Öffentliche Apotheken in Not: Auch für 2012 geben Pharmaökonomen äußerst magere Prognosen an. Zwar versprechen Politiker im Zuge der 16. AMG-Novelle 200 Millionen Euro – mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein ist die Summe aber kaum. Stattdessen sollten sich Honorare beziehungsweise Abschläge am allgemeinen Wachstum orientieren.
Die nächste Sparbüchse: Bald geht Daniel Bahrs Apothekenbetriebsordnung in abgespeckter Form an den Start. Darauf freut sich kaum ein Apothekeninhaber – vor allem werden Qualitätsmanagement und Dokumentation personelle Ressourcen verschlingen. Das könnte vorsichtig optimistische Prognosen durchaus zu Nichte machen.
Bergauf, bergab
Erste Tendenzen für 2012 glichen dem Aprilwetter: Laut Professor Dr. Andreas Kaapke von der Dualen Hochschule Baden-Württemberg stiegen GKV-Umsätze leicht an (West: plus 4,2 Prozent, Ost: plus 3,6 Prozent) – auch der HV entwickelte sich positiv (West: plus 3,9 Prozent, Ost: plus 4,4 Prozent). Während alle anderen Parameter keinen großen Schwankungen unterworfen waren, tendierte der Wareneinsatz aber deutlich nach unten (minus ein Prozent). Je nach Rechenszenario lässt sich, extrapoliert auf die restlichen Monate, für Inhaber ein Verfügungsbetrag zwischen 31.000 und 36.000 Euro ermitteln – in 2011 lag der Wert noch bei 35.000 Euro.
Aprilwetter im März
IMS Health wiederum präsentierte jetzt Trendzahlen für März: Die Zahl abgegebener Arzneimittel sank geringfügig (minus 0,1 Prozent), was Wirtschaftsforscher vor allem mit der Verschreibung etlicher Großpackungen erklären. Umsätze in diesem Segment gingen nach oben (plus 3,4 Prozent), während sich der OTC-Umsatz verringerte (minus 0,3 Prozent). Versandapotheken bekommen ganz andere Effekte zu spüren: Erstmals brachen Umsätze bei Rx-Bestellungen kräftig ein (minus 5,7 Prozent) – wahrscheinlich eine Folge des harten Vorgehens vieler Gerichte gegen Rezept-Boni jenseits der Bagatellschwelle. Hingegen wuchs der OTC-Bereich im Vergleich zu den Vormonaten nur um 1,7 Prozent. Ein genauerer Blick auf die Hintergründe lohnt.
Schlechtere Rahmenbedingungen
Wie Dr. Frank Diener von der Treuhand Hannover berichtet, machten OTCs und Privatrezepte in 2011 rund 28 Prozent des Umsatzes öffentlicher Apotheken aus, wobei dieses Segment seit 2009 mehr oder minder stagniert. Den GKV-Bereich wiederum haben diverse Sparmaßnahmen der Politik arg in Mitleidenschaft gezogen. Und so sanken Rohgewinne um bis zu 4.000 Euro im Vergleich zum Vorjahr. Diener führt das einerseits auf schlechtere Großhandelskonditionen zurück, andererseits hat natürlich der Abschlag von 2,05 Euro seinen Tribut gefordert. Mehrkosten im Bereich Personal erklärt der Ökonom wiederum mit dem höheren Beratungsaufwand durch Rabattverträge. Apothekenleiter haben darauf reagiert, indem mehr pharmazeutisches Personal und weniger nichtpharmazeutisches Personal eingestellt wurde. Diener beobachtete einen Trend zu Vollzeit und Teilzeit mit mindestens 20 Wochenstunden, während Verträge mit niedrigeren Stundenzahlen seltener wurden. Alles in allem verringerte sich Betriebsergebnisse im Vergleich zum Vorjahr um 0,5 Prozent auf 5,3 Prozent des Nettoumsatzes. Der Inhaber-Verfügungsbetrag hingegen schrumpfte auf 35.000 Euro, das sind 10,5 Prozent weniger als noch in 2010. Keine wirklich Mut machenden Zahlen, um neue Apotheken zu gründen.
Selbständigkeit – mehr als die Summe unkalkulierbarer Risiken?
Zwar sank die Gesamtzahl an Apotheken nur geringfügig, laut ABDA von 21.392 (2004) auf 21.238 (2011). Die Tendenz darf aber nicht darüber hinweg täuschen, dass sich immer weniger Approbierte zum gewagten Schritt in Richtung Selbständigkeit entschließen. Parallel schossen Filialen wie Pilze aus dem Boden, die Entwicklung ging von 632 (2004) auf 3.661 (2011). Je nach Vertrag bietet dieses Modell gewisse Gestaltungsspielräume, ohne im Falle einer Insolvenz mit Privatvermögen haften zu müssen. Alle Durchschnittswerte täuschen jedoch über eine Sache hinweg: Rosig sieht es keineswegs aus – im besagten Zeitraum verdoppelte die Zahl an Apotheken, die für immer ihre Pforten schlossen, von 265 auf 426 pro Jahr. Dem gegenüber standen immer weniger Neueröffnungen: Waren es 2004 noch 343 Apotheken inklusive Filialen, gab die ABDA für 2011 nur noch 221 Gründungen an. Hinter diesen Hiobsbotschaften stecken aber nicht nur Daumenschrauben des Gesetzgebers.
Konkurrenzkampf im HV
Wie schon in den Vorjahren, kauft nämlich jeder dritte Befragte Arzneimittel auch außerhalb der Apotheke, so Andreas Kaapke. Lediglich 50 Prozent wussten, dass OTCs im Vergleich zu Pillen und Säften aus Supermarkt oder Drogerie deutlich wirksamer sind. Außerdem liebäugeln Ärzte nach wie vor mit dem Dispensierrecht- ein neuerlicher Vorstoß kam jetzt von der Freien Allianz der Länder-KVen (FALK). Abgesehen von pharmazeutischen Bedenken würde das Versorgungsnetz dadurch noch weiter geschwächt und der ohnehin stark defizitären Nacht- und Notdienst generell infrage gestellt: Betriebswirtschaftler setzen hier als Fehlbetrag 192 Millionen Euro pro Jahr an, ermittelt aus dem Ertrag und dem durchschnittlichen Stundenlohn eines Apothekers.
Gemeinsam stärker?
Jammern allein hilft aber bekanntlich wenig. Deshalb suchen immer mehr Apothekenleiter nach eigenen Wegen, um bessere Bilanzen zu erzielen. Laut IfH Institut für Handelsforschung sind deshalb 56 Prozent Mitglied in Kooperationen geworden. Von diesen Kollegen wiederum gaben 54 Prozent an, zufrieden bis sehr zufrieden zu sein. Vorteile sehen sie gleich in mehreren Bereichen: An erster Stelle wird eine Optimierung des Einkaufs genannt, gefolgt vom Marketing. Unterstützung bei der Personal- und Finanzplanung war Inhabern jedoch nicht so wichtig. Dem gegenüber stehen immense Bedenken, die eigene Unabhängigkeit als Heilberufler zu verlieren. Auch zu hohe Kosten hindern Chefs daran, einer Kooperation beizutreten.
Parameter anpassen
Jeder Zusammenschluss wird Defizite der Gesetzgebung aber nur bedingt abmildern, was ein Blick auf wirtschaftliche Hintergründe zeigt: Momentan orientiert sich der Stückrohertrag pro Rx-Packung weder an der Inflationsrate noch am Bruttoinlandsprodukt. Während in den letzten zehn Jahren GKV-Ausgaben beispielsweise für Krankenhausbehandlungen um 33,6 Prozent, für Arzthonorare um 34,6 Prozent und für zahnärztliche Behandlungen immerhin noch um 7,6 Prozent angewachsen sind, mussten sich Apotheken mit mageren 2,4 Prozentpunkten mehr zufrieden geben. Unter Berücksichtigung aller gestiegenen Kosten sieht Karl-Heinz Resch, Geschäftsführer Wirtschaft, Soziales und Verträge beim Deutschen Apothekerverband, deshalb nur zwei Optionen: eine Anhebung der Rx-Festvergütung auf 9,14 Euro oder eine Absenkung des Apothekenabschlags auf 0,96 Euro. Ergänzende Möglichkeiten wären, Nacht- und Notdienstzuschläge anzupassen sowie über BtM-Zuschläge den hohen Beratungsaufwand bei entsprechenden Präparaten auszugleichen. Mittlerweile hat auch die Regierung erkannt, dass etwas geschehen muss. Dafür stehen rund 200 Millionen Euro bereit. Welche Maßnahmen im Zuge der 16. AMG-Novelle aber getroffen werden, entscheidet sich erst im Juni.