So alt wie die Menschheit ist der Traum, schlank und attraktiv zu sein – möglichst ohne allzu große Anstrengung. Wieder einmal tauchen neue Wundermittel auf: Nuvoryn und Pure Cleanse. Hochwertige Studien fehlen, dafür werden Patienten mit allerlei Tricks hinter das Licht geführt.
Pure Cleanse für 100 Euro und Nuvoryn für 80 Euro und die Bikinifigur ist zum Greifen nah. Patienten erliegen teilweise vollmundigen Versprechungen der Websites, 15 bis 30 Kilogramm abzunehmen – ohne Sport, ohne Ernährungsumstellung, nur mit ein paar Pillen. In Wirklichkeit setzen sie ihre Gesundheit aufs Spiel. Wirkungslos bis gefährlich Manche Inhaltsstoffe klingen noch recht harmlos bis vielversprechend: Grüner Tee, Mate, Guaraná, Acaifrüchte, Resveratrol, sibirischer Ginseng und Extrakte aus Granatäpfeln sollen die Fettverbrennung ankurbeln. Dazu werden etliche Quellen angegeben, die sich auf Heilpflanzen selbst, nicht aber auf Nuvoryn-Kapseln beziehen. Zum Teil verlinkt der Anbieter aber nur auf redaktionelle Texte ohne wissenschaftlichen Kontext. Eine Arzneipflanze soll besonders unter die Lupe genommen werden: Damiana (Turnera diffusa) gilt nach pharmakologischer Einschätzung als Aphrodisiakum und wirkt als Aromatase-Inhibitor. Manche US-Bundesstaaten wie Louisiana haben die Pflanze sogar verboten, da es immer wieder zu Vergiftungsfällen durch Damiana in Kombination mit synthetischen Cannabinoid-Rezeptoragonisten kam. Einfach ein Abführmittel In Deutschland unterliegt Turnera diffusa zwar nicht dem Betäubungsmittelgesetz. Aufgrund der Wirkung gilt für alle Teile und Extrakte jedoch der Arzneimittelbegriff. Das bedeutet, Damiana-haltige Kapseln dürfen nur über Apotheken verkauft werden – ob als OTCs oder als verschreibungspflichtige Präparate, müsste vom zuständigen Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) geklärt werden. Der Verkauf durch Internetportale ist folglich strafbar, und entsprechende Warensendungen können vom Zoll beschlagnahmt werden. Pure Cleanse enthält unter anderem Laxantien wie Kap-Aloe, Cascara sagrada, Berberitze, Rhabarber und Kreuzdorn. Hinter dem Präparat verbirgt sich letztlich nicht mehr als eine Mischung diverser Abführmittel. Schließlich führt Dehydratation ebenfalls zu Gewichtsverlust. Patienten entrüstet In diversen Webforen häufen sich mittlerweile negative Berichte zu Damiana. Das Spektrum reicht von Nebenwirkungen wie Herzrasen, Kopfschmerzen und Mundtrockenheit bis hin zu Ärger bei Rücksendungen beziehungsweise Kreditkartenzahlungen. Geld-Zurück-Garantie wie im Video versprochen? Fehlanzeige! Beschwerden laufen ins Leere, und nach Kontaktdaten sucht man vergebens: Der deutsche Internetauftritt ist ohne Impressum – ein eklatanter Verstoß gegen das Telemediendienstgesetz, Paragraph 5 (allgemeine Informationspflichten). Das mag Kunden wenig trösten, ihr Geld sehen sie nicht wieder. Nepper – Schlepper – Bauernfänger Vermeintlichen Erfolgsgeschichten des „Wundermittels“ sind auch mit Vorsicht zu genießen. Recherchiert man beispielsweise auf der deutschen und spanischen Seite, tauchen rechts einige der üblichen Vorher-Nachher-Stories auf. Wie praktisch: Die Probanden haben passend zum jeweiligen Land auch deutsche beziehungsweise spanische Namen – bei gleichem Bild. Zusätzlich wird mit vermeintlichen „Erfahrungsberichten“ gearbeitet, User-Kommentare am Ende der Website sollen das positive Bild stärken. Möchte man selbst eine Anmerkung posten, heißt es lapidar: „Die Kommentare wurden wegen Spam geschlossen. Bitte versuchen Sie es später erneut.“ Viele Texte haben eine erstaunlich hohe Ähnlichkeit zueinander. Experten – heute im Angebot Und es geht noch weiter: Ein scheinbar seriöser Experte muss ebenfalls zu Wort kommen: Dr. Mark Weis, der "vielbeschäftigte Allgemeinarzt, der es mit vielen Patienten zu tun hat, die Schwierigkeiten haben, ihr Gewicht zu kontrollieren“. Doch das Internet ist gnadenlos. Bei tiefergehender Recherche stößt man auf ein Jobgesuch des vermeintlichen Fachmanns. Er beschreibt sich selbst als "erfahrenen Hausarzt, der zahlreiche Artikel in wissenschaftlichen Zeitschriften“ veröffentlicht hat. Bei PubMed-Recherchen taucht jedoch nur eine einzige Literaturstelle auf. Ansonsten wirbt der Arzt ganz unverhohlen mit seinen Dienstleistungen: „Dr. Weis freut sich auf die Gelegenheit, Ihnen die hervorragende Ergebnisse, die Sie für Ihr Projekt verdienen, zur Verfügung zu stellen“ – für 75 US-Dollar pro Stunde. Schlank per Pille Nuvoryn ist kein Einzelfall: Die US-amerikanische Arzneimittelbehörde FDA listet dutzende wirkungsloser bis bedenklicher Pillen und Pülverchen. Manche Produkte sollen als Nahrungsersatz das Hungergefühl dämpfen. Nach dem Absetzen ist die Freude schnell vorbei. Präparate zur Stoffwechselaktivierung halten auch nicht, was sie versprechen. Eine Sache nimmt bei den Wundermittelchen definitiv ab: das Geld im Portemonnaie. Vom Traum der Alchemisten Verkaufen dubiose Internethändler wirkungslose bis gefährliche Kräuterpillen, sind ihre Margen höher als bei Heroin. Während Herstellungskosten im Centbereich liegen, kostet eine Packung mindestens 20 bis 30 Euro. Damit hat sich für so manche Firma der alte Traum vieler Alchemisten, wertlose Stoffe in Gold zu verwandeln, erfüllt. Verbraucher tragen gleich mehrere Risiken: Wird die Ware vom Zoll beschlagnahmt, folgt meist eine moderate Geldstrafe, je nach Menge und Inhaltsstoffen. Außerdem werden Verstöße gegen das Arzneimittelgesetz mit bis zu 25.000 Euro geahndet. Doch die größten Gefahren gehen von Schlankmachern mit kritischem Inhalt aus, die auf dem Markt landen. Vor mehreren Jahren starb eine 19-jährige Schülerin aus der Nähe von Hannover – sie hatte ein Präparat mit dem Fettverbrenner Dinitrophenol geschluckt . Auch der mittlerweile verbotene Wirkstoff Sibutramin taucht immer wieder in beschlagnahmten Pillen auf. Viel Schweiß Auch Nuvoryn und Pure Cleanse lassen keine Pfunde auf Knopfdruck purzeln. Kunden bleibt damit nur, ihre Ernährung kritisch unter die Lupe zu nehmen und nach entsprechender Beratung umzustellen beziehungsweise sich mehr zu bewegen. Parallel dazu können verhaltenstherapeutische Maßnahmen Sinn machen. Bei extremem Übergewicht bleibt noch die Adipositaschirurgie. Ganz ohne Risiko sind Eingriffe wie ein Magenbypass aber nicht.
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