Trotz antiretroviraler Heilmittel können sich HI-Viren in der Samenflüssigkeit ansammeln und beim ungeschützten Geschlechtsakt andere Personen anstecken. Das passiert vor allem, wie Forscher nun herausfanden, wenn der männliche Genitaltrakt mit weiteren Viren infiziert ist.
Eigentlich halten die modernen Kombinationstherapien die Aids-Erreger gut in Schach. Meist führt die Behandlung dazu, dass sich im Körper keine Humane-Immunodefizienz-Viren (HIV) mehr nachweisen lassen. Dadurch verringern die Medikamente auch die Krankheitsübertragungsrate auf ein Zehntel. Doch warum kommt es trotz Behandlung zu Neuansteckungen?
Weil auch andere Viren eine Rolle spielen, lautet die Antwort, welche die Schweizer Forscherin Sara Gianella Weibel mit US-amerikanischen Kollegen gefunden und kürzlich veröffentlicht hat. Die vom SNF (Schweizerischer Nationalfonds) unterstützte Wissenschaftlerin hat an der Universität von Kalifornien in San Diego das Sperma von 114 HIV-infizierten und unter Behandlung stehenden Männern untersucht, die Sex mit anderen Männern haben. Sie fand in der Samenflüssigkeit von elf Männern eine grössere Menge von HIV, obwohl die Virenlast im Blut bei allen Männern sehr gering war. In acht dieser elf Fälle wies Gianella Weibel auch verschiedene Herpesviren nach.
Einige dieser Herpesviren, etwa das Cytomegalovirus, bleiben meist unbemerkt. Doch wenn sie den männlichen Genitaltrakt infizieren, aktivieren sie lokal begrenzt das Immunsystem. So sammeln sich im Genitalbereich auch diejenigen Immunzellen an, in denen sich die HIV vermehren. "Unsere Daten legen nahe, dass wir das Augenmerk auch auf andere Viren richten müssen, wenn wir die Übertragungskette der Aids-Erreger wirklich unterbrechen möchten", sagt Gianella Weibel. Originalpublikation: Shedding of HIV and human herpesviruses in the semen of effectively treated HIV-1 infected men who have sex with men. Sara Gianella Weibel et al.; Clinical Infectious Diseases, doi: 10.1093/cid/cit252; 2013