Die Technik von implantierbaren Defibrillatoren hat sich in den letzten Jahren soweit entwickelt, dass Fehlauslösungen nur mehr selten vorkommen. Wer jedoch als Patient mehrmals im Jahr überraschend einen heftigen Stromstoß erleidet, kämpft oft mit Angst und Depressionen.
Eigentlich könnte der Patient ruhig schlafen. Denn unter seiner Brust sitzt der Lebensretter, den ihm die Herzchirurgen eingesetzt haben. Der kleine Stromstoßgenerator mit dem entsprechenden Sensor erkennt ventrikuläre Arrhythmien und sorgt beim entsprechenden Alarmsignal für den Schock, der das Herz wieder normal pulsieren lässt. ICD steht für den implantierten Cardioverter-Defibrillator, der seinen Träger vor dem Infarkt beschützen soll. Die ganze ausgefeilte Elektronik hilft jedoch nicht gegen die Angst im Kopf seines Trägers. Den quält nicht nur die Sorge um den drohenden Infarkt, sondern auch die Furcht vor dem Stromstoß, der oft ganz unerwartet kommt, im Durchschnitt zweimal pro Jahr. Und nicht immer ist der Herzschlag außer Takt an dem kräftigen ICD-Impuls schuld, sondern zuweilen auch eine Fehlauslösung. Je öfter sich die Elektroden entladen, desto unsicherer fühlt sich der Patient. Kann ich noch Autofahren? Was ist mit Sport? Kann ein elektrisches Feld in meiner Umgebung mein ICD alarmieren? Griff in die Steckdose Die ersten implantierbaren Defibrillatoren kamen 1985 auf den Markt. Im Gegensatz zu pharmakologischen Therapien hatten sie keine Nebenwirkungen und Unverträglichkeiten. Viele Studien haben inzwischen einen Rückgang der Mortalität sowohl Prävention bei koronarer Herzkrankheit als auch bei vorangegangenem Herz-Kreislauf-Stillstand durch Kammertachykardien oder Kammerflimmern gezeigt. In Deutschland gibt es rund 40.000 ICD-Träger, weltweit mehrere Hunderttausende. Etliche Geräte kombinieren inzwischen auch Defibrillator- und Schrittmacher-Funktion bei Herzproblemen im fortgeschrittenen Stadium. Allerdings ist diese Technik nicht ganz billig: Rund 35.000 US $ kostet ein solches ICD-CRT-(Cardiac Resynchronisation Therapy) Gerät. Dennoch sorgen defekte Elektroden und Kabel oder ein überempfindlicher Sensor auch für Stromstöße, die nicht notwendig gewesen wären. Patienten berichten von Erfahrungen wie dem Griff in die Haushaltssteckdose oder an den geladenen Weidezaun. Während rund vier Fünftel der Empfänger gut mit dem Gerät zurechtkommen, tut sich der Rest schwer mit dem Gewöhnen an die neue Situation. Besonders gefährdet sind jene, die fünf oder mehr Schocks pro Jahr hinnehmen müssen. Depression und Angststörungen sind die häufigsten Symptome einer solchen Belastung. Zuweilen stellen sich auch regelrechte Psychosen ein. ICD schlägt aufs Gemüt Nicht immer nur ist es die Angst vor dem Schlag aus dem Körperinneren. Manche Patienten berichten von einem Gefühl des Ausgeliefertseins und innerer Fremdsteuerung durch den Generator im Brustkorb. Die Unsicherheit hat auch Auswirkungen auf den Alltag. Die Betroffenen ziehen sich zurück und schränken ihre Kontakte ein. Auf der letzten Jahrestagung der American Heart Association berichtete ein Vortrag von eingeschränktem Sexualleben, besonders bei jungen ICD-Trägern. Schließlich sind es dann nicht nur der Herzkranke, sondern auch seine Angehörigen, die Angst vor dem Elektroschock im Inneren ihres Partners oder Familienmitglieds haben. Zum Teil ist sie sogar größer als die des Patienten selbst, so eine amerikanische Untersuchung aus dem Jahr 2007. Von der technischen Seite her unternehmen die Hersteller große Anstrengungen, um die Zahl der Fehlauslösungen so weit wie möglich einzudämmen. Darunter fällt auch die ferngesteuerte Überprüfung des Geräts (DocCheck berichtete). Weil aber allein schon aufgrund dieser psychischen Störungen die Mortalitätsrate gegenüber psychisch stabileren Herzkranken höher ist, sollte der Arzt mit der Implantation auch gleichzeitig einen Blick auf die Gemütslage seines Schützlings werfen. In Deutschland bemüht sich etwa die Kerckhoff-Klinik in Bad Nauheim besonders um eine psychische Betreuung dieser Patienten. Jochen Jordan hat dazu einen Leitfaden entwickelt. Patienten, die mehr als fünf Schocks in zwölf Monaten oder mehr als drei Schocks in ein und derselben Episode erlebt haben, sollten demnach auf eine posttraumatische Störung überprüft werden. Zu den Therapieoptionen gehört eine tägliche intensive Psychotherapie genauso wie die genaue Aufklärung über die Arbeitsweise des ICD, das ja eher Lebensretter als tickende Zeitbombe sein soll. Antidepressiva, aktive Entspannung und das Gespräch in Selbsthilfegruppen zählen ebenfalls zum Repertoire der Psychokardiologen. Weniger Autounfälle als normal In einer kleinen Studie untersuchte Jordan 21 Patienten mit PTBS, die bis zu 70 Schocks in einer Episode erlebt hatten. Die Psychotherapie verhalf 13 von ihnen zu einer Heilung des Belastungssyndroms, 15 Patienten waren mit den Maßnahmen sehr zufrieden. Wer das kleine Gerät über dem Herz nicht als Belastung, sondern als Versicherung gegen den Herztod sieht, der kann in vielen Fällen fast ohne Einschränkungen leben. Die Autounfall-Rate bei ICD-Trägern zur Sekundärprävention liegt bei 3,4 Prozent pro Patient und Jahr und damit sogar noch niedriger als in der Normalbevölkerung. Wer Sport treibt, braucht keine Angst vor einer höheren Quote an Fehlauslösungen zu haben. Wie Matthias Wilhelm vom Universitätsspital in Bern berichtet, führt eine vernünftige Belastung sogar zu einer deutlich verbesserten Herzfunktion. Die regelmäßige Bewegung hilft auch gegen Depressionen und lässt den Patienten ruhig schlafen.