Durch den Einsatz von PPI sind Operationen bei peptischen Ulzera zur Seltenheit geworden. Trotzdem ist Vorsicht geboten, denn immer häufiger gibt es Probleme mit den Säureblockern. Eine Studie stellt Zusammenhänge mit der Mortalität her – hier kommen OTCs ins Spiel.
Protonenpumpenhemmer wie Pantoprazol oder Omeprazol gehören laut Arzneimittelreport 2016 der Barmer GEK zu den am häufigsten verordneten Arzneistoffen schlechthin. Hochrechnungen der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns zufolge nimmt statistisch gesehen jeder Patient in Bayern 50 Tagesdosen PPI pro Jahr ein. Das bedeutet anders gesprochen eine Dauertherapie bei jeder zehnten Person. Zwar sind Magenresektionen wie Billroth I oder Bilroth II bei peptischen Ulzera durch Pharmakotherapien heute zur Seltenheit geworden. Dafür zeigen sich immer häufiger unerwünschte Effekte.
Die am häufigsten durch Hausärzte inklusive hausärztlich tätiger Internisten verordneten Wirkstoffe bei Versicherten der Barmer GEK (Ausschnitt) © Arzneimittelreport 2016 Ziyad Al-Aly © Washington University School of Medicine Ziyad Al-Aly von der Washington University School of Medicine in St. Louis wollte wissen, welche Folgen PPI in der Langzeittherapie haben. Basis seiner Arbeit war eine Kohorte mit knapp sechs Millionen US-Veteranen. Der Forscher wählte einen vergleichsweise neuen Ansatz, indem er verschiedene Wirkstoffklassen miteinander verglich. Ärzte verordneten 275.000 Patienten PPI, und fast 75.000 Patienten erhielten H2-Blocker. Alle Personen wurden über 5,6 Jahre hinweg nahbeobachtet. Bei der ersten Auswertung fand Al-Aly, dass das Mortalitätsrisiko in seiner PPI-Gruppe signifikant um 25 Prozent nach oben geschnellt war. Seine Strategie zum Studiendesign ging aber nicht wirklich auf: Ärzte verordneten Patienten mit schwereren Grunderkrankungen häufiger Protonenpumpenhemmer. Deshalb versuchte er zusammen mit Kollegen, die Verzerrung mathematisch zu bereinigen. Je nach Verfahren blieb das Mortalitätsrisiko bei PPI immer noch um 16 beziehungsweise 21 Prozent höher als bei H2-Blockern. Auch hier waren Unterschied zwischen beiden Gruppen signifikant. Anders ausgedrückt kommt Al-Aly rein rechnerisch auf einen zusätzlichen Todesfall pro 500 Patienten, die zwölf Monate lang PPI schlucken.
Al-Alys Assoziation beweist letztlich keine Kausalität, reiht sich aber nahtlos in weitere Veröffentlichungen zu Risiken von PPI ein. Michael Howell von der Harvard Medical School in Boston hat für eine Beobachtungsstudie Entlassdiagnosen von 101.796 Patienten nach stationären Krankenhausaufenthalten ausgewertet. Bei ihnen war das Risiko einer Infektion mit nosokomialem Clostridium difficile mit der Magensäureblockade assoziiert. Verordneten Ärzte H2-Rezeptorantagonisten, waren es 53 Prozent, bei täglicher PPI-Gabe 74 Prozent und bei noch häufigerer Anwendung sogar 136 Prozent. Ähnliche Effekte traten bei Patienten auf, die mit PPI behandelt worden waren, um das Risiko möglicher Blutungen zu verringern. Mit Clostridium difficile hat sich Amy Linsky vom Boston Medical Center ebenfalls befasst. Sie analysierte im Rahmen einer retrospektiven Studie Daten von 1.200 Patienten mit Infektionen unterschiedlichen Ursprungs. Ärzte hatten alle Personen zunächst erfolgreich mit Metronidazol oder mit Vancomycin behandelt. Bei 25,2 Prozent (PPI) versus 18,5 Prozent kam es zum Rezidiv. In einer weiteren Veröffentlichung ging Shelly L. Gray, University of Washington, mit ihren Kollegen der Frage nach, ob es Assoziationen mit Frakturen gibt. Die Forscherin verwendete Aufzeichnungen von 161.806 Teilnehmerinnen der Women’s Health Initiative zwischen 50 und 79 Jahren. Während der achtjährigen Nachbeobachtungszeit traten 21.247 neue Frakturen auf. Nahmen Frauen PPI ein, war das Risiko spinaler Frakturen um 47 Prozent erhöht. Bei Unterarm- und Handgelenksfrakturen errechnete Gray ein Plus von 25 Prozent. Veränderungen der Resorption einzelner Nahrungsbestandteile wie Calcium oder D-Vitaminen werden als Erklärung diskutiert. Damit nicht genug: Weitere Veröffentlichungen lassen Zusammenhänge zwischen PPI und akuten interstitiellen Nephritiden, Myokardinfarkten, Demenzen und Pneumonien vermuten. In allen Fällen finden Wissenschaftler zwar Assoziationen, aber keine Kausalitäten. Bis es methodisch hochwertigere Studien gibt, bleibt Ärzten nur, maßvoller zu verordnen.
Matthias Ebert © Universitätsmedizin Mannheim „Diese Medikamente sind wirksam und wichtig zur Behandlung und Vorbeugung bestimmter säureassoziierter Magenerkrankungen wie beispielsweise der Refluxkrankheit, der gastroduodenalen Ulkuskrankheit, des Barrett-Ösophagus oder des Zollinger-Ellison-Syndroms“, so Professor Dr. Matthias Ebert, Direktor der II. Medizinischen Klinik der Universitätsmedizin Mannheim. In manchen Fällen sei auch ihr Einsatz als Magenschutz angebracht. Immer häufiger kämen PPI bei Beschwerden zum Einsatz, bei denen ihr Nutzen nicht wissenschaftlich belegbar sei, etwa beim Reizmagen. Die unkritische Einnahme werde zudem dadurch begünstigt, dass die Medikamente auch freiverkäuflich in Apotheken abgegeben würden, weiß Ebert. Beim abrupten Absetzen ohne ärztliche Kontrolle kommt es mitunter zu Rebound-Effekten. „Dies führt nicht selten dazu, dass Patienten das Medikament dann weiter einnehmen und langfristig dabei bleiben“, so Ebert weiter. Die Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten rät, Protonenpumpeninhibitoren nicht langfristig ohne ärztlich gesicherte Diagnose anzuwenden.