Ein Analyse-Verfahren aus der Meeresforschung könnte bald zur Osteoporose-Diagnostik eingesetzt werden. Dafür benötigt man bloß eine Blut- oder Urinprobe. Die Krankheit ließe sich so viel früher als mit der Knochendichtemessung diagnostizieren, so die Entwickler aus Kiel.
Bislang setzen Ärzte bei der Diagnose von Osteoporose leitliniengerecht vor allem auf die Osteodensitometrie, also die Knochendichte-Messung per Röntgen. Je dichter Strukturen sind, desto mehr Strahlung wird absorbiert. Das Verfahren hat jedoch Nachteile. Da sich unterschiedliche Geräte oder Methoden nicht vergleichen lassen, werden nur Abweichungen von alters- bzw. geschlechtsspezifischen Normwerten angegeben. Sehr frühe Formen bleiben oft unerkannt. Und nicht zuletzt lehnen viele Patienten Röntgen-Untersuchungen ab. Ein Verfahren, das ursprünglich in der Meeresforschung entwickelt wurde, könnte zukünftig die Diagnose von Osteoporose vereinfachen.
„Wir verwenden eine Analysemethode für Kalziumisotope, die nur Urin oder Blut für die Untersuchung benötigt“, erklärt Prof. Dr. Anton Eisenhauer, wissenschaftlicher Leiter von Osteolabs, einer Ausgründung des GEOMAR Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel in einer Meldung. Patienten müssen nur eine Blut- oder Urinprobe abgeben, in der das Verhältnis zweier Kalziumisotope massenspektroskopisch bestimmt wird, nämlich Kalzium-42 und Kalzium-44. „Im Urin eines Osteoporosekranken ist dieser Wert deutlich niedriger als bei einem Gesunden“, so Eisenhauer weiter. „Die Veränderung des Verhältnisses gibt Informationen, ob sich Kalzium anreichert oder ob es gelöst wird.“ In der Meeresforschung nutzt man das Verfahren, um Austauschprozesse von Kalzium bei Korallen zu beobachten. Das lässt sich als Modell für den Knochenstoffwechsel von Menschen heranziehen.
Doch der Weg aus dem Labor in die Anwendung war weit. Bereits in 2007 zeigte Joseph Skulan von der University of California, Berkeley, in einer Proof-of-Concept-Studie, dass das Verhältnis Kalzium-42 zu Kalzium-44 mit dem Knochenstoffwechsel in Verbindung steht. Er löste bei Probanden durch 17-wöchige Bettruhe künstlich leichte, per Röntgen nicht sichtbare Knochenverluste aus und fand Veränderungen bei seinen Markern. Tierversuche kamen zu ähnlichen Ergebnissen. Auch beim direkten Vergleich augenscheinlich gesunder Menschen mit Osteoporose-Patienten bewährte sich das Verfahren. Jetzt laufen in Kiel klinische Studien.
„Wir wollen erreichen, dass durch die Methode ein Screening-Verfahren etabliert wird“, so Dr. Michael Müller vom Uniklinikum Kiel. In Deutschland leiden rund sechs Millionen Menschen an Osteoporose, 80 Prozent sind Frauen. Genau lässt sich das jedoch nur schwer sagen, da die Krankheit häufig unerkannt bleibt. „Dieses Verfahren kann zuverlässig und viel früher als mit den traditionellen Methoden Knochenschwund erkennen und im Krankheitsfall auch den Therapieerfolg messbar machen, um so eine personalisierte Behandlungsstrategie und optimierte Medikation sicher zu stellen“, so Eisenhauer. Er kann sich perspektivisch vorstellen, „Home Kits“ anzubieten. Patienten schicken dann ihre Urinprobe an ein Labor und erhalten nach wenigen Tagen Informationen, ob ihr Osteoporose-Risiko erhöht ist. Außerdem soll es „Profi-Kits“ für Ärzte geben. Damit landen Testergebnisse direkt in der Praxis. Momentan kostet eine Untersuchung 300 Euro. Wie Eisenhauer berichtet, gebe es bereits Verhandlungen mit Kassen zur Kostenübernahme.