Laut einer Studie seien Sonografien zur Früherkennung von kardiovaskulären Erkrankungen und ernährungsbedingten Leberschäden sensitiver als die Ganzkörper-Kernspintomografie (MRT). Gilt dies auch für die Tumorfrüherkennung?
Kardiovaskuläre Erkrankungen sind in Deutschland laut Gesundheitsberichterstattung des Bundes die häufigste Todesursache, führen überdies zu einem Verlust an Lebenserwartung und Lebensqualität und induzieren die höchsten Behandlungskosten. Maligne Tumore sind die zweithäufigste Todesursache, mit einem deutlichen Anstieg der Prävalenz seit 1990 um ca. 35 Prozent bei Frauen und ca. 80 Prozent bei Männern. Ob jedoch eine erweiterte Vorsorgeuntersuchung unter Einbeziehung einer Bildgebung zu einer früheren Entdeckung kardiovaskulärer und maligner Befunde und damit möglicherweise zur Verhütung einer Krankheitsmanifestation führt, wird kontrovers diskutiert. Retrospektive Untersuchung bei 833 Patienten In der neuen Studie des PräventionsCentrums Hamburg mit 833 Patienten (266 Frauen, 567 Männer) zwischen 19 und 93 Jahren und einem Durchschnittsalter von 56,6 Jahren wurden alle Patienten mit einem Sonografiegerät der Stufe III der DEGUM (Deutsche Gesellschaft für Ultraschall in der Medizin)-Geräteliste untersucht. Gleichzeitig wurden die Patienten im Rahmen eines medizinischen "Check-ups" mit einer Ganzkörper-MRT untersucht und die beiden Ergebnisse, sowohl hinsichtlich des Auffindens maligner Tumoren als auch des Nachweises kardiovaskulärer Risikofaktoren bzw. Erkrankungen, miteinander verglichen. Nach einer körperlichen Untersuchung, Blutdruckmessung, EKG, Spirometrie und Labordiagnostik erhielten alle Patienten sowohl eine Ganzkörper-MRT (MR-Angiografie, MRT von Kopf, Thorax, Abdomen, ggf. mit virtueller Koloskopie) als auch eine sonografische Untersuchung (extrakranielle hirnzuführende Gefäße, Schilddrüse, Abdomen und Herz). Auch andere für den Patienten potentiell bedeutsame Zufallsbefunde, beispielsweise Steinleiden oder benigne Tumoren, wurden erfasst. Die anonymisierten Daten dieser offenen, nicht randomisierten, nicht verblindeten Analyse wurden retrospektiv erfasst und anhand der schiftlichen Befundberichte und des gespeicherten Bildmaterials ausgewertet. Das Ausmaß krankheitsrelevanter Befunde wurde systematisch erhoben, v.a. im Hinblick auf die Erkennung maligner Tumore und von kardiovaskulären Erkrankungen bzw. des metabolischen Syndroms. Dr. Sabine Guth, stellvertretende Direktorin des PräventionsCentrums und ihre Mitarbeiter entdeckten bei zehn Patienten eine Krebserkrankung. Dabei befanden sich sieben Tumore im Bauchraum, und drei in der Schilddrüse oder benachbarten Regionen des Halses. Die Ultraschalluntersuchung fiel damit in der Krebsfrüherkennung nur wenig hinter der aufwändigeren Ganzkörper-Kernspintomografie zurück, die ebenfalls bei allen 833 Patienten angefertigt worden war. Mit der MRT wurden zudem zwei weitere Lungentumore entdeckt. Ein weiterer Patient mit Metastasen eines Kopf-Hals-Tumors in der Wirbelsäule ist auch bei der Sonografie aufgefallen, da auch die Leber vom Krebs befallen war, so Guth. Wie die Internistin und ihr Team in einer Online-Publikation des Fachmagazins "Ultraschall in der Medizin" berichten, befanden sich – mit Ausnahme des metastasierten Tumors – alle Krebserkrankungen im Frühstadium und konnten erfolgreich chirurgisch behandelt werden. Die DEGUM regt deshalb einen flächendeckenden Einsatz der Sonografie beim Gesundheits-Check an. Die weiterführende Analyse "Unsere Analyse ergibt, dass sich bösartige tumoröse Befunde, die am meisten von den Patienten gefürchtet werden, wie erwartet relativ selten finden (1,4 Prozent der Fälle), jedoch mit mehr als einem auf 100 Patienten in einer Größenordnung, die nicht zu vernachlässigen ist", erklärte Guth. Dieser Prozentsatz habe sich bei mittlerweile mehr als 6.000 untersuchten Patienten bestätigt. Maligne Befunde befanden sich dabei überwiegend im Bauchraum und in den Halsweichteilen. Diese Gebiete wurden sowohl mit Sonografie als auch mit MRT untersucht, wobei sich beide Methoden als gleichwertig erwiesen haben. Arteriosklerotische Veränderungen finden sich jedoch in 31 Prozent der Fälle. In der Diagnostik der so häufigen vaskulären Frühveränderungen hat sich die Sonografie gegenüber der MRT-Diagnostik als deutlich überlegen herauskristallisiert. Beginnende Gefäßwandverdickungen als Korrelat einer Cholesterineinlagerung werden nur im Ultraschall erkannt und können zur Identifikation und Behandlung von Risikofaktoren führen, was ein Fortschreiten der Gefäßwandveränderungen verlangsamen oder gar verhindern kann. Auch die Bedeutung der Fettleber (21 Prozent der Patienten) als kardiovaskulärer Risikofaktor - nicht nur beim diabetischen Patienten - stellt sich eindrucksvoll dar und zeigt, dass die Leberverfettung keineswegs ein Bagatellbefund ist, sondern im hohen Maß mit dem Vorliegen einer Arteriosklerose korreliert. Auch dies wird von der MRT überwiegend nicht erfasst, obwohl das Vorliegen einer Steatosis die persönlichen Risikofaktoren, insbesondere den Schaden einer Überernährung, visualisiert. "Dabei sind die Patienten, mit dem Bild der Fettleber und der Arteriosklerose in den Gefäßen konfrontiert, deutlich eher gewillt, eventuelles Risikoverhalten zu überdenken und einzustellen", berichtet Guth. Außerdem kann die Ultraschalldiagnostik bei der Indikationsstellung, z.B. für eine cholesterinsenkende Therapie, helfen. Weniger strahlungsintensiv und exakter Am Medizinischen PräventionsCentrum wird die Sonografie systematisch beim Bauchraum-, Schilddrüsen-, Halsschlagader und Herz-Präventionsangebot eingesetzt. Da die Ultraschalluntersuchungen kostengünstig sind und die Patienten nicht durch Strahlung belasten, setzen Internisten und Kardiologen diese Methode häufig als bildgebende Untersuchung ein. Dabei zeigt sich, dass die Sonografie der Ganzkörper-Kernspintomografie in manchen Bereichen sogar überlegen war: Bei jedem dritten Patienten deckte das Ultraschallbild Verkalkungen in den Halsschlagadern auf, die in der Kernspintomografie im Frühstadium nur selten sichtbar werden. "Der Gefäßultraschall liefert wichtige Informationen über das Herz-Kreislaufrisiko der Patienten und kann Therapieentscheidungen beeinflussen", erklärt Professor Dr. Josef Menzel, Direktor der Medizinischen Klinik II am Klinikum Ingolstadt und Leiter der DEGUM-Sektion Innere Medizin. Auch eine Fettleber, die nicht selten mit einer Gefäßerkrankung einhergeht, wird im Ultraschallbild sehr frühzeitig sichtbar. "Die Kombination von beginnender Gefäßverkalkung und einer Fettleber ist ein wichtiges Warnzeichen und sollte die Menschen davon überzeugen, ihr Risikoverhalten zu überdenken und einzustellen", betont Menzel. Das Ausmaß einer Leberschädigung kann durch die "Ultraschall-Elastographie" bestimmt werden. Mit Hilfe dieser neuen, nicht–invasiven Technik zur Bestimmung der Lebersteifigkeit können Mediziner beurteilen, ob der Patient unter einer Fettleber (Steatose) ohne Umbau, einer fortschreitenden Gewebsveränderung (Fibrose) oder bereits unter einer lebensbedrohlichen Leberzirrhose leidet. Eine weitere Domäne der Ultraschalluntersuchung ist die Früherkennung von Herzerkrankungen. In der Studie wurden immerhin bei fünf Prozent der Untersuchungen Veränderungen der Herzklappe festgestellt, von denen allerdings nur ein Zehntel der Fälle eine unmittelbare therapeutische Konsequenz nach sich zog. Kosten nur ein Fünftel so hoch Nach Ansicht der DEGUM kann die Sonografie einen wichtigen Beitrag in der Früherkennung – vor allem in den Bereichen Krebs-, Herz-Kreislauf- und Lebererkrankungen - leisten. "Es sollte ernsthaft überdacht werden, den Ultraschall im Rahmen des medizinischen Check-ups anzubieten", empfiehlt Professor Menzel. Ein wichtiges Argument sind neben der Zuverlässigkeit die geringeren Kosten. Für die einstündige Untersuchung können Ärzte derzeit 163,20 Euro berechnen, für die Untersuchung mittels Kernspintomografie einschließlich virtueller Koloskopie 783,20 Euro (jeweils nach dem einfachen Satz der ärztlichen Gebührenordnung). Zusammenfassend erfasst der Ultraschall in den darstellbaren Strukturen (Halsgefäße und Halsweichteile, Bauchraum, extrakranielle und abdominelle Gefäße) mehr pathologische und vor allem für die Prävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen bedeutsamere Befunde als das MRT und dies zu 20 Prozent der Kosten.