Mehr Demokratie wagen und Gespräche mit der Politik über Honorare führen, das erwarteten Kollegen vom Deutschen Apothekertag. Im Nachhinein lief vieles wie gehabt. Eine neue ABDA-Spitze wird sich kritischen Themen stellen müssen.
Die Tagesordnung versprach wenig Überraschendes: Grußworte, ein Festvortrag, Arbeitskreise, Antragsberatungen und Lageberichte in gewohntem Stil. Dennoch gab es ein Novum: Bereits vor dem offiziellen Startschuss luden ABDA und DAV alle Protestapotheker zum Dialog. Die Strategie, es lieber vorab krachen zu lassen, als den Apothekertag zu stören, ging auf. Zwar stellte ABDA-Chef Heinz-Günter Wolf zu Beginn des Forums wieder einmal bekannte Zahlen vor: Man habe 624 Millionen Euro gefordert und durch höhere Fixhonorare und Notdienstpauschalen gerade einmal die Hälfte erreicht. Proteste kanalisieren Dann ging es Schlag auf Schlag. Gabriela Aures, sie ist durch ihren nackten Protest bundesweit bekannt geworden, fragte: „Hat ein Kassenabschlag von 25 Prozent überhaupt noch seine Berechtigung?“ Dadurch sahen sich Wolf und Becker in die obskure Lage gebracht, Zwangsrabatte zu verteidigen. Dieser Obolus garantiere, dass gesetzliche Versicherungen alle Leistungen von Apotheken auch zeitnah vergüteten, hieß es von offizieller Seite. Das Sozialgesetzbuch räumt als Frist zehn Tagen nach Rechnungslegung durch die Rechenzentren ein, ansonsten verlieren GKVen Anspruch auf den begehrten Bonus. In anderen Ländern ohne entsprechende Regelungen warten Kollegen teilweise Wochen bis Monate auf ihre Gelder. Trotzdem müssen sie den Großhandel sofort bezahlen – und sitzen auf fünf- bis sechsstelligen Außenständen. Wirtschaftliche Schieflage Am generellen Sinn des Rabatts wird momentan nicht gerüttelt. Fritz Becker fordert jedoch „eine sehr deutliche Senkung“. Nach mehrmaligem Nachfragen nannte er 1,25 Euro. Ob dieses Ziel realistisch ist, wird sich zeigen. Kollegen spekulieren vielerorts mit der Richtschnur von 1,75 Euro. Auch „Videoapothekerin“ Ann-Katrin Kossendey meldete sich in der Diskussion zu Wort. Sie fragte nach beruflichen Zukunftsvisionen und prangerte das immer enger werdende wirtschaftliche Korsett an. ABDA-Vize Friedemann Schmidt warnte, würde die Arzneimittelpreisverordnung auf eine Höchstpreisverordnung umgestellt, hätten Apotheker das Nachsehen. Sie müssten mit der Pharmaindustrie Preise aushandeln und Rabatte direkt an die Kassen weitergeben. Das geltende System inhabergeführter Apotheken stellte dabei niemand infrage. „Fremd- und Mehrbesitz verteidigt“ „Keine Regierung hat Fremd- und Mehrbesitz so verteidigt wie die aktuelle“, sagte Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) in seinem Grußwort. Auch seien durch die Novelle zur Apothekenbetriebsordnung klare Verhältnisse geschaffen worden. Schmalspurfilialen ohne Labor sind tabu, trotz anderweitiger Forderungen. Bahr: „Viele europäische Staaten beneiden uns genau um diese Strukturen“, etwa bei rezeptpflichtigen Medikamenten. Mittlerweile gilt die Arzneimittelpreisverordnung auch für Versandapotheken aus anderen EU-Ländern, und Holland-Boni sind juristisch angreifbar. Bei 25 Cent Aufschlag für Fixhonorare bleibt der Minister aber hart. „Die Bundesministerien für Wirtschaft und Technologie sowie für Gesundheit haben Zahlen des Statistischen Bundesamts eingehend geprüft“, lautet sein Fazit. „Eine zehnprozentige Erhöhung der Packungsanzahl musste hier berücksichtigt werden.“ Im Vorfeld gab es hinsichtlich der Zahlenbasis große Unstimmigkeiten. Von der ABDA kamen ebenfalls Daten, die Regierungsvertreter nicht hinreichend berücksichtigt hatten. Warten auf eine Testregion Am Ende seines Grußwortes musste Daniel Bahr unbedingt noch einen Seitenhieb in Richtung Standesvertretungen loswerden. Die Regierung hat längst grünes Licht für das ABDA-KBV-Modell gegeben, eine Alternative zu Rabattverträgen. Der Gesundheitsminister forderte, umgehend mit Feldstudien „in einer Testregion, aber auch in mehreren Testregionen“ zu beginnen. „Wenn das Modell besser ist, werde ich mich für eine Implementierung einsetzen.“ Bis dato konnten sich Apotheker- und Ärzteverbände zwar auf Sachsen und Thüringen verständigen, Details zur Umsetzung gibt es aber nicht. Gesundheitspolitikern stößt das sauer auf, sie erwarten in absehbarer Zeit konkrete Ergebnisse. Wir müssen draußen bleiben Nicht das einzige heiße Eisen – auch so manche Antragsberatung hatte es in sich. Zwar bemängeln Standesvertreter in schöner Regelmäßigkeit, zu wenige junge Pharmazeuten würden sich berufspolitisch engagieren. Das grundsätzliche Problem brachte Kossendey auf den Punkt. Sie kritisierte die „väterliche“, um nicht zu sagen besserwisserische Art älterer Delegierter. „So lassen sich junge Kolleginnen und Kollegen nicht begeistern, so nimmt man sie nicht mit“, lautet ihr Resümee. In der Tat entwickeln sich Teile des Apothekertags immer mehr zu einem Schaulaufen ohne Reibungsfläche und ohne selbstkritische Sicht. Alle Anträge zu mehr Basisdemokratie wurden nach kontroverser Debatte abgebügelt. An sich ist das kaum erstaunlich. In der Sache zeigt sich aber, dass eine andere Generation von Apothekern die Bühne betritt – und etablierte Strukturen kritisch hinterfragt. Hier ist auch die Verteilung von Stimmen ein Thema. Laut ABDA arbeiteten in 2011 genau 48.690 Approbierte in Deutschlands Apotheken, rund 70 Prozent sind Frauen. Zum Vergleich: Der Anteil weiblicher Delegierter sank auf 38 Prozent, leider eine generelle Tendenz in der pharmazeutischen Standespolitik. Arbeitskreise: alter Wein im alten Schlauch Auch inhaltlich gab es nur wenig Neues. Das Podium zur Gesundheitskommunikation im Internet kaute alte Fakten wider, ohne Erkenntnisgewinn. Beim Thema Apothekenbetriebsordnung kristallisierten sich vor allem Probleme mit der Umsetzung heraus. Die „Soll“-Regelung zur Barrierefreiheit stößt vielerorts auf Probleme, vor allem durch Denkmalschutz-Auflagen. Bei der Vertretungsberechtigung von Pharmazieingenieuren und Apothekerassistenten sind Standesvertretungen ebenfalls nicht vorangekommen. Die Wahlkampf-Stimmung Zwar arbeitete Lutz Tisch, ABDA-Geschäftsführer Recht, den Bestandsschutz beider Berufsgruppen klar heraus. Apothekeninhabern fehlt momentan dennoch eine entsprechende Rechtssicherheit. Hinsichtlich der festgelegten Beratungspflicht fordert Tisch vermehrte Überprüfungen durch Amtsapotheker beziehungsweise Pharmazieräte. Deutlichere, wenn auch nicht überraschende Botschaften kamen vom politischen Arbeitskreis. Ganz klar – der Wahlkampf naht. Jens Spahn (CDU) verwies stolz auf die schwarz-gelbe Pauschale: „Wir setzen beim Nacht- und Notdienst mit 120 Millionen Euro für die flächendeckende Versorgung einen Schwerpunkt“. Dem pflichtete Karl Lauterbach (SPD) bei, auch er hält Strukturkomponenten für sinnvoll. Seine Forderung geht noch weiter: „Beratungsleistungen müssen beim Honorar eine größere Rolle spielen.“ Wechsel an der Spitze Neben pharmazeutischen und ökonomischen Themen prägte eine Personalie den DAT: Heinz-Günter Wolf steht als ABDA-Chef nicht mehr zur Verfügung. Für die nächste Amtszeit wird Vize Friedemann Schmidt antreten, seine Wahl am 6. Dezember gilt als wahrscheinlich. Bereits die öffentliche Kandidatur ist ein Novum und soll, so Schmidt, „Teil der neuen Form von Kommunikation“ sein. Er spricht von einer „Entwicklung hin zu neuen Demokratieformen“. Allerdings könne man nicht „den zweiten Schritt vor den ersten gehen“. Auch wenn sich in München scheinbar wenig geändert hat, lässt sich der Ruf nach mehr Transparenz und stärkerer Einbindung der Basis nicht mehr überhören.