Für Erwachsene bietet die jährliche Grippeimpfung einen wirksamen Schutz vor dem Influenza-Virus. Wissenschaftlern gelang es jetzt im Rahmen einer klinischen Studie erstmals, die Wirksamkeit eines gut verträglichen Grippeimpfstoffes für Säuglinge nachzuweisen.
Die jährlichen Grippewellen treffen kleine Kinder besonders häufig: Mit Erkrankungsraten bis zu 30 Prozent trägt diese Altersgruppe stark zur Verbreitung der Influenzaviren bei. Bisher erwiesen sich Schutzimpfungen bei kleinen Kindern jedoch als nicht so effizient wie bei Erwachsenen. Die ständige Impfkommission (STIKO) empfiehlt deshalb keine routinemäßige Vakzinierung bei kleinen Kindern, sondern zurzeit nur bei solchen, die an chronischen Erkrankungen wie zum Beispiel Asthma leiden. Allerdings kann es auch bei ursprünglich gesunden Kindern zu schweren Verläufen kommen, wenn sie sich mit einem Grippevirus anstecken. Eine besondere Rolle spielen dabei nachfolgende Infektionen wie Bronchitis oder die akute Mittelohrentzündung.
Ein internationales Forscherteam aus Tampere, Mainz, Jena und Marburg hat nun im Rahmen einer klinischen Studie nachgewiesen, dass ein inaktivierter Impfstoff Säuglinge und Kleinkinder vor Grippe schützen kann. Er enthält Antigene von drei verschiedenen Subtypen des Influenzavirus. Wie die Wissenschaftler um Professor Timo Vesikari und Professor Peter Wutzler im New England Journal of Medicine mitteilen, wird die Wirksamkeit des Vakzins durch einen Impfstoff-Verstärker deutlich erhöht. Dabei handelt es sich um eine Öl-in-Wasser-Emulsion, die die körpereigene Immunantwort auf Grippeviren verstärkt. „Das MF59-Adjuvanz führt zu einer verbesserten Präsentation der Antigene gegenüber den B-Zellen, die die Antikörper bilden“, erklärt Wutzler, der Direktor des Instituts für Virologie und antivirale Therapie am Universitätsklinikum Jena ist.
Wiederholung der Impfung nach einem Jahr
Um die Wirksamkeit des adjuvantierten Impfstoffs zu testen, nahmen die Forscher 4.707 Säuglinge und Kinder im Alter von sechs bis 72 Monate aus Deutschland und Finnland in die doppelblinde Zulassungsstudie auf. Die kleinen Probanden wurden nach dem Zufallsprinzip in drei Gruppen eingeteilt und erhielten zweimal im Abstand von 28 Tagen eine Impfung – entweder mit dem adjuvantierten Impfstoff, mit einem nicht-adjuvantierten Grippe-Impfstoff oder mit einem Kontroll-Impfstoff, der nicht gegen Influenza immunisiert. Weder die behandelten Ärzte noch die Probanden sowie deren Eltern wussten, wer zu welcher Gruppe gehörte.
Nach einem Jahr wiederholten die Forscher die Impfung nach dem gleichen Schema. Impfreaktionen wie Fieber oder Verdauungsbeschwerden traten in allen drei Gruppen etwa gleich häufig auf. Die Immunantwort der Kinder auf den Impfstoff war deutlich größer, wenn sie diesen zusammen mit dem Adjuvanz injiziert bekamen. Selbst ein halbes Jahr nach der jeweils zweiten Impfdosis war im Blut von fast allen Probanden aus dieser Gruppe noch eine ausreichende große Menge an Antikörpern gegen die im Impfstoff enthaltenen Virusantigene feststellbar.
Identifizierung der Krankheitserreger durch spezielle Diagnostik
Während der Studie wurden die Studienteilnehmer auf Symptome einer Grippe überwacht. Zeigte ein Proband grippeähnliche Anzeichen, identifizierten die Forscher mit Hilfe molekularbiologischer Diagnostik den Krankheitserreger und konnten so Kinder, die tatsächlich an einer Grippe erkrankt waren, von solchen unterscheiden, deren Infektion von anderen Erregern verursacht worden war. Insgesamt erkrankten im Verlauf von zwei Jahren 110 Kinder an Grippe – in 94 Fällen löste der Influenza-Subtyp H3N2 die Krankheit aus. Der Impfschutz versagte bei 0,7 Prozent aller Kinder, die das adjuvantierte Vakzin erhalten hatten, bei 2,8 Prozent aller Kinder, denen der nicht adjuvantierten Impfstoff verabreicht worden war, und bei 4,7 Prozent aller Kinder mit der Kontroll-Impfung.
Die therapeutische Wirksamkeit des adjuvantierten Impfstoffs betrug 86 Prozent und des Impfstoffs ohne Adjuvanz 43 Prozent. Auch bei Probanden jünger als 36 oder 24 Monaten bot der adjuvantierte Impfstoff einen deutlichen Schutz vor Grippe – im Gegensatz zum Impfstoff ohne Zusatz, der in diesen Altersgruppen kaum eine Wirkung zeigte. „Das ist ein großer Fortschritt, denn bislang gab es für Kleinkinder bis zwei Jahren keinen wirksamen Impfstoff gegen Grippe“, sagt Wutzler. "Mit dem neuen Impfstoff können wir nicht nur Kleinkinder sondern auch Säuglinge ab sechs Monaten wirksamer als bisher vor Influenza schützen und die in dieser besonders gefährdeten Altersgruppe sehr hohen Erkrankungsraten deutlich senken.“ Wutzler hofft, dass die Ergebnisse der Studie zu einem Umdenken führen, so dass schon bald wesentlich mehr Kleinkinder gegen Grippe geimpft werden und sich die Infektionskrankheit in dieser Altersgruppe nicht mehr so stark ausbreiten kann wie bisher.