungspotential von circa zwölf Milliarden Euro“, so Meier weiter. Sich zuckerarm zu ernähren werde aber immer schwieriger, da nahezu alle verarbeiteten Produkte im Supermarkt große Mengen an zugesetztem Zucker enthalten. Die höchsten Anteile zuckerbedingter Zahnerkrankungen beobachteten die Forscher in Guatemala, Mauretanien und Mexiko. „Schwellenländer wie Indien, Brasilien und Mexiko, aber auch Pakistan und Ägypten könnten übermäßige Krankheitslasten und Kostenbelastungen im Gesundheitssystem vermeiden, wenn sie das Thema frühzeitig in der Gesundheits- und Ernährungspolitik verankern“, so Studienkoautorin und Ernährungswissenschaftlerin Prof. Dr. Gabriele Stangl von der MLU.
Das könnten Aufklärungskampagnen sein oder Sondersteuern auf hochkalorische Lebensmittel: In Mexiko gibt es bereits seit 2014 eine solche Zuckersteuer. Schon nach einem Jahr zeigte die Steuer Wirkung: Die konsumierte Menge an mit Zucker gesüßten Getränken ging um fünf Prozent zurück. Im zweiten Jahr verdoppelte sich der Wert sogar noch einmal auf zehn Prozent. „Um ernährungsbedingte Krankheitslasten reduzieren zu können, bedarf es neben einer ausgewogenen Mischung an Aufklärungsarbeit und ernährungspolitischen Ansätzen auch innovative technologische Lösungsangebote“, sagt Studienkoautorin und Projektleiterin bei der BRAIN AG Dr. Katja Riedel. Mithilfe der Biotechnologie will die BRAIN AG eine neue Generation nachhaltig produzierter und biologisch aktiver Naturstoffe für verbesserte Rezepturen für Nahrungsmittel-Unternehmen erforschen und entwickeln. Damit soll ein Beitrag zur Verbesserung von Ernährung, Gesundheit und menschlichem Wohlbefinden geleistet werden. Der Text basiert auf einer Pressemitteilung der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Quelle: Global Burden of Sugar-Related Dental Diseases in 168 Countries and Corresponding Health Care Costs T. Meier et al., Journal of Dental Research, doi: 10.1177/0022034517708315; 2017