Hat die Kleidung des Pädiaters einen Einfluss auf die Doktor-Patienten-Elternbeziehung auf einer Kinderstation? Dieser Frage gingen Forscher der Medizinischen Universität Graz auf den Grund.
Im Rahmen der Studie wurde unter anderem untersucht, ob ein mit einem bunten T-Shirt bekleideter Kinderarzt auf Kinder sympathischer wirkt und ob die Eltern einem leger gekleideten Arzt ein höheres Vertrauen schenken. Die Studie wurde kürzlich in der renommierten wissenschaftlichen Zeitschrift "Acta Paediatrica" veröffentlicht.
Das Studiendesign
Dazu wurden drei Kleidungsstile ausgewählt: "formal"– mit Krawatte & weißem Mantel, "semiformal" – mit weißem Poloshirt und "casual" – mit buntem T-Shirt. Anschließend wurden zwei Fragebögen (einer für Eltern, einer für Kinder zwischen 6 und 18 Jahren) und ein Beobachtungsbogen (für Kinder unter sechs Jahren) ausgearbeitet. Insgesamt wurden über einen Zeitraum von zwei Monaten die Daten von 179 Personen (48 Kinder unter sechs Jahren, 59 Kinder zwischen 6 und 18 Jahren und 72 Eltern) erhoben. "Die Erhebung mit Kindern und deren Eltern hat mir viel Spaß bereitet. Und offensichtlich hat es auch den Testpersonen Spaß gemacht – nur eine einzige Familie mit Kind hat die Beteiligung an der Studie abgelehnt", erzählt Studienautorin Julia Hofmann von der Medizinischen Universität Graz.
Je bunter, desto sympathischer
Im Anschluss an die Visite, bei welcher der Arzt eines der drei Outfits trug, fand die Befragung der Kinder zwischen 6 und 18 Jahren und ihrer Eltern statt. Die Reaktionen der unter 6-Jährigen wurden während der Visite beobachtet. Die Auswertung der Fragebögen ergab, dass das casual-bunte Outfit von den Kindern eindeutig favorisiert wird. Unter den 59 Kindern zwischen sechs und 18 Jahren wählten alle Kinder, die im "bunten Outfit" untersucht wurden, die beste Note für den Arzt im T-Shirt aus. Danach wurde die Frage gestellt, welches Outfit die Kinder bevorzugen. Dazu wurden Fotos eines Arztes in den drei Outfits casual, semiformal und formal gezeigt.
52,9 Prozent der Gruppe 1 (Kinder, die den Arzt in Anzug und Krawatte bei der Visite gesehen hatten), 41,17 % der zweiten Gruppe (weißes Poloshirt) bzw. 85,7 % der Gruppe 3 (buntes T-Shirt) wählten das bunte Outfit. Interessant war, dass selbst die Eltern das "bunte T-Shirt" bevorzugten – 95,45 % der Eltern, die das bunte Outfit des Arztes bei der Visite gesehen hatten, gaben die Note eins. Auch in den anderen beiden Gruppen bewegte sich die Zustimmung zwischen 53,85 (Krawatte & weißer Mantel) und 70,83 Prozent in der weißen Poloshirt-Gruppe. Ein weiteres überraschendes Ergebnis: Sowohl Patienten als auch Eltern haben zum "bunten Arzt" am meisten Vertrauen. 95,45 % der befragten Eltern haben in der bunten T-Shirt-Gruppe höchstes Vertrauen zu ihrem Arzt, in der "Krawatten & Mantel-Gruppe" waren es nur 84,6 Prozent.
Arztmantel ausgedient?
Bei der Auswertung der Daten der Kleinkinder bis sechs Jahre (Verhaltensbeobachtung) zeigte sich hingegen, dass das Outfit des Arztes keine signifikante Rolle spielte. "Dass Kinder und Jugendliche das lustige Outfit bevorzugen, war für mich nicht wirklich verwunderlich. Überrascht hat mich allerdings, dass Krawatte und weißer Mantel auch bei Eltern offensichtlich keine 'Vertrauensbildner' sind, hingegen das bunte Outfit das Vertrauen der Eltern eher positiv beeinflusst", kommentiert Prof. Dr. Reinhold Kerbl, Vorstand der Abteilung für Kinder und Jugendliche des LKH Leoben und Betreuer der Diplomarbeit die Studie.
Weiterhin lasse sich aus der Studie ableiten, dass der gute, alte Arztmantel bei Kinderärzten scheinbar ausgedient hat. "Ich glaube, dass die Studienergebnisse für Mitteleuropa repräsentativ sind, allerdings lassen sich keine generellen Schlüsse für die restliche Welt ziehen", so Kerbl abschließend. Auch frühere englischsprachige Studien haben gezeigt, dass die Bedeutung des Ärzte-Outfits auch eine hohe psychologische Komponente beinhaltet und weit über die eines modischen Accessoires hinausgeht.
Angezogene Wahrnehmung
Studienleiter Adam D. Galinsky, Ethik-Professor der Kellog School of Management der Northwestern University, Illinois, untersuchte im Frühjahr 2012 in der Studie "Enclothed Cognition" (angezogene Wahrnehmung), wie weit der alte Spruch "Kleider machen Leute" in der Arbeitswelt tatsächlich zutrifft. Das Ergebnis: Die Kleidung beeinflusst auch, wie intelligent wir uns verhalten. Mithilfe des so genannten Stroop-Tests wurden 60 Probanden schnell hintereinander verschiedene Worte für Farben gezeigt. Sie mussten die Farbe des Wortes nennen, welches sie sahen und nicht das Wort selbst. Wenn beispielsweise das Wort "gelb" in der Farbe "rosa" geschrieben erscheint, ist die richtige Antwort "rosa". Dabei absolvierten 30 Testteilnehmer den Test in einem weißen Arztmantel, die andere Hälfte unterzog sich dem Test ohne Mantel. Dabei machten die Testpersonen im weißen Mantel um die Hälfte weniger Fehler als die andere Gruppe. Im zweiten Testteil wurde den Personen im weißen Mantel erzählt, dass es sich bei ihrer Kleidung um ein Maler-Outfit handelt. Das erstaunliche Ergebnis: Diesmal schnitten die Personen im weißen Mantel schlechter ab, als die Gruppe ohne Mantel.
Kleidung beeinflusst das Denken
Die Erklärung der Forscher für dieses Phänomen: Die Körperhaltung in der Kleidung gepaart mit dem symbolischen Wert, den wir ihr zuerkennen, sorgte dafür, dass die Testpersonen im Arztkittel ein besseres Ergebnis erzielten als diejenigen in der Berufskleidung des Malers. Die Forscher schließen daraus, dass wir intelligentere Entscheidungen treffen und produktiver arbeiten, wenn wir entsprechende Kleidung tragen, weil sie eine bestimmte Symbolik beinhaltet, die unser Verhalten beeinflusst. Weitere psychologische Studien haben außerdem gezeigt, dass Lehrkräfte in Anzug und Krawatte für intelligenter aber weniger interessant gehalten werden, als solche in legerer Kleidung. Ein anderes Experiment hat gezeigt, dass Frauen, die sich besonders aufreizend anziehen, weniger kompetent eingeschätzt wurden.
Robert Koch erschuf die Götter in Weiß
Noch im 19. Jahrhundert war das Arbeitsgewand von medizinischem Personal in der Regel schwarz. Dunkle, steife Gehröcke, die sowohl im Alltagsleben als auch im OP getragen wurden, waren eine echte Hygiene-Katastrophe. Dies änderte sich erst Ende des 19. Jahrhunderts durch den Pionier der Mikrobiologie, Robert Koch, der die Erreger der Wundinfektion mit fotografischen Mitteln sichtbar machte. Weiße Bekleidung konnte bei hohen Temperaturen gewaschen und die Bakterien abgetötet werden. Im Laufe des 20. Jahrhunderts wechselte man dann im OP auf grüne oder blaue Kleidung, weil weiße Bekleidungen im Schein der OP-Beleuchtung zu sehr blendeten.
Die weiße Arztkleidung hat sich dennoch gehalten. In einer englischen Studie begründeten Mediziner dies, weil sie so leichter als Arzt identifiziert werden könnten. In Arztpraxen ist die weiße Kleidung derzeit auf dem Rückzug, besonders bei Psychiatern und Kinderärzten, weil durch sie zu viel Distanz geschaffen würde und die kleinen Patienten eingeschüchtert werden. Viele Menschen sind beim Arztbesuch so angespannt, dass sie mit einem erhöhten Blutdruck reagieren. Daher wird dieses Phänomen auch als "Weißkittel-Syndrom" bezeichnet.