Forscher entdeckten fernab jeden möglichen Menschenkontakts, tief in einer bislang nicht betretenen mexikanischen Höhle, Bakterien, die gegenüber bis zu 14 Antibiotika resistent sind.
Wenn es um Antibiotikaresistenzen geht, denken die meisten an den Menschen als Verursacher: Krankenhäuser, Hygienemängel und der falsche und unkritische Einsatz der Medikamente fördern die Entwicklung von Resistenzen und machen harmlos geglaubte Keime zu gefährlichen Krankheitsserregern. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) fordert globale Strategien im Kampf gegen die zunehmenden bakteriellen Infektionen, die sich einer wirksamen antibiotischen Behandlung entziehen.
Dass Bakterien wirksame Verteidigungsstrategien entwickelt haben, um zu überleben, ist bereits ein Hinweis auf natürlich vorkommende Resistenzen auch bei Bakterien, die als Krankheitsverursacher bei Mensch oder Tier möglicherweise überhaupt keine Rolle spielen. Tatsächlich fanden Gerry Wright und Mitarbeiter der McMaster Universität in Hamilton, Ontario, in den Tiefen der erst 1986 entdeckten Lechuguilla-Höhle in New Mexiko Bakterienstämme, die gegen Antibiotika resistent sind. Die Bakterien stammen aus einem bis zu 400 Meter tiefen Areal, das Menschen bislang nicht betreten haben. Dabei erwiesen sich die Keime nicht nur gegenüber einem oder zwei Antibiotika resistent, sondern viele waren gegen bis zu 40 antibiotische Wirkstoffe resistent.
Resistenz - natürlich, alt und fester Bestandteil des Genoms
Insgesamt untersuchten die Forscher die Wirksamkeit von 16 verschiedenen antimikrobiellen Substanzen auf 92 Stämme der Höhlenbakterien. Die antibiotisch wirksamen Substanzen beinhalteten natürliche Produkte, semisynthetische Derivate und synthetische Substanzen.
Sowohl gram-positive als auch gram-negative Bakterien erwiesen als resistent gegenüber einer Vielzahl gegenwärtig eingesetzter Antibiotika. Von den untersuchten gram-positiven Bakterienstämmen waren durchschnittlich 70 Prozent gegen drei bis vier verschiedene Antibiotikaklassen resistent. Drei Stämme von Streptomyces spp. widersetzten sich gar dem Angriff 14 verschiedener Wirkstoffe. Unter den Wirkstoffen befand sich auch Daptomycin, eine der letzten Hoffnungen bei Infektionen mit resitenten gram-positiven Bakterien. Keine Resistenz zeigten die gram-positiven Bakterien gegen die synthetischen Antibiotika Ciprofloxacin, Linezolid, gegen das semisynthetische Rifampicin und Minocyclin sowie das natürliche Vancomycin.
Gram-negative Bakterien sind von Haus aus gegen viele Antibiotikaklassen resistent, sodass nur Antibiotika untersucht wurden, für die eine Wirksamkeit bekannt ist. 65 Prozent der Stämme waren gegen drei bis vier Antibiotika resistent. Es ließ sich keine Tetracyclin-Resistenz beobachten, die bei Oberflächenbakterien sonst oft vorkommt. Doch zeigten sich häufig Resistenzen gegen Sulfamethoxazol, Trimethoprim und Fosfomycin.
Wettstreit: Mensch gegen Bakterium
Antibiotikaresistenz ist also in der Natur weit verbreitet, auch in Abwesenheit der vom Menschen angewendeten Antibiotika. Die Höhle, aus der die Bakterien stammen, war Millionen Jahre lang isoliert. Auch der Eintritt von Oberflächenwasser ließ sich ausschließen. Die Antibiotikaresistenz ist im Genom der Bakterien wohl seit Urzeiten verankert. Dies lässt vermuten, dass es in der Natur auch noch eine Vielzahl bislang unbekannter antibiotischer Substanzen gibt, die es möglicherweise zu entdecken gilt, aber auch, dass sich gegen jedes neue Antibiotikum Resistenzen entwickeln können, denn die Information hierfür schlummert seit Urzeiten im Bakteriengenom.
Die Ergebnisse verändern das Verständnis der Entstehung von Antibiotikaresistenzen und entlasten vielleicht auch ein wenig die Schultern verschreibender Mediziner, wenn sie auch bezüglich der unkritischen Anwendung der Medikamente sicher keinen Freibrief erhalten. Bezüglich bakterieller Infektionskrankheiten ist mit einem anhaltenden Wettstreit zwischen Infektionserregern und Forschern zu rechnen.