Nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation WHO sterben Jahr für Jahr mindestens 700.000 Menschen weltweit an Malaria – vor allem Kinder in Afrika. Neue Impfstoffe und Arzneimittel sind in der Pipeline. Jetzt geht es Mücken ebenfalls an den Kragen.
Vorsicht – Fälschung: Zwar existieren mittlerweile etliche Strategien, um Malaria leitliniengerecht zu diagnostizieren und zu therapieren. Jenseits europäischer Grenzen beginnen die Probleme. Von 1.437 Arzneimitteln aus sieben Ländern Südostasiens waren 35 Prozent in chemischer Hinsicht mangelhaft. Bei 46 Prozent zeigte zumindest die Verpackung Auffälligkeiten, und 36 Prozent waren eindeutig gefälscht. Schlechte Qualität führt zwangsläufig zu Resistenzen und gefährdet Fortschritte der globalen Bekämpfung. Wie vor Jahrzehnten stehen Anopheles-Mücken erneut im Fokus. Modifizierte Mücken Doch statt tonnenweise DDT in der Landschaft zu verteilen, setzen Molekularbiologen der John Hopkins Bloomberg School of Public Health vielmehr auf die Kraft von Bakterien. Sie modifizierten Pantoea agglomerans aus dem Mitteldarm der Blutsauger. Durch gentechnische Tricks stellen diese Bakterien toxische Proteine her. Besonders Plasmodium falciparum sowie Plasmodium berghei, ein Parasit aus Ratten, ließen sich wirkungsvoll eliminieren, auf Mücken oder Menschen wirkte das neue Eiweiß jedoch nicht. Die Strategie ging auf – und 98 Prozent aller Blutsauger waren frei von Malariaerregern. Zum Vergleich: Momentan sind 84 Prozent mit Plasmodien verseucht. „In der Vergangenheit versuchten wir, Mücken genetisch so zu verändern, dass sie gegen Malaria resistent werden“, sagt Marcelo Jacobs-Lorena, Autor der Studie. „Bakterien lassen sich jedoch viel einfacher manipulieren.“ Um die Übertragung von Parasiten auf Menschen zu verhindern, werden noch einige Jahre Moskitonetze sowie Repellentien erforderlich sein. Weitaus schneller könnte eine neue Vakzine in Arztpraxen kommen. Impfstoff in Sicht Das menschliche Immunsystem reagiert auf Malaria-Erreger recht problematisch. Nach mehreren Infektionen ist der Körper in der Tat gegen neue Infektionen resistent. Die natürliche Immunität verschwindet allerdings, sollten Menschen den Plasmodien nicht mehr ausgesetzt sein – dementsprechend schwierig gestaltet sich die Suche nach geeigneten Antigenen. Momentan arbeiten Forschergruppen mit dem Impfstoff RTS,S – einem Spaltvakzin mit Oberflächenproteinen aus Plasmodium falciparum und Hepatitis B-Antigenen. Ende 2011 wurden vielversprechende Ergebnisse einer Phase III-Studie veröffentlicht. Daten aus sieben afrikanischen Ländern zeigen, dass Kinder nach der Impfung mit RTS,S ein um die Hälfte verringertes Risiko haben, an Malaria zu erkranken. Zusammen mit Adjuvantien betrug die Erfolgsquote 56 Prozent, wie amerikanische Kollegen jetzt im Rahmen einer randomisierten Doppelblindstudie nachgewiesen haben. Sollten Sicherheit und Wirksamkeit dafürsprechen, wird die Weltgesundheitsorganisation WHO eine Empfehlung für den Impfstoff aussprechen. Trotz dieser Euphorie sind die Erfolgsquoten nach wie vor nicht befriedigend. Andere Wissenschaftler setzen deshalb auf Adenoviren. Ihr Trick: Impfungen erfolgen nicht über die Gabe von Proteinen. Vielmehr werden virale, nichtpathogene Vektoren so verändert, dass sie entsprechende genetische Codes im Erbgut tragen. Nach der Infektion menschlicher Zellen entsteht das immunologisch relevante Protein quasi vor Ort. Achillesversen im Erbgut Auf der Suche nach weiteren Angriffspunkten dachten Wissenschaftler an protektive Effekte des Erbguts: Bereits seit langer Zeit ist bekannt, dass Menschen mit Sichelzellanämie nicht an Malaria erkranken. Und Träger der Blutgruppe null haben zumindest eine erhöhte Wahrscheinlichkeit, die Krankheit zu überleben. Molekularbiologen am Hamburger Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin machten sich jetzt auf die Suche nach weiteren Resistenzmechanismen. Im Zuge einer genomweiten Assoziationsstudie verglichen sie das Erbgut von 828 gesunden und 1.325 an Malaria erkrankten Kindern aus Ghana. Die Ergebnisse wurden an einer weiteren Kohorte mit 1.320 Erkrankten und 2.222 Kontrollen evaluiert. In der Tat stieß man auf Einzelnukleotid-Polymorphismen (single nucleotide polymorphisms, SNPs), die vor Malariainfektionen schützen. Besonders auffällig war eine Variation im ATP2B4-Gen, das für ATP-abhängige Kalziumpumpen in roten Blutkörperchen codiert. Jetzt vermuten die Autoren, erythrozytäre Stadien des Malaria-Parasiten könnten durch veränderte Kalzium-Konzentrationen zu Grunde gehen. Eine andere genetische Besonderheit betraf MARVELD3. Dieses so genannte Tight-Junction-Protein wird in Endothelzellen exprimiert und sorgt für eine Abdichtung der Gefäßwände. MARVELD3 könnten eine Rolle bei der mikrovaskulären Schädigung durch infizierte Erythrozyten spielen. Bleibt zu klären, inwieweit sich Kalziumkanäle und Tight-Junction-Proteine als Zielstrukturen für die Arzneimitteltherapie eignen. Kleines Molekül – große Wirkung Deutlich weiter sind Versuche, Glucose-6-phosphat-Dehydrogenase (G6PD) als therapeutisches Target einzusetzen. Dieses Enzym bewahrt Plasmodium falciparum vor oxidativem Stress, kommt aber auch im menschlichen Körper vor. Forscher entwickelten einen Hemmstoff, um nur die parasitäre G6PD zu hemmen, ohne in körpereigene Stoffwechselpfade einzugreifen. Zumindest in vitro inhibiert das Molekül ML276 Plasmodien äußerst wirksam, weitere Tests folgen. Neu auf dem Markt Artemisinin schädigt Plasmodien ebenfalls über oxidative Mechanismen, in Gegenwart von Eisenionen entstehen als wirksame Spezies freie Radiakale. Das Pharmakon wird aus Blättern und Blüten des Einjährigen Beifußes (Artemisia annua) extrahiert. Allerdings enthalten Pflanzen nur recht geringe Anteile der begehrten Substanz, nämlich zwischen 0,1 und 0,4 Prozent bezogen auf die Trockensubstanz. Da eine Totalsynthese aufgrund der komplexen Molekülstruktur recht aufwändig wäre, ließen sich Chemiker etwas einfallen. Daniel Kopetzki und Peter Seeberger nahmen Artemisininsäure, ein Inhaltsstoff, der in höherer Konzentration vorkommt, als Basis. Über wenige Syntheseschritte, bei denen unter anderem besonders aktiver Singulettsauerstoff zum Einsatz kam, gelangten sie zu dem begehrten Molekül. „Die Kosten für das Heilmittel könnte dieser neue, einfache Zugang senken“, hoffen Kopetzki und Seeberger. Mittlerweile wurde das europaweit erste Präparat zugelassen: Eurartesim® enthält Dihydroartemisinin und Piperaquinphosphat. Dihydroartemisinin, ein Metabolit des Artemisinins, ist vergleichsweise rasch verfügbar, während Piperaquin länger wirkt. Die Kombination wird von WHO-Experten als First-Line-Therapeutikum bei Malaria mit unkompliziertem Verlauf empfohlen. In zwei randomisierten, offenen klinischen Studien zeigte sich ein gutes Profil. Jetzt gehen erste Lieferungen direkt nach Kambodscha, um das Anti-Malaria-Programm der dortigen Regierung voranzubringen, betroffenen Gebieten Afrikas folgen. Allerdings berichten Ärzte bereits heute von ersten Resistenzen gegen Artemisinin. Eine Welt ohne Malaria Mit zahlreichen Ansätzen ist die WHO ihrem hehren Ziel, ab 2015 solle niemand mehr an Malaria sterben, zumindest ein Stück näher gekommen. Der Knackpunkt: Nur unter stabilen politischen Verhältnissen und mit funktionierenden Infrastrukturen erreichen Innovationen auch die Menschen vor Ort. Dazu gehört ebenfalls, Medikamente zu einem fairen Preis zu verkaufen beziehungsweise in den betroffenen Gebieten zu produzieren.