Viele Krankenkassen animieren mit Bonusangeboten zu gesundheitsbewusstem Verhalten. Manche Angebote wirken dabei so putzig wie Glanzbilder bei Kerzenlicht. Wozu sollen Ärzte desorientierten Patienten raten? Fünfzehn Punktesysteme im Überblick.
Für die Teilnahme an Vorsorgeuntersuchungen oder Sportkursen erhalten Versicherte von ihrer gesetzlichen Krankenkasse Geld oder Punkte, die sie sich bar auszahlen lassen können oder ab einem bestimmten Wert gegen Prämien eintauschen können. Sollen Ärzte ihren Patienten zum Bonusheft raten?
Vor zwei Jahren nahm die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen die Bonusprogramme der 30 größten gesetzlichen Krankenkassen unter die Lupe – und fand deutliche Unterschiede. Die Geldprämien, die ein Versicherter sich durch Vorsorgeuntersuchungen und regelmäßige Sportkurse „ersammeln“ konnte, reichten von 30 bis 300 Euro. Auch der Aufwand, den der Versicherte für den Bonus betreiben musste, war sehr unterschiedlich: Um den Maximalbetrag zu erhalten, waren zwischen drei und zwanzig Bonus-Aktivitäten notwendig – einzelne Krankenkassen verlangten sogar mindestens 27 Maßnahmen. Daran hat sich auch zwei Jahre später kaum etwas geändert. Immer noch gibt es deutliche Unterschiede in der Gestaltung des Bonusprogramms, dem Aufwand und der Belohnung für die Versicherten. Einige Programme beinhalten eine Reihe von Pflichtkriterien, die für eine Bonuszahlung erfüllt werden müssen und weitere Optionen, mit denen der Bonus dann erhöht werden kann. Bei anderen Kassen ist die Hürde niedriger, sodass schon wenige Aktivitäten genügen, um einen Bonus zu erhalten. Wieder andere arbeiten mit Punktzahlen, die erreicht werden müssen, um Boni zu bekommen. Ein weiterer Punkt, in dem sich die Kassen voneinander unterscheiden, ist der Zeitraum, in dem Versicherte die Punkte ansammeln können. Bei den meisten Krankenkassen gilt das laufende Kalenderjahr auch als Bonusjahr. Es gibt aber auch Kassen, bei denen der Bonuszeitraum über mehrere Jahre ausgedehnt wird. Einheitlich dagegen sind die Kategorien, in denen Versicherte Bonuspunkte sammeln können. Kategorien der Bonuspunkte:
Die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen kritisierte vor zwei Jahren vor allem, dass viele Krankenkassen Einzelwerte im Normbereich belohnen würden. Ein unauffälliger Blutdruck oder ein normaler BMI würden häufig mit je zehn bis 25 Euro honoriert werden. Besonders hervorgestochen ist damals die DAK Gesundheit, die bei fünf normalen Werten und einer Fitness-Aktivität 210 Euro zahlte. „Doch wer aktiv nichts für seine Gesundheit tut, muss nicht mit einer attraktiven Prämie belohnt werden“, kritisierten die Verbraucherschützer damals. Die Kritik haben sich anscheinend einige Kassen zu Herzen genommen. Zum Beispiel erhalten Versicherte bei der DAK Gesundheit keine Boni für normale Werte, dafür gibt es für die Teilnahme an Ernährungsberatungs- oder Raucherentwöhnungskursen jeweils etwa zehn bis zwanzig Euro. Die Techniker belohnt die Teilnahme an Gesundheitskursen zur gesunden Ernährung oder Suchtmittelkonsum mit jeweils 400 Punkten (1.000 Punkte entsprechen 30 Euro). Auch bei der AOK, Viactiv, Knappschaft, Siemens-Betriebskrankenkasse oder der IKK classic gehen Mitglieder mit unauffälligen Werten leer aus. Anders sieht es bei der Barmer, der Betriebskrankenkasse Verkehrsbau Union oder der Kaufmännischen Krankenkasse aus. Letztere zahlt bei einer sportlichen Aktivität und zwei normalen Werten 30 Euro bzw. bezuschusst Gesundheitsleistungen mit 60 Euro.
Auch die Durchführung von Schutzimpfungen wird von den meisten Kassen mit Punkten oder Geld belohnt. Allerdings kann der Versicherte sich diese nur einmal im Jahr anrechnen lassen – und das häufig unabhängig davon, ob nach der Impfung ein vollständiger Schutz gewährleistet ist oder ob die verabreichte Impfung für die Personengruppe von der Ständigen Impfkommission (STIKO) empfohlen wird. Beispiele hierfür sind die Knappschaft oder die mhplus-Krankenkasse. Die Siemens-Betriebskrankenkasse oder die IKK classic setzen in ihrem Kriterienkatalog voraus, dass die Impfung von der STIKO empfohlen wurde. Einige Kassen wie z. B. der Betriebskrankenkasse Verkehrsbau Union oder die Audi Betriebskrankenkasse schreiben den Versicherten das Geld bzw. die Punkte nur gut, wenn ein nach STIKO empfohlener Impfschutz besteht – unabhängig davon, ob eine Impfung durchgeführt wurde. Wer sich impfen lässt, den belohnen die Kassen mit Geld bzw. Punkten. © NIAID, flickr
Für die Krankenkassen haben Bonusprogramme einige Vorteile. Mithilfe der Prämien wollen sie ihre Mitglieder zu einer gesünderen Lebensweise erziehen. Dies spart Kosten. Denn gesunde Versicherte bedeuten für die Krankenkassen geringere Ausgaben für Medikamente, Krankenhausaufenthalte oder Arztbesuche. Zum Anderen binden die Bonusprogramme die Mitglieder an die Kasse. Prämien gibt es nämlich häufig nur bei einer ungekündigten Mitgliedschaft.
Das hängt vom Bonusprogramm ab. Durch Bonusprogramme erhalten Krankenkassen-Mitglieder einen Anreiz, bestimmte Vorsorgeuntersuchungen wahrzunehmen. Krankheiten können dadurch verhindert oder wenigstens möglichst früh erkannt werden, sodass sie noch gut geheilt werden können. Bei einigen Krankenkassen genügen Vorsorgeuntersuchungen schon, um einen (zumindest kleinen) Bonus zu erhalten. Manchmal verlangen die Kassen noch einen vollständigen Impfschutz oder eine Schutzimpfung. Bei der Audi-Betriebskrankenkasse beispielsweise erhalten Mitglieder nur durch Vorsorgeuntersuchungen und einen vollständigen Impfstatus zwischen 45 bis 105 Euro zurück. Bei vollständigem Impfschutz und allen altersrelevanten Impfungen zahlt die Betriebskrankenkasse Verkehrsbau Union 70 Euro. Ähnlich viel erhalten Versicherte bei der Bahn-Betriebskrankenkasse. Für eine Schutzimpfung, die Zahnvorsorge sowie eine Früherkennungsuntersuchung gibt es 75 Euro. Deutlich weniger (etwa 30 Euro) bekommen die Versicherten bei der Knappschaft, der Kaufmännischen Krankenkasse (bei Wahl der Geldprämie), der DAK, der Barmer, der mhplus Krankenkasse, der Siemens-Betriebskrankenkasse sowie der AOK. Einen Bonus nur durch Vorsorgeuntersuchungen zu erhalten, ist bei der Techniker Krankenkasse und der IKK classic schwieriger. Versicherte ab 35, die an keinem Gesundheitskurs teilnehmen und sich nicht sportlich betätigen wollen, erhalten die Geldprämie nur, wenn sie die Vorsorgeuntersuchungen sinnvoll legen (abwechselnd Check-Up und Hautkrebsvorsorge). Bei der Techniker Krankenkasse ist zusätzlich eine Schutzimpfung notwendig. Auch der Bonus der Viactiv ist allein mit Vorsorgeuntersuchungen, d. h. ohne sportliche Betätigung, kaum zu erreichen. Es sei denn, man ist normalgewichtiger Nichtraucher mit vollständigem Impfschutz. Ebenfalls schwierig wird es bei der Handelskrankenkasse. Erschwerend für „die Motivation zu einem gesundheitsbewussten Leben“ kommt hinzu, dass sich einige Maßnahmen wie eine professionelle Zahnreinigung, die Mitgliedschaft in einem Sportverein oder das Fitnessstudios den Versicherten teilweise mehr kosten, als er durch die Geldprämie zurückbekommt. Aber auch die Teilnahme an Tabakentwöhnungs- oder Gesundheitskurse kosten Geld: Die Krankenkassen erstatten nämlich nur 80 Prozent der Kurskosten. Von so einem Bonusprogramm profitieren häufig nur die Versicherten, die z. B. auch ohne Prämienprogramm sportlich aktiv sind oder regelmäßig ihre Zähne beim Zahnarzt reinigen lassen. Versicherte erhalten bei den meisten Krankenkassen für folgende Maßnahmen Punkte:
AOK: Zwischen 100 und 400 Punkte gibt es neben den üblichen Bonuskriterien auch auf die Teilnahme an einem strukturierten Behandlungsprogramm (DMP), einem Fahrsicherheitstraining (Alter zwischen 15 und 20 Jahren), einem Erste-Hilfe-Kurs sowie auf die Teilnahme an verschiedenen Online-Programmen. Ab 800 Punkten können sich die Versicherten Sachleistungen aussuchen. Geldprämien gibt es ab 1.900 Punkten (entspricht 40 Euro). Die Scheckhefte müssen nach einem Jahr (spätestens am 31. 01.) bei der Krankenkasse sein, die Punkte werden auf einem Punktekonto gutgeschrieben und verfallen nach drei Jahren. Audi Betriebskrankenkasse belohnt jede Bonus-Aktivität mit jeweils 15 Euro. Für eine Auszahlung benötigt der Versicherte mindestens zwei solcher Aktivitäten, maximal acht können in einem Jahr gesammelt werden (maximale Geldprämie von 120 Euro). Die Bahn-Betriebskrankenkasse zahlt eine Basisprämie von 50 Euro, wenn der Versicherte zwei Aktivitäten nachweisen kann. Jede weitere Aktivität bringt weitere 25 Euro. Maximal können die Mitglieder 125 Euro (entspricht neun Aktivitäten) pro Kalenderjahr sammeln. Barmer: Neben den üblichen Bonuskriterien können Versicherte auch beim Blutspenden, Entspannungs- oder Ernährungskursen Punkte sammeln. Belohnt werden die einzelnen Maßnahmen einmal im Jahr mit 100 bis 200 Punkten. Prämien gibt es ab 500 Punkten. Zur Verfügung stehen Sachleistungen wie Kinderhelme, Fieberthermometer (sehr viele für bereits 500 Punkte) sowie Geldprämien (500 Punkte entsprechen 30 Euro) oder ein Zuschuss zu einer persönlichen Gesundheitsleistung (500 Punkte entsprechen 50 Euro). Die Besonderheit: Die Punkte sind maximal drei Jahre gültig. Betriebskrankenkasse Verkehrsbau Union: Mitglieder erhalten 70 Euro Bonus im Jahr, wenn der Impfschutz vollständig ist und die altersrelevanten Untersuchungen (Kinder-/Jugend-Untersuchung, Check-Up, Krebsfrüherkennung, Zahnvorsorge) durchgeführt wurden. 30 Euro zusätzlich gibt es, wenn der Versicherte eine sportmedizinische Untersuchung oder eine Zusatzversicherung abgeschlossen hat. Weitere 30 Euro zahlt die Kasse, wenn das Mitglied in den letzten zwölf Monaten mindestens drei weitere Bonuskriterien wie normaler BMI, Nicht-Raucher oder die Teilnahme an einem Gesundheitskurs vorweisen kann. DAK Gesundheit: Versicherte erhalten unter anderem für die Teilnahme an Kursen zum Stressmanagement sowie zur Sturzprävention, für Ernährungsberatungskurse sowie Wassergymnastik oder Jogging zwischen fünf und zwanzig Punkte. Jeder gesammelte Punkt ist einen Euro Wert, den die Versicherten sich im Folgejahr auszahlen lassen können. Alternativ kann der Bonus auch als Zuschuss zu selbstfinanzierten Gesundheitsleistungen verwendet werden. Dann wird jeder Punkt mit 1,20 Euro vergütet. Bei der mhplus Krankenkasse erhalten Mitglieder bereits für zwei Aktivitäten eine Belohnung. Die Kasse berücksichtigt pro Jahr maximal zehn Bonusmaßnahmen, für die die Versicherten jeweils 10 Euro oder 100 Punkte erhalten. Diese können sie sich bar auszahlen lassen oder gegen Sachprämien eintauschen. Versicherte der Mobil Betriebskrankenkasse erhalten für die üblichen Bonus-Aktivitäten eine Geldprämie von maximal 90 Euro oder einen Zuschuss für Gesundheitsleistungen von maximal 250 Euro. Die Siemens-Betriebskrankenkasse zahlt für jede Bonus-Aktivität je zehn Euro. Erwachsene können sich so in einem Jahr maximal 100 Euro zurückholen. Neben den üblichen Maßnahmen erhalten Versicherte auch für Wanderungen, Mountainbike-Kurse und der Teilnahme an SBK-Gesundheitsaktionen im Unternehmen Geld. Anzumerken ist, dass der ganze Katalog nur zehn Maßnahmen umfasst, von der jede nur einmal jährlich, der Gesundheitscheck sogar nur alle zwei Jahre angerechnet werden können. Hinzu kommt, dass nicht jeder Versicherte jede Maßnahme durchführen kann. Für den Gesundheitscheck beispielsweise muss der Versicherte mindestens 35 Jahre alt sein und eine Schwangerenvorsorge ist für Männer bzw. nichtschwangere Frauen schwierig. Techniker Krankenkasse: Der Schwerpunkt des Bonusprogramms liegt im Bereich Sport und Fitness. Neben den üblichen Maßnahmen erhalten die Versicherten unter anderem für die Teilnahme an einer Rückbildungsgymnastik, einem Gesundheitskurs über Suchtmittelkonsum oder Stressbewältigung Punkte. Die einzelnen Maßnahmen im Bonusprogramm haben einen Wert von 200, 400 oder 500 Punkten. Um eine Prämie zu erhalten, müssen Versicherte innerhalb eines Zeitraums von zwölf Monaten eine Mindestpunktzahl von 1.000 Punkten erreichen. Dann können sie zwischen einer 30 Euro-Geldprämie oder einer 60 Euro-„Gesundheitsdividende“ wählen. Letzteres ist ein Zuschuss für Leistungen wie Akupunktur, Brillengläser oder Hebammen-Leistungen. Jede weitere 100 Punkte bringen 2,50 Euro mehr Bargeld oder 5 Euro mehr Zuschüsse ein. Viactiv: Versicherte, die innerhalb eines Jahres sieben von zehn möglichen Bonuspunkten sammeln, erhalten eine Geldprämie von 50 Euro. Wer neun von zehn Punkten erreicht, erhält 100 Euro. Bei beiden Varianten sind vier Aktivitäten verpflichtend (Check-Up, zwei Krebsfrüherkennungs-Untersuchungen, Zahnvorsorge), die restlichen können aus einem Maßnahmenkatalog ausgewählt werden. Ist der Versicherte noch zu jung für die verpflichtenden Untersuchungen, gelten diese als erfüllt. Zu den Wahlpunkten zählen normaler BMI, Nichtraucher, regelmäßiger Sport, Schutzimpfungen, Gesundheitskurse und eine professionelle Zahnreinigung.
Ein Vergleich zwischen einzelnen Bonusprogrammen ist jedoch schwierig. Manche Kassen zahlen schon, wenn nur zwei Maßnahmen im Bonusheft abgehakt sind, andere arbeiten mit Punkten. Prämien gibt es dann nur, wenn der Versicherte eine bestimmte Mindestpunktzahl erreicht hat. Bei Familien ist es noch komplizierter. Bei manchen Kassen kann die ganze Familie Bonuspunkte sammeln, andere bieten eigene Bonusmodelle für Kinder an, andere schließen mitversicherte Familienmitglieder komplett aus. Wer sich für eine Teilnahme an einem Bonusprogramm interessiert, sollte vorher genau die Teilnahmebedingungen prüfen und sich überlegen, ob sich die Mühe für ihn auszahlt.