Myome sind gutartige Tumore der Gebärmutter. Sie können Blutungsstörungen verursachen, zu Sterilität und Fehlgeburten führen und treten bei Frauen im gebärfähigen Alter häufig auf. Nun soll ein neues Medikament die Behandlungsmöglichkeiten verbessern.
Zwischen 20 und 40 Prozent der Frauen zwischen 25 und 50 Jahren haben Myome. Das sind in Deutschland etwa zwei bis vier Millionen Frauen. Jede zehnte dieser Frauen leidet unter Beschwerden, welche durch Myome in der Gebärmutter verursacht werden können. Um die gutartigen Tumore loszuwerden, hilft bisher in der Regel nur eine Operation. Nun könnte der für die Myombehandlung im Februar 2012 zugelassene Wirkstoff Ulipristalacetat diese Situation verändern. In zwei Studien wurde nachgewiesen, dass Myome während einer 13-wöchigen Einnahme des Medikaments um 40-50% schrumpfen, starke Blutungen nachlassen oder innerhalb weniger Tage komplett aufhören und dass die Myome nach Beendigung des 3-monatigen Einnahmezeitraumes für mindestens sechs Monate nicht wieder wachsen. Zugelassen ist Ulipristalacetat für Frauen mit symptomatischen Myomen, die für eine anschließende Operation vorgesehen sind. Das Wirkprinzip Myomzellen tragen auf ihrer Oberfläche Rezeptoren für Östrogen und Progesteron. Wird der Progesteronrezeptor von einem Progesteronmolekül oder einem Gestagen besetzt, so bedeutet das für das Myom einen Wachstumsimpuls. Auf der Myomoberfläche finden sich mehr Rezeptoren als im übrigen Gewebe, was zu einem starken Signal speziell im Myom und zu einem großen Wachstumsreiz führt. Etwa 20 Prozent der Myome sind unempfindlich für die Wirkung von Progesteron, sondern proliferieren ausschließlich durch das Signal, das durch die Bindung von Östrogen an den Östrogenrezeptor vermittelt wird. Bei diesem Myomtyp kann Ulipristalacetat seine Wirkung nicht entfalten. Bei den progesteronsensitiven Myomen besetzt der Progesteronrezeptormodulator Ulipristalacetat die Rezeptoren auf der Zelloberfläche und verhindert damit, dass der Wachstumsimpuls an das Zellinnere weitergegeben wird. In der Folge teilt sich die Zelle nicht mehr, sie scheint sogar in den kontrollierten Zelltod, die Apoptose, geführt zu werden. Was Ulipristalacetat auf zellulärer Ebene genau bewirkt, ist noch nicht bekannt. Das möchte Dr. Ingo von Leffern, Chefarzt für Gynäkologie und Geburtshilfe am Albertinen Krankenhaus in Hamburg und Leiter des interdisziplinären Myomzentrums Hamburg zusammen mit Wissenschaftlern der Universität Bremen in einem Forschungsprojekt untersuchen. Vorerst geht es aber darum, Ulipristalacetat, das ursprünglich als „Pille danach“ zugelassen war, gezielt bei den Patientinnen einzusetzen. „Wenn sich das bewahrheitet, was in den beiden Zulassungsstudien gezeigt wurde, dann könnte das Medikament eine neue Ära einleiten. Es scheint ein sehr potentes Mittel zu sein, um Myome zu schrumpfen, vielleicht sogar dauerhaft zu schrumpfen oder zumindest über einen relativ langen Zeitraum klein zu halten“, sagt Dr. von Leffern. Typische Anwendungsbeispiele Doch für wen ist Ulipristalacetat nun geeignet? Dr. von Leffern nennt einige typische Indikationen. Das Medikament eignet sich für Frauen mit intracavitären, in die Gebärmutter ragenden Myomen, welche über vier Zentimeter groß sind. Diese Myome können nicht mit einer hysteroskopischen Operation entfernt werden, es sind mehrere Eingriffe nötig. Ebenfalls sinnvoll ist das Präparat für Frauen, die aufgrund der starken Regel- oder Dauerblutungen nicht ohne Gabe einer Blutkonserve operiert werden könnten. Myome, die so groß sind, dass sie nicht mehr minimalinvasiv operiert werden können, aber zugleich noch so klein, dass eine Schrumpfung um 40 bis 50% zu einer akzeptablen Größe für eine Operation führt, können ebenfalls gut mit Ulipristalacetat vorbehandelt werden. Die Myomgröße hat auf die Operation einen entscheidenden Einfluss. Zum einen sind Operationen kleinerer Myome deutlich risikoärmer, zum anderen hängt von der Größe des Myoms auch die Größe des Wundbettes in der Gebärmutter ab. Und das möchte man möglichst klein halten, weil es bei einer Schwangerschaft eine Schwachstelle sein kann, an der die Gebärmutter reißen könnte – mit dramatischen Folgen für das Baby und häufig auch die Mutter. Prof. Dr. Thomas Römer, Chefarzt der Abteilung für Gynäkologie und Geburtshilfe am Evangelischen Krankenhaus Köln-Weyertal, sieht – ebenso wie Dr. von Leffern – noch eine weitere Anwendungsmöglichkeit, die im Moment jedoch noch nicht durch die Zulassung gedeckt ist: „Eine 50-jährige Patientin mit einem großen Myom und starken Blutungen möchte sich vor der Menopause, die vermutlich bald eintritt, nicht mehr die Gebärmutter entfernen lassen. Diese Patientin könnte mit wenigen Zyklen Ulipristalacetat bis in die Menopause begleitet werden. Dann sind Myome wegen der veränderten hormonellen Situation sowieso kein Thema mehr“. Weitere Studien werden folgen Dr. von Leffern ist sich sicher, dass die Herstellerfirma eine Erweiterung der Indikationen anstrebt und es demnächst Folgestudien geben wird. „Man wird vermutlich untersuchen, ob Ulipristalacetat risikoarm auch länger als drei Monate eingenommen werden kann, wie lange es wirklich dauert bis die Myome wieder wachsen und ob der Wirkstoff auch für andere Erkrankungen wie die Endometriose sinnvoll sein könnte“, erklärt er. Man wird auch testen, ob eine zyklische Einnahme – also ein Wechsel von Einnahme und Pause – sinnvoll ist und ob eine Operation dadurch möglicherweise komplett vermieden werden kann. „Manche Kliniken, die viele Gebärmutterentfernungen machen, bekommen vielleicht Sorgenfalten, wenn sie an Ulipristalacetat denken, aber für die Frauen wäre es natürlich ein Erfolg“, gibt Dr. von Leffern zu bedenken. Einfach eine weitere Therapiemöglichkeit Im Vergleich zu den GnRH (Gonadotropin Releasing Hormone)-Analoga, der anderen Möglichkeit zur medikamentösen Behandlung von Uterusmyomen, hat Ulipristalacetat weniger und weniger schwerwiegende Nebenwirkungen. Doch derzeit ist auch noch eine gewisse Skepsis angebracht. Bisher gibt es nur zwei Studien zu Ulipristalacetat und der Anwendung bei Myomen und diese beiden Studien sind auch noch vom gleichen Initiator. Ob sich die positiven Erwartungen auch bei einer größeren Anzahl an Patienten bestätigen werden, wird sich in den nächsten Jahren und mit Hilfe weiterer Studienergebnisse zeigen. Schon heute gibt es verschiedene Methoden zur Behandlung von Myomen, ohne dass die Gebärmutter entfernt werden muss, z.B. die hysteroskopische Myomabtragung, die Myomembolisation, fokussierter Ultraschall und GnRH-Analoga. Ulipristalacetat ist einfach eine weitere davon. „Es handelt sich um einen neuartigen Therapieansatz, der viele klinische Vorteile zu haben scheint. Dennoch müssen wir Ärzte das Medikament differenziert und bei den richtigen Patientinnen einsetzen, denn man kann Innovationen durch unkontrollierte Anwendung auch kaputt machen“, gibt Prof. Dr. Römer abschließend zu bedenken.