Ceftazidim, Cefazolin, Cefuroxim, Ceftriaxon – da heißt es genau lesen und hinhören, um die Arzneimittel nicht zu verwechseln. Zu Missverständnissen kommt es immer wieder. Das kann schwere, teils tödliche Folgen haben. Die häufigsten Fehlerquellen im Überblick.
Es gibt zahlreiche Möglichkeiten, wie sich ein Fehler bei der (Ab-)Gabe einschleichen kann. Der Arzt schreibt das richtige Medikament auf, der Apotheker gibt eines mit einem ähnlichen Namen mit. Der Arzt übermittelt den Namen seiner MFA mündlich, die ein ähnlich klingendes Präparat rezeptiert. Auch möglich, dass der Patient zwei ähnlich aussehende oder ähnliche klingende Arzneimittel im Haushalt hat und diese verwechselt.
Gut zehn Jahre ist es her, dass im Universitätskrankenhaus Eppendorf eine Pflegekraft einem fünf Monate alten Säugling Kaliumchlorid statt Glukose verabreicht hat. Die Namen klingen nicht ähnlich, aber die Infusionsflaschen mit ihrem grünen Etikett sehen fast aus wie Zwillinge. „Der Tod kam farblos“ war seinerzeit eine Titelzeile. In vielen Kliniken wurde eine vorbeugende Maßnahme ergriffen: Kaliumchloridlösung wird nun blau eingefärbt, um solche Verwechslungen zukünftig auszuschließen. „Studien belegen regelmäßig, dass rund 80 Prozent der Gesamtzahl aller Fehler, die im Krankenhaus gemacht werden, auf Medikationsfehler zurückzuführen sind“, so Prof. Sebastian Harder, Vorsitzender der Arzneimittelkommission am Institut für Klinische Pharmakologie der Uniklinik Frankfurt. In diesem Zusammenhang veröffentlichte die ABDA eine Umfrage. Öffentliche Apotheken sowie Krankenhausapotheken sollten Angaben dazu machen, welche Arzneimittel-Verwechslungen am häufigsten passieren – es waren Mehrantworten möglich. Das Ergebnis: In öffentlichen Apotheken machten Lesefehler bei der Verordnung knapp 75 Prozent aus, gefolgt vom ähnlichen Aussehen der Packungen (Look-Alike) mit 60 Prozent und einem ähnlichen phonetischen Klang (Sound-Alike) mit knapp 42 Prozent. In Kliniken sind Look-Alikes mit 85 Prozent das größte Problem, im Ranking folgen Sound-Alikes (69 Prozent), manuelle Lagerortentnahmefehler (67 Prozent), Lesefehler liegen bei 60 Prozent. Bei Verwechslungen liegt die Verantwortung allein beim Apotheker. Ihm kommt die volle Sorgfaltspflicht zu, der Patient hat keine Prüfpflicht, ob das Medikament das richtige ist. Ein Apotheker in Nordrhein-Westfalen gab anstatt eines Phosphatbinders einen Calciumantagonisten ab, die betagte Patientin starb. Der Apotheker wurde in erster Instanz zu 14 Monaten Haft auf Bewährung verurteilt. Das Landgericht Bielefeld korrigierte das Urteil und setzte stattdessen eine Geldstrafe in Höhe von 120 Tagessätzen à 60,00 Euro fest. Kommunikationsfehler in der Praxis, der Apotheke oder zwischen Arzt und Apotheker bilden nur die iatrogene Seite der Fehlerquellen ab. Die weitere „human error“-Gefahr geht vom Patienten selber aus. Wenn Zäpfchen schäumend gelutscht, Tabletten eingeführt und Inhalator-Kapseln geschluckt werden, ist das kein Apothekencartoon, sondern gelebte Realität. Es folgen klassische Beispiele für Fehlanwendungen sowie wichtige Hinweise, die Experten an Patienten weitergeben sollten.
Besonders Augentropfen werden häufig falsch oder nicht effizient genug angewendet, warnt die ABDA in einer Pressemitteilung. „Kaum ein Patient berücksichtigt, dass Augentropfen besser wirken, wenn das Lid nach dem Eintropfen für kurze Zeit geschlossen wird“, heißt es in der Mitteilung. Bei einigen Augentropfen erfolgt die Zubereitung der gebrauchsfertigen Lösung vor der Anwendung. Die Apotheke sollte den nicht selten sehschwachen Patienten in diesen Fällen anbieten, die Lösung zuzubereiten. Das Zubereitungsdatum muss auf der Augentropfflasche vermerkt werden. Eine Sonderstellung nimmt ein 2-Kammersystem mit den Wirkstoffen Timolol und Pilocarpin ein. Dieses darf nur in der Apotheke oder der Arztpraxis, nicht vom Patienten selbst zubereitet werden. Bei falscher Handhabung besteht die Möglichkeit, dass ausschließlich das Verdünnungsmittel aus der Flasche herausgedrückt wird. Mydriatika führen durch ihre pupillenerweiternde Wirkung und Augensalben sowie ölige Augentropfen durch ihre viskose Konsistenz zu Sehbehinderungen. Bei der Abgabe ist es sinnvoll, den Patienten darauf hinzuweisen (Cave: Autofahrer). Augenspülungen aus Drogenzubereitungen (Kamille, Augentrost u.a.) sind obsolet. Der unsterile Aufguss enthält einen hohen Anteil an Schwebstoffen, der im Auge zu Reizungen führen kann.
Augentropfen gegen erhöhten Augeninnendruck mit Prostaglandinanaloga wie Lantanoprost können das Wimpernwachstum dramatisch anregen und die Irisfarbe verändern, das lässt sich auch nicht vermeiden. Sie färben die Haut um das Auge aber auch dunkel und verleihen dem Patienten ein „waschbärähnliches“ Erscheinungsbild. Diese Nebenwirkung kann verhindert werden, wenn der Patient die betroffenen Partien nach der Anwendung gründlich reinigt. Darauf sollten Augenarzt und Apotheker den Patienten hinweisen.
Eine effiziente Wirkung von pulmonal applizierten Wirkstoffen ist nur dann ausreichend gewährleistet, wenn der Patient das Inhalationssystem hinreichend beherrscht. Der Erklärungsbedarf und die Anforderung an das Apothekenpersonal sind hoch. Ständig kommen neue Fabrikate auf den Markt, mit denen sich Patient und Apotheke gleichermaßen auseinandersetzen müssen. Mit dem improvisierten Informationsversuch „Jetzt lesen wir gemeinsam erst mal den Beipackzettel“ wird man bei einigen Systemen sich und den Kunden frustrieren. Neben der technischen Anwendung der Geräte spielt die richtige Inhalationstechnik eine entscheidende Rolle, damit der Wirkstoff dort ankommt, wo er soll. Bei kortikoidhaltigen Aerosolen zur Asthmatherapie sollte man den Patienten darauf hinweisen, die Mundhöhle nach jeder Anwendung auszuspülen, um systemische Wirkungen und lokale Mykosen zu verhindern. Werden Bronchospasmolytika und Kortikoide gemeinsam als Spray verordnet, muss der Patient zuerst das bronchialerweiternde Aerosol und danach das Kortisonpräparat anwenden. Hierdurch wird eine ausreichende pulmonale Deponierung gewährleistet.
Nahezu alle gebräuchlichen Pulverinhalte wie Salbutamol u.a. haben einen niedrigeren pH-Wert als entsprechende Aerosolzubereitungen. Außerdem enthalten eine Reihe dieser Pulverinhalte Laktose. Bei längerer Verweildauer dieser Medikamente im Oropharynx kann in Verbindung mit reduziertem Speichelfluss daraus eine erhöhte Kariesgefährdung resultieren. Nach der Anwendung soll der Patient seinen Mund spülen, aber sich NICHT die Zähne putzen. Der durch Säure angelöste Zahnschmelz würde dann abgetragen werden. Beim Inhalieren ist das Überstrecken des Halses besonders wichtig. Die festen Partikel verlassen das Device mit hoher Geschwindigkeit und prallen gegen die Rachenhinterwand. Nur wenn der Patient beim Inhalieren nach oben schaut, kann der Wirkstoff in ausreichender Menge in die Atemwege gelangen. Nach einer Studie von van der Palen et al. wenden bis zu 43 Prozent der Anwender von Kapselinhalatoren diese falsch an. Besonders wichtig ist hier die eigentliche Inhalation. Während bei der Inhalation via Dosieraerosol langsam und tief eingeatmet werden soll, ist für eine gute Deposition des Inhalates bei Inhalation via Trockenpulverinhalator zur Desagglomeration des frei gesetzten „Pulverklumpens“ erforderlich, kräftig, schnell und tief einzuatmen. Nicht alle Beipackzettel oder Fachinformationen geben diese Inhalte korrekt wieder. Sie berufen sich auf die Vorgaben der EMEA, diese sind jedoch Vorschläge und nicht verbindlich. So wird beispielsweise im Beipackzettel vom Handihaler ® geraten, langsam und tief einzuatmen, nach Empfehlungen der Atemwegsliga muss dies aber kräftig und schnell erfolgen. Die Deutsche Atemwegsliga hat Anwendungsvideos auf ihrer Homepage veröffentlicht, wo verständlich und patientenorientiert die korrekte Anwendung aller Devices erklärt wird.
Selbst bei so „simplen“ Arzneiformen können zahlreiche Fehler die Wirksamkeit einer Arzneitherapie gefährden. Testen Sie sich selbst: Wofür steht beim Calciumantagonisten Adalat SL ® das „SL“? Sublingual? Falsch. Die Tabletten dürfen nicht buccal oder sublingual appliziert werden. Die gut wasserlösliche Hülle der Zweiphasen-Manteltablette enthält den Arzneistoff nicht in kristalliner, sondern in molekulardisperser Verteilung; im Magen entfällt daher der Auflösungsprozess für Nifedipin. Der Wirkstoff kommt schnell zur Wirkung. Der Kapselkern löst sich langsam auf und besteht aus kristallinem Wirkstoff. „SL“ ist das Akronym für schnell und langsam. Bei Nifedipin lauern noch weitere Fehler. Eine Indikation ist die stabile Angina Pectoris, keinesfalls aber die instabile Angina Pectoris im Sinne eines STEMI. Seit langer Zeit ist bekannt, dass Nifedipin die Mortalitätsrate beim Infarkt steigern kann, da es das Blut im Herzen umverteilt und größere Areale ischämisch werden. Und noch eine Fehlerquelle lauert bei Calciumantagonisten vom Nifedipintyp: Mit Grapefruit(saft) eingenommen, kann der Wirkstoffspiegel erheblich ansteigen.
Vor der Einnahme von Tabletten müssen je nach Zusammenstellung unterschiedliche Punkte berücksichtigt werden:
Ob orale Zubereitungsformen geteilt, gelöst, gemörsert oder über eine Sonde gegeben werden können, ist nicht selten eine wichtige Fragestellung in der Klinik oder in Heimen. Eine gute Informationsquelle ist beispielsweise die Website: www.pharmatrix.de. Auch die brandaktuelle Arbeitshilfe der Bundesapothekerkammer zur Qualitätssicherung gibt Rat. Die Arbeitshilfe warnt: „Arzneimittel sind ohne entsprechende Hintergrundinformationen nicht über die Sonde zu applizieren.“
Hartgelatinekapseln, die mit magensaftresistenten Pellets gefüllt sind, können in der Regel geöffnet und die Pellets über Sonde gegeben werden. Die Tücke steckt jedoch im Detail, weil es wichtig ist, wo die Sonde endet. Bei einer im Magen endenden PEG- oder nasogastralen Sonde dürfen die Pellets auf keinen Fall gemörsert werden. Eine Suspendierung – keine Lösung! – in Wasser ist teilweise möglich. Die Suspension muss zügig über die Sonde gegeben werden. Bei einer längeren Standzeit kann es zu einer Quellung der Pellets kommen, die die Sonde verstopfen. Eine PEJ- oder nasointestinale Sonde endet im Darm. Magensaftresistente Tabletten, Dragees oder Pellets dürfen gemörsert werden. Da der Wirkstoff direkt in den Darm gelangt, ist kein Magenschutz mehr nötig.
Die Euphorie, die diese Arzneiform noch vor gar nicht langer Zeit ausgelöst hat, ist durch ernüchternde Realität abgelöst worden. So anwenderfreundlich „nicht 3 x täglich schlucken, sondern 1 x täglich kleben“ auch klingt, sind nur wenige Arzneistoffe als TTS (Transdermale Therapeutische Systeme) verfügbar. Nur wenige Stoffe erfüllen die Anforderungen, um überhaupt die Haut penetrieren zu können. TTS können ansatzweise als intelligente Arzneiformen bezeichnet werden, da sie die Arzneistoffabgabe selber steuern. Die Freigaberate ist immer kleiner als die Permeationsrate durch die Haut. Die Permeation wird durch Steigerung der (Haut-)Temperatur und Hydratisierung der Hornschicht erhöht. Beim Matrixprinzip liegt der Arzneistoff als Lösung, Feststoff oder homogene Dispersion vor. Für dieses System spricht, dass es durch die matrixgesteuerte Freisetzung nie zu einer Spontanentleerung kommen kann. In einer Studie von Lampert et al. der Universität Heidelberg weisen die Autoren darauf hin, dass jeder Schritt im TTS-Anwendungsprozess fehleranfällig ist. Wegen der hohen Potenz der applizierten Wirkstoffe (beispielsweise Buprenorphin, Clonidin, Fentanyl, Glyceroltrinitrat, Nikotin, Rivastigmin oder Scopolamin) ergaben sich meist schwerwiegende Folgen, teilweise sogar tödliche. Mögliche Fehlerquellen waren das Zerschneiden des TTS oder das Aufkleben eines TTS, ohne das alte zu entfernen. Besonders riskant sind Wärmequellen wie Heizdecke, Solarium, MRT oder Wärmflaschen. Fentanyl-TTS sind mit Wirkstoff für bis zu sieben Tagen beladen, bei einer Temperatursteigerung wird wesentlich mehr Wirkstoff abgegeben und es droht eine Atemdepression. Das Fachmedium Apotheke adhoc empfiehlt Patienten, auf eine kindersichere Entsorgung zu achten. Es empfiehlt sich, das Pflaster in der Mitte nach innen zu falten und die Klebefläche aufeinander zu kleben. Viele TTS sind transparent und schlecht zu erkennen. Es haben sich zahlreiche Todesfälle bei Kindern ereignet, bei denen die Pflaster akzidentell übertragen wurden. Der EMA-Ausschuss für Risikobewertung hat festgestellt, dass die unzureichende Sichtbarkeit des Pflasters zu der versehentlichen Übertragung beigetragen haben könnte. Daher hat der Ausschuss empfohlen, die Optik der Pflaster zu verbessern. Auf der Homepage der Firma LTS ist die richtige Anwendung von TTS patientenfreundlich erklärt. Für alle, die sich ausführlicher informieren möchten, kann das Fachbuch von Apotheker Dr. Wolfgang Kircher „Arzneiformen richtig anwenden“ empfohlen werden. Auf knapp 500 Seiten wird die richtige Applikation aller Arzneiformen anschaulich und sehr ausführlich erklärt. Wussten Sie beispielsweise, dass Zäpfchen mit der stumpfen Seite voran eingeführt werden sollten, weil sie dann weniger leicht in die falsche Richtung abdriften?