Die Deutschen Gesellschaften für Innere Medizin und Chirurgie haben eine Task Force Transplantationsmedizin ins Leben gerufen. Höchste Zeit. Hoffentlich bleibt sie kein Papiertiger.
Es ist nicht gut bestellt um die Organtransplantation in Deutschland. Die Wartelisten sind länger denn je. Die Zahl der transplantierten Organe ist, von Ausnahmen abgesehen, seit Jahren rückläufig. Für die Herztransplantationen hat das der Deutsche Herzbericht kürzlich erst wieder schwarz auf weiß gezeigt: 562 Herzen wurden 1997 transplantiert. 2011 waren es 366. Der Transplantationsskandal kann diese Entwicklung nicht alleine erklären. Geholfen hat er sicher nicht. Vor allem aber hat er bedenkliche gesundheitspolitische Reflexe ausgelöst, auch, man möchte fast sagen schwerpunktmäßig in den Reihen der Ärzteschaft. Der Präsident der Bundesärztekammer beispielsweise hat ohne Not eine Verringerung der Zahl der Transplantationszentren ins Spiel gebracht. Das wurde dankbar aufgegriffen. Endlich tut jemand mal irgendwas! Task Force Transplantation: Besser spät als nie Aber ist das sinnvoll? Bei den soliden Organen sind immer noch mit weitem Abstand die Nieren das am häufigsten transplantierte Organ. Eine Verringerung der Zahl der Transplantationszentren würde mithin in erster Linie Patienten mit Nierentransplantation treffen, die weiter reisen müssten, für die Operation, aber auch vorher und nachher. Doch bei den Nierentransplantationen habe es bisher gar keine Mauscheleien gegeben, wie DGIM-Generalsekretär Professor Ulrich Fölsch betont. Gemauschelt wurde vor allem bei Lebertransplantationen, wo die Indikationsstellungen komplexer und die Kriterien leichter zu manipulieren sind. Eine jahrelange Dialysebehandlung kann man schlecht "erfinden". Bei einer einmaligen Dialyse ist das einfacher. Es waren nicht zuletzt diese politischen Reflexe, die die Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM) und die Deutsche Gesellschaft für Chirurgie (DGCh) dazu veranlasst haben, eine Task Force Transplantationsmedizin ins Leben zu rufen. Diejenigen, die die Patienten transplantieren beziehungsweise vor und nach der Transplantation betreuen, wollen den Kampf gegen kriminelle Machenschaften nicht Leuten überlassen, die nie selbst transplantiert haben. Das ist gut. Es kommt allerdings relativ spät. Register und Sechs-Augen-Prinzip sollen mehr Transparenz bringen Wie genau die Fachgesellschaften gegen die Missstände vorgehen wollen, wird im Detail in den kommenden Monaten erarbeitet. Einige Grundlinien stehen aber schon fest. Da ist zum einen der Plan, ein bundesweites Transplantationsregister einzuführen. Es soll den Zentren ermöglichen, zu erkennen, ob ein Patient sich schon einmal an einem anderen Zentrum um eine Transplantation bemüht hat. Das scheint gerade bei der Lebertransplantation ein echtes Problem zu sein. Ulrich Fölsch berichtete von einem Fall, bei dem ein Patient wegen Alkoholismus an einem Zentrum leitliniengemäß nicht transplantiert wurde, kurz darauf aber an einem anderen Zentrum sehr wohl. Ob er da zufällig gerade clean war, oder ob aus welchen Gründen auch immer nicht so genau hingesehen wurde, wer weiß das schon? Ein Register könnte hier deswegen helfen, weil es transparent macht, wer wann wo und aus welchen Gründen abgewiesen wurde. Ein zweiter Punkt, den die DGIM adressieren möchte, ist die Indikationsstellung. "Unser Ziel ist ein 6-Augen-Prinzip, bei dem außer dem Internisten und dem Chirurgen noch ein externer Arzt alle Unterlagen des Patienten in Augenschein nehmen muss", so Fölsch. Gedacht ist dabei offenbar in erster Linie an Labormediziner, wohl auch um den Aufwand überschaubar zu halten. Das Kreuz mit den Kreuzchen Nicht unmittelbar verantwortlich fühlt man sich seitens der Fachgesellschaften für die Dokumentation auf Klinikseite, und das ist etwas bedauerlich. Wenn sich bei Transplantationen im Nachgang nicht zweifelsfrei rekonstruieren lässt, wer welche Kreuzchen gemacht hat, wie das offenbar in Leipzig der Fall ist, dann ist das ein mindestens genauso großes Problem wie die von den Fachgesellschaften zurecht kritisierte, fehlende Transparenz auf Patientenseite. Konzepte, die durch geeignete IT-Lösungen alle Einträge in Informationssysteme eines Krankenhauses zweifelsfrei nachvollziehbar machen, werden von Ärzten üblicherweise eher abgelehnt. Man scheut sich vor zu viel Transparenz der eigenen Tätigkeit. Dass man damit nicht diejenigen schützt, die ihre Arbeit ordentlich machen, sondern diejenigen, die bewusst manipulieren, wird oft nicht bedacht. Ein Beispiel dafür? Es gibt in Norddeutschland eine große Klinik, in der die Zugriffskontrolle relativ ernst genommen und nicht mit irgendwelchen Stations-Logins, sondern konsequent mit persönlichen Logins gearbeitet wird. Das ist zunächst einmal umständlicher, bringt aber mitunter Erstaunliches zu Tage. So wurde dort kürzlich festgestellt, dass einige Patienten nach bestimmten kardiologischen Eingriffen nicht, wie eigentlich vorgeschrieben, bestimmte Qualitätssicherungsschleifen durchliefen. Natürlich zählte die Klinikverwaltung daraufhin zunächst einmal die Ärzte an. Zu Unrecht, wie die IT zeigen konnte: Tatsächlich wurden von einem Controller nachträglich die Diagnosen geändert oder "optimiert", wie er das wahrscheinlich bezeichnet hätte. Dass das rauskam, war Glück: Es dürfte eine Menge Kliniken in Deutschland geben, in denen sich so etwas nicht so eindeutig hätte nachweisen lassen. Mit Transplantationen hat das erst einmal nichts zu tun, wohl aber mit der Frage, wie sich verhindern lässt, dass bei kriminellen Machenschaften im Zusammenhang mit der Klinikdokumentation die falschen Köpfe rollen. Auch hier sollten Fachgesellschaften und nicht zuletzt die Bundesärztekammer sich positionieren. Natürlich gibt es auch bei Ärzten schwarze Schafe. So wie es im Moment läuft, ist aber im Zweifelsfall immer der Arzt das schwarze Schaf, solange sich sonst keines finden lässt. Und das kann es irgendwie auch nicht sein.