Ein strenges Zulassungsverfahren, ein anspruchsvolles Studium – und dann? Mittlerweile sind Perspektiven für Inhaber alles andere als rosig. Die Gründung eigener Apotheken gilt als Vabanque-Spiel, aber es gibt noch andere Tätigkeitsfelder.
Pharmazie studieren und eine öffentliche Apotheke leiten – früher eine klare Sache. Macht die anspruchsvolle Hochschulausbildung im Zeitalter von AMNOG und Novellen zur Apothekenbetriebsordnung noch Sinn? DocCheck sprach dazu mit Daniel Mädler. Er ist Präsident des Bundesverbands der Pharmaziestudierenden in Deutschland (BPhD) und zurzeit Pharmazeut im Praktikum. Attraktives Studium „Es lohnt sich auf alle Fälle, Pharmazie zu studieren, allein schon wegen der Kombination aus Biologie, Chemie, Physik und Medizin. Das kann kaum ein anderes Studium bieten“, so Mädler. Keine Einzelmeinung: Waren im Wintersemester 2007/2008 noch 11.721 Abiturienten immatrikuliert, so stieg die Zahl in 2011/2012 auf 13.603. Laut gemeinsamer Umfrage der Deutschen Pharmazeutischen Gesellschaft und des Bundesverbands der Pharmaziestudierenden in Deutschland steckt hinter dieser Entscheidung vor allem Interesse an naturwissenschaftlichen Fächern (86,2 Prozent), gefolgt von vielfältigen beruflichen Möglichkeiten (57,2 Prozent). Auch das erste Staatsexamen schreckt nicht wirklich ab. So fielen beim Herbsttermin 2012 in Analytik 19,9 Prozent durch die Prüfung, in Biologie 20,1 Prozent, in Chemie 18,7 Prozent und in Physik inklusive Arzneiformenlehre 8,7 Prozent. Zwischen Studium und Job Beim zweiten Staatsexamen kam vor mehr als zehn Jahren klinische Pharmazie mit hinzu. Das Ziel: Schnittstellen zwischen Studium und öffentlicher Apotheke verbessern. Hochschulen mit entsprechendem Lehrstuhl bieten Kurse an, um Studierende zum Beispiel auf Kundengespräche vorzubereiten. „Unis, die klinische Pharmazie jedoch nur als notwendiges Übel sehen, legen darauf wenig Wert“, erzählt Daniel Mädler. Auch nach dem zweiten Staatsexamen geht es holprig weiter. „Eigentlich sollte das praktische Jahr besser genutzt werden“, fordert der BPhD -Präsident. Der Wissensstand sei generell sehr hoch, es fehle jedoch an der Umsetzung wichtiger Inhalte. „Ich würde mir wünschen, dass die Kammern hier mehr Initiative zeigen, den praktikumsbegleitenden Unterricht tatsächlich zu verbessern.“ Ausbildende Apotheken sollten PhiPs nicht nur als billige Arbeitskraft sehen. Mädler: „Wir sind Pharmazeuten, die theoretisch sehr viel wissen, aber eine Hilfestellung brauchen, dies in die Praxis umzusetzen.“ Bleibt zu klären, was PhiPs später im Job erwartet. Freier Beruf – finanzieller Anreiz? Am Vorabend des letzten Apothekertags wollte Daniel Mädler von Friedemann Schmidt wissen, warum es sich heute noch lohnt, als Apotheker selbständig zu werden. Der ABDA-Präsident verwies auf Freiräume, ohne finanzielle Rahmenbedingungen zu thematisieren. Mädler: „Genau diese Frage beschäftigt aber viele meiner Kommilitonen nach einem langen, anspruchsvollen Studium.“ Natürlich sei es attraktiv, selbständig zu arbeiten und eigenverantwortlich entscheiden zu können. „Der finanzielle Anreiz ist aus meiner Sicht momentan nicht gegeben. Wer sich heute für die eigene Apotheke entscheidet, tut das zu einem gewissen Maß auch aus ideellen Beweggründen.“ Knebel vom Gesetzgeber Die Gründe sind bekannt: Gesundheitspolitiker engen Handlungsspielräume werden immer weiter ein. Hier fallen auf Anhieb diverse Sparpakete der Bundesregierung ein, gefolgt vom fruchtlosen Kampf um ein angemessenes Salär. Höhere Fixhonorare? Ja, aber nur 25 Cent pro Packung. Eine Pauschale für Nacht- und Notdienste? Darüber müssen wir erst noch in großer Koalitionsrunde debattieren, besser übermorgen als heute. Auch die Rabattverträge rauben im HV Zeit ohne Ende. Kein Wunder, dass sich laut Kantar Health viele Apotheker rückblickend gegen ihren Beruf entscheiden. Während im Jahr 2010 noch jeder Zweite erneut in Richtung Pharmazie gegangen wäre, sank die Zahl 2012 auf 39 Prozent. Rund ein Viertel aller Befragten ist sich zumindest unsicher. Das liebe Geld Jobs gäbe es zur Genüge. Bundesweit ist die Arbeitslosigkeit seit Jahren auf einem kaum fassbaren Tiefstand – bei der Bundesagentur für Arbeit sind je nach Jahr 600 bis 700 Kollegen gemeldet. Auch wird bis 2020 etwa jeder dritte Apothekeninhaber das Rentenalter erreicht haben. Bliebe noch das Salär zu klären: Gehälter im Angestelltenverhältnis bewegen sich von 3.088 Euro brutto im ersten Berufsjahr bis zu 3.745 Euro ab dem elften Berufsjahr. Dr. Frank Diener von der Treuhand Hannover zog beim DAV-Wirtschaftsforum eine wenig motivierende Bilanz. Während angestellte Apotheker in der höchsten Tarifgruppe – zuzüglich 15 Prozent – netto auf etwa 32.500 Euro pro Jahr kommen, liegt der Verfügungsbetrag von Inhabern bei 35.300 Euro. Dieser Rechenansatz ist nicht frei von Kritik. Als Basis werden typische Apotheken herangezogen, das sind knapp 17 Prozent. Sie setzen rund 1,3 Millionen Euro um. Statistisch gesehen erwirtschaften 23 Prozent weniger, aber 60 Prozent mehr als diese Summe. Andere Akademiker im Gesundheitswesen stehen weitaus besser da. Wie die Kassenärztliche Bundesvereinigung berichtete, verdienten niedergelassene Mediziner 2011 im Schnitt 5.442 Euro netto, also rund 65.000 Euro pro Jahr. Russisch Roulette im weißen Kittel Bleibt noch das Risiko einer Insolvenz. Im Jahr 2008 schlossen 328 Apotheken für immer ihre Tore, 2009 waren es 352, ein Jahr später 370 und 2011 bereits 424. Für Approbierte ist eine selbständige Tätigkeit kaum noch erstrebenswert. „Die wenigsten Kommilitonen gehen heute von der Uni weg und übernehmen nach ihrem PJ direkt eine Apotheke, wie es früher noch recht üblich war“, weiß Mädler. Immer häufiger suchen Inhaber verzweifelt nach Approbierten, um die Nachfolge ihrer Apotheke zu regeln. Allerdings ermöglichen Filialen – je nach Vertragslage – gestalterische Spielräume ohne entsprechende Risiken. Mädler: „Das Studium bietet neben der öffentlichen Apotheke jedoch zahlreiche andere Perspektiven.“ Sinkende Attraktivität Eine Umfrage mit 451 Pharmaziestudenten zeigt, wohin der Hase läuft. Nur 27,9 Prozent gaben als Berufswunsch öffentliche Apotheken an. Die pharmazeutische Industrie ist für 25,7 Prozent erstrebenswert. Neben spannenden Themen winken attraktive Einstiegsgehälter von 45.000 bis 52.000 Euro brutto pro Jahr. Forschende Arzneimittelfirmen setzen häufig eine Promotion voraus. Generikahersteller sehen das nicht so eng, zahlen jedoch etwas schlechter (zirka 42.000 bis 47.000 Euro). Weitere 20,6 Prozent aller Studienteilnehmer würden gerne in der akademischen Forschung arbeiten. Bleiben als Option noch Jobs im öffentlichen Dienst. Verbeamtete Apotheker werden in die Besoldungsgruppe A13 eingruppiert, das entspricht brutto mindestens 43.000 Euro pro Jahr. Im Angestelltenverhältnis gilt der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD), was mindestens 41.000 Euro brutto in Entgeltgruppe E 13 entspricht. Auch die Bundeswehr sucht pharmazeutisches Personal. Wer gerne unterrichtet, findet vielleicht in PTA-Schulen seinen Traumjob. Der berufliche Weg muss schon lange nicht mehr automatisch in öffentliche Apotheken führen.