Ein Forscherteam hat einen Proteinmarker im Blut entdeckt, der bereits Lungenschädigungen bei beginnender Chronisch-obstruktiver Lungenerkrankung nachweisen kann, bevor ein Lungenfunktionstest eine Abnahme des Lungenvolumens anzeigt.
Bisher war die Früherkennung von COPD und den damit verbundenen Lungenschädigungen wie Airtrapping oder Lungenemphysemen nicht möglich. Ankersmit und seinem Team gelang es nun nachzuweisen, dass sich das Heat Shock Protein (HSP) 27 als Marker im Blut für bereits vorliegende Lungenschädigungen eignet – auch bei Menschen, die sich gesund fühlen und deren Lungenfunktionstest (Spirometrie) keinen Grund zur Beunruhigung darstellen. Die Hauptfunktion von HSP27 ist Thermotoleranz in vivo, Zellschutz und die Unterstützung von Zellen beim Überleben unter Stressbedingungen. Bei 57 Prozent der „Gesunden“ Lungenschäden nachgewiesen Dabei wurden 94 augenscheinlich gesunde Raucher und Raucherinnen zwischen 19 und 63 mit einem Durchschnittsalter von 43 Jahren in einer von den Universitätskliniken für Chirurgie, Radiologie und Pulmologie der MedUni Wien durchgeführten Studie untersucht, die kürzlich in „Respiration“, einem internationalem Fachmagazin für Thorax-Medizin, veröffentlicht wurde. Im Rahmen dieser Studie unterzogen sich die Probanden freiwillig einer High Resolution Computer Tomographie. Das erstaunliche Ergebnis: Bei 57,45 Prozent der Untersuchten konnte Airtrapping bzw. Airtrapping UND Emphyseme nachgewiesen werden, obwohl die untersuchten Werte beim gleichzeitig durchgeführten Lungenfunktionstest im Normbereich lagen. Der aussagekräftigste Messwert der Spirometrie ist der FEV1 – das forcierte exspiratorische Volumen. Darunter versteht man die maximal Menge an Luft, die in der ersten Sekunde nach dem Einatmen ausgearbeitet werden kann. FEV1 wird in Prozent vom altesabhängigen Sollwert angegeben und ist maßgeblich für die Erhebung des individuellen Stadiums der COPD-Erkrankung. Außerdem korrelierte der HSP27-Wert, der mit dem ELISA (Enzyme-Linked Immunosorbent Assay)-Set der Firma R&D-Systems bestimmt wurde, signifikant mit den vom Radiologen in der Computer-Tomographie festgestellten Lungenpathologien. „Ist der HSP27-Marker erhöht und liegt Risikoverhalten vor, beispielsweise Rauchen, lässt dies auf Lungenschädigungen bis hin zu einer beginnenden Chronisch-obstruktiven Lungenerkrankung schließen“, berichtet Ankersmit. Normalerweiser werde COPD erst dann diagnostiziert, wenn die Patienten mit einer Umstellung ihrer Lebensweise, wie etwa ihres Rauchverhaltens, nur noch begrenzt in den Krankheitsverlauf eingreifen können. Neben den Rauchern gibt es laut Ankersmit auch berufsspezifische Risikogruppen wie etwa Schweißer oder Hochofenarbeiter und andere, die in ihrer Berufsausübung Rauch und chemische Dämpfe einatmen. Ankersmits erhofft sich, dass der HSP27-Wert in naher Zukunft in der Gesundenuntersuchung beim praktischen Arzt oder Pulmologen als Screening-Marker für Lungenkrankheiten zur Anwendung kommt. HSP27 als Serum-Marker für Lungenkrebs In einer weitereren rezenten Studie, die in „Clinica Chimica Acta“ veröffentlicht wurde, zeigte das Forscherteam, dass Patienten mit Lungenkarzinom im Frühstadium (Patienten, die noch kurativ operiert werden können, n=37) und Patienten mit bereits metastastasiertem Lungenkarzinom (Patienten, die nur noch mit Chemotherapie behandelt werden können) signifikant erhöhte Werte des Serumproteins HSP27 aufwiesen im Vergleich zu „gesunden“ Rauchern und Nichtrauchern. Erstaunlicherweise konnte zudem mittels dieser Serumanalyse ein signifikatner Unterschied zwischen Lungenkrebs im Früh- und im fortgeschrittenen Stadium festgestellt werden. In der statistischen Auswertung konnten Ankersmit und Kollegen in einer ROC-Kurve eine Sensivität und Spezifizität von 0,870 nachweisen. „Dies ist ein ausgezeichneter Wert für einen prospektiven Biomarker“, betont Ankersmit. Dieser Biomarker kann insbesondere für die Risikogruppe der Raucher angewandt werden. Diese Untersuchungsergebnisse bestätigen die wissenschaftliche Ausgangshypothese der immunologischen Verwandschaft zwischen COPD und Lungenkrebs. Conclusio der beiden Studien Ankersmit gelang es, mittels eines Labor-ELISAs (ausschließlich für wissenschaftliche Anwendungen zugelassener ELISA-Kit) der Firma R&D-Systems (Minneapolis MN, USA) nachzuweisen, dass erhöhtes Serum HSP27 eindeutig mit Lungenpathologie, COPD oder Lungenkarzinom korreliert. Epidemiologisch wird die COPD zu einer der Haupttodesursachen in der westlichen Welt avancieren. Millionen von Europäern sind von einem qualvollen Erstickungstod bedroht. Nur die frühe Diagnose und Modifikation des Risikoverhaltens kann diesen Erkrankungsprozess aufhalten. Die Früherkennung von rauchinduzierten Lungenschäden mithilfe von Serum HSP27 kann diese Mitmenschen auf die Entstehung der Erkrankung aufmerksam machen. „Die Laborindustrie ist somit gefordert, einen kommerziellen Diagnose-Kit herzustellen, welcher den Ansprüchen der modernen Medizin entspricht. Key Opinion Leaders in der Pulmologie sowie Onkologie sind aufgerufen, diese Daten zu validieren und in die breite klinische Anwendung zu bringen. Wissenschaft kann an Universitäten sinnvoll durchgeführt werden, die Diffusion dieses Wissens obliegt Fachgesellschaften und Prozenten von diagnostischen Assays“, so Ankersmit abschließend. Über COPD Chronisch-obstruktive Lungenerkrankung (COPD) ist ein Sammelbegriff für eine Gruppe von Lungenerkrankungen, die durch Husten, Auswurf und Atemnot bei Belastung gekennzeichnet ist. Bei COPD ist vor allem die Ausatmung deutlich beeinträchtigt. Die COPD zählt zu den weltweit häufigsten Erkrankungen überhaupt. Laut einer Schätzung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) aus dem Jahr 2007 sind davon rund 210 Millionen Menschen betroffen, Tendenz steigend. Aktuelle Zahlen sprechen davon, dass 8-10% der Bevölkerung über 40 Jahren unter dieser Krankheit leiden. Allein in Österreich leiden rund 500.000-600.000 Mensch an dieser Krankheit, in rund 90 Prozent der Fälle als Folge von Tabakkonsum. COPD ist die weltweit vierthäufigste Todesursache. Sie ist eine nicht aufhaltbare Erkrankung und ihre Bedeutung nimmt durch die gesteigerte Lebenserwartung in den entwickelten Gesellschaften zu. Neben Rauchen gilt als Hauptursache auch Umwelteinflüsse wie Ozon- oder Feinstaubbelastung.