In Kürze ist es wieder soweit. Zum Herbstturnus starten wieder tausende Medizinstudenten ins PJ. Bevor es los geht, stellen sich für jeden PJ'ler einige wichtige Fragen, vor allem rechtlicher Natur. DocCheck gibt Euch die Antworten.
Obwohl es eigentlich nur elf Monate sind, wird das letzte Jahr im Medizinstudium als „Praktisches Jahr“ bezeichnet. Die Studierenden rotieren über die Stationen, werden ausgebildet und dabei stark in die Abläufe und Tätigkeiten des Stationsalltags eingebunden. Regelhaft werden von den Stationsärzten delegierte Aufgaben wie Blutentnahmen oder Aufnahmeuntersuchungen ausgeführt. Traditionell gilt dabei der Grundsatz, dass die Studenten bestimmte Aufgaben erledigen und im Gegenzug Dinge gezeigt oder beigebracht bekommen. Das Ausmaß der Integration in die Stationsarbeit und der Grad der Intensität der Aufgaben variiert dabei unter Umständen.
Fehler in der Medizin sind keine Seltenheit
Immer wieder kommt es dabei zu brenzligen Situationen. Wo Menschen arbeiten, passieren unvorhersehbare Ereignisse und wenn selbst erfahrenen Fachärzten Fehler unterlaufen, sind kleine und große Missgeschicke durch unerfahrene Jungärzte und Studenten vorprogrammiert. Egal, ob diese Ereignisse durch falsche Anleitung, Missverständnisse oder schlichtweg zufällig geschehen, haben sie in der Krankenversorgung nicht selten weitreichende Konsequenzen.
Gute Zahlen aus Deutschland fehlen, aber Daten aus England zeigen, dass bei knapp 9% der Krankenhauspatienten unerwünschte Ereignisse auftreten, von denen 31% vermeidbar gewesen wären. Um systemisch aus Fehlern lernen zu können, gehen viele Krankenhäuser mittlerweile dazu über, sogenannte Critical Incident Reporting Systems (CIRS) einzuführen. Dennoch bleibt die Fehlerkultur in Krankenhäusern ein sensibles Thema und es stellt sich die Frage, welche Rolle hierbei eigentlich die Studierenden einnehmen.
Tragische Ereignisse auch durch Studentenhand
Anfang des Jahres ging ein tragischer Fall durch die Presse, bei dem ein Kind in einer Kinderklinik verstarb, weil ein Student ein, eigentlich oral zu applizierendes Antibiotikum, intravenös verabreicht hatte. Was zunächst grotesk klingt, erscheint bei genauerer Betrachtung nicht mehr so verwunderlich. PJ-Studierende berichten immer wieder von Situationen, in denen sie Tätigkeiten ausführten, denen sie sich nicht gewachsen fühlten oder bei denen sie sich nicht vollkommen im Klaren waren, was sie eigentlich taten. Eine Vielzahl von Szenarien ist denkbar: Ein Patient reagiert allergisch auf die angehängte Infusion oder ein falsches, nicht selbst aufgezogenes, Medikament wird intravenös appliziert. Oft passiert schneller etwas, als man sich dies vorstellen kann.
Viele sind sich der Problematik nicht bewusst
Das Gefährliche an der Problematik ist allerdings, dass sich viele der Studenten der Situation überhaupt nicht bewusst sind. Die Frage „Durfte ich das als Student überhaupt machen?“ wird sich oft erst gestellt, wenn es schon zu spät ist. Denn den Ärzten, die die Studenten betreuen, ist die rechtliche Situation zum Teil ebenfalls nicht geläufig. Und das, obwohl diese eigentlich relativ unmissverständlich geregelt ist.
Klare Regelung durch die Bundesärztekammer
Bundesärztekammer und die Kassenärztliche Bundesvereinigung verfassten 2008 eine Stellungnahme zu den sogenannten „Möglichkeiten und Grenzen der Delegation ärztlicher Leistungen“. Diese richtet sich nicht explizit an Studierende, sondern generell an nicht ärztliches Personal. Dort heißt es zunächst, dass Ärzte Leistungen, die nicht höchstpersönlich erbracht werden müssen, grundsätzlich an nichtärztliche Mitarbeiter delegieren dürfen. Weiter heißt es:
Damit handelt es sich bei der Ausführung konkret nach den Vorgaben des Arztes erbrachter Leistungen durch den Studierenden, per Definition, um Leistungen des delegierenden Arztes, für die er haftet und die er auch im Einzelfall überwachen muss. Der delegierende Arzt kann demnach bei einer fahrlässigen Körperverletzung oder fahrlässigen Tötung nach §229 bzw. §222 des Strafgesetzbuchs, StGB belangt werden, soweit ihm die Verletzung seiner Pflichten nachgewiesen werden kann. Dies schließt allerdings nicht – und jetzt wird es interessant - eine gegebenenfalls entstehende Schadensersatzpflicht des ausführenden Studierenden nach §823 des BGB aus. Wer glaubt, nur der zuständige Arzt würde für die an den Studierenden delegierte Tätigkeit haften, wähnt sich demnach in falscher Sicherheit.
Eine Aufklärung wäre wünschenswert
Eine Auseinandersetzung mit den Möglichkeiten und Grenzen der Tätigkeit als Student in der Klinik ist also in jedem Fall anzuraten und sollte eigentlich Pflicht vor dem Antritt zu jeglichen praktischen Tätigkeiten sein. Die Bundesärztekammer und die Kassenärztlichen Vereinigungen unterscheiden dabei ganz konkret und unmissverständlich zwischen delegierbaren und nicht delegierbaren Aufgaben.
Delegierbare Aufgaben sind laut Bundesärztekammer und dem BDC u.a.:
Nicht delegierbar sind laut Ärztekammer und BDC u.a.:
Handlungen liegen immer auch in persönlicher Verantwortung
Medizinstudenten kommen im Rahmen von Pflegepraktikum, Famulatur und Praktischem Jahr mit Patienten in Kontakt und führen delegierbare ärztliche Leistungen durch. Überforderung, menschliches Versagen, aber auch falsche Weisungen sind dabei Risikofaktoren, durch die eine Gefährdung von Leben und Gesundheit der Patienten niemals auszuschließen ist.
Vor Beginn einer praktischen Tätigkeit im medizinischen Umfeld macht es daher Sinn, über ggf. eintretende strafrechtliche, zivilrechtliche und haftungsbezogene Konsequenzen seines Handelns aufgeklärt zu sein. Die Studierenden sollten angehalten sein, sich entsprechend zu informieren und nur Leistungen zu erbringen, die rechtlich haltbar und medizinisch indiziert sind. Gleichzeitig müssten sich alle betreuenden Ärzte ihrer Verantwortung bewusst sein und die von ihnen delegierten ärztlichen Leistungen überwachen. Vor allem aber sollte sich jeder Studierende darüber im Klaren sein, dass nicht nur der betreuende Arzt sondern jeder persönlich für seine Handlungen – egal ob delegiert oder nicht delegiert - verantwortlich gemacht werden kann.
Teilt uns Eure Erfahrungen mit: Habt Ihr Euch schon einmal mit den rechtlichen Gegebenheiten im PJ befasst? Fühlt Ihr Euch in Rechtsfragen ausreichend informiert? Diskutiert in den Kommentaren!