Patienten mit Autoimmunerkrankungen neigen oft auch zu Atherosklerose. Wissenschaftler konnten nun erstmals einen ursächlichen Mechanismus für den Zusammenhang zwischen beiden Erkrankungen aufdecken.
Eine Plaque in einem Blutgefäß kann das Leben mitunter sehr schnell und nachhaltig verändern. Bis er allerdings diesen potentiell gefährlichen Zustand erreicht, vergehen meist mehrere symptomlose Jahrzehnte. Wissenschaftler der Ludwig-Maximilians-Universität München und des Würzburger Rudolf-Virchow-Zentrums haben nun eine interessante Entdeckung gemacht, die im Journal Circulation veröffentlicht wurde. Sie beschäftigen sich mit den frühen inflammatorischen Prozessen in der Gefäßwand, noch bevor sichtbare Veränderungen an den Gefäßen auftreten. Die Forscher identifizierten einen Mechanismus, der erklären könnte, warum bei Patienten mit Autoimmunerkrankungen häufiger Atherosklerose auftritt. Das Bindeglied sind spezielle Zellen des Immunsystems, die plasmazytoiden dendritischen Zellen. Sie werden sowohl bei Autoimmunerkrankungen als auch bei Atherosklerose aktiviert und schütten daraufhin Interferone aus, immunstimulierende Botenmoleküle, die auch die Atherosklerose vorantreiben.
Atherosklerose gehört in der westlichen Welt zu den häufigsten Todesursachen. Durch chronische Entzündungen bilden sich in den Blutgefäßen Ablagerungen – atherosklerotische Plaques – die unter anderem Herzinfarkte und Schlaganfälle auslösen können. Bei der Entstehung der atherosklerotischen Plaques spielen so genannte dendritische Zellen eine entscheidende Rolle. Unter anderem gehören zu diesen Immunzellen die plasmazytoiden dendritischen Zellen (pDC), deren Bedeutung für die Atherosklerose bisher aber kaum untersucht war.
Im Mausmodell zeigt sich das Problem
Im gesunden Menschen werden pDCs durch Viren oder Bakterien aktiviert, was die starke Ausschüttung von Interferon a zur Folge hat. Das wiederum führt zu einer inflammatorischen Reaktion, welche andere Zellen des Immunsystems anlockt und die Reaktionskaskade zur Abwehr der Erreger in Gang setzt. Allerdings werden pDCs auch bei Autoimmunerkrankungen wie Psoriasis oder systemischem Lupus erythematodes (SLE) aktiviert. Das erfolgt unter anderem durch die fehlerhafte Reaktion der Zellen auf körpereigene Proteine.
Die Wissenschaftler wollten wissen, was genau die Aktivierung der plasmazytoiden dendritischen Zellen bewirkt und warum sie in atherosklerotischen Plaques gefunden werden, ohne dass eine Infektion mit pathogenen Erregern vorliegt. Dazu untersuchten sie ein Mausmodell mit Störungen im Lipidstoffwechsel, in dem das Apolipoprotein E-Gen ausgeschaltet wurde (Apoe-/- Mäuse). Werden diese Mäuse mit einer fetthaltigen Diät gefüttert, erhöht sich die Cholesterolkonzentration im Blut und Initialläsionen in den Blutgefäßen etablieren sich innerhalb kurzer Zeit. Diese Vorgänge konnten verlangsamt werden, wenn die pDCs durch spezifische Antikörper ausgeschaltet wurden. Umgekehrt konnte der Phänotyp verstärkt werden, wenn die Zellen durch bestimmte Komplexe stimuliert wurden. Der Aufbau der Komplexe war dabei von besonderem Interesse.
Freie DNA wird zum Problem
An Orten, an denen starke inflammatorische Vorgänge ablaufen, kommt es generell vermehrt zur Freisetzung von Enzymen, proinflammatorischen Mediatoren, welche das Geschehen am Laufen halten und zu einer vermehrten Apoptose entzündlicher Zellen. Werden diese Ansammlungen von Zellschrott nicht schnell genug entfernt, so kann körpereigene DNA frei vorliegen. Zwar sollte sie sofort abgebaut werden, doch manchmal geschieht das nicht, weil beispielsweise zu wenige Enzyme dafür vorhanden sind. Aufgrund der starken negativen Ladung der DNA bilden sich Strukturen mit anderen Proteinen und Molekülen wie Antikörpern. Dadurch kann der Komplex, der ausschließlich aus körpereigenen Strukturen besteht, immunaktiv werden. Und an dieser Stelle kommen die pDCs ins Spiel: Sie werden durch die gebildeten Komplexe stimuliert und setzen Interferon a frei, was die Entzündungsreaktion anfeuert. Auf diese Weise entsteht die Reaktion des Immunsystems gegen körpereigenes Gewebe, wie es beispielsweise bei Psoriasis der Fall ist. Dieser Mechanimus treibt aber auch die Atherosklerose voran.
Immunologische Mülltrennung schützt vor Autoimmunerkrankungen
Dr. Yvonne Döring vom Institut für Prophylaxe und Epidermiologie der Kreislaufkrankheiten der Ludwig-Maximilians-Universität München und Prof. Dr. Alma Zernecke vom Rudolf-Virchow-Zentrum der Universität Würzburg erklären: „Generell handelt es sich bei unseren Ergebnissen um Grundlagenforschung. Wir verstehen nun, wie die Atherogenese im Anfangsstadium abläuft. Bis zu einem konkreten therapeutischen Ansatz ist es aber noch ein weiter Weg.“ Interessant sind die Ergebnisse dennoch, werfen sie doch ein neues Licht auf einen Vorgang, der wohl in jedem Menschen in gewissem Maße stattfindet. Eine andere Studie konnte kürzlich zeigen, dass die im Rahmen von Entzündungsprozessen entstehenden abgestorbenen eigenen Zellen und Krankheitserreger getrennt entsorgt werden müssen, um die Entstehung von Autoimmunerkrankungen zu verhindern.
Wie das funktioniert war bislang unklar. Dr. Stefan Uderhardt und Dr. Gerhard Krönke an der Medizinischen Klinik 3 – Rheumatologie und Immunologie des Uni-Klinikums Erlangen konnten nun erstmals zeigen, dass tote körpereigene Zellen durch eine spezialisierte Untergruppe von Fresszellen entsorgt werden. Diese Gewebsmakrophagen besitzen die Fähigkeit zur spezifischen Entsorgung von toten Zellen und verhindern somit einen Zugriff von anderen Teilen des Immunsystems auf deren Überbleibsel. Bakterien und andere Krankheitserreger werden jedoch gleichzeitig durch entzündliche Zellen des Immunsystems (Monozyten) erkannt und aufgenommen, ein Prozess der eine spezifische Immunreaktion zur Folge hat. Den zu Grunde liegenden Mechanismus entschlüsselten die Wissenschaftler ebenfalls: Die 12/15-Lipoxygenase in Gewebsmakrophagen ist für die „Mülltrennung“ verantwortlich. Das System trägt damit wesentlich dazu bei, dass die immunologische Toleranz aufrechterhalten wird. Muss das Enzym über einen Zeitraum von Jahrzehnten jedoch übermäßig viel Arbeit verrichten, ist also die Lipidoxidation dauerhaft hoch, so begünstigt das wiederum die Entstehung von Atherosklerose.
Frau Dr. Döring fügt noch hinzu: „Die plasmazytoiden dendritischen Zellen zu depletieren ist kein sinnvoller Weg für eine Therapie, denn die Zellen werden bei der Abwehr von Infekten dringend gebraucht. Eher vorstellbar ist die strukturelle Modifikation von DNA. Dadurch könnte die Wahrscheinlichkeit verringert werden, dass immunaktive Komplexe mit DNA entstehen und pDCs stimuliert werden.“ Im Rahmen der Behandlung des systemischen Lupus erythematodes gibt es bereits entsprechende Ansätze.