Die Diagnose ihrer Krankheit war ein Schock: Stefanie Blockus und Eva Maria Streppel fühlten sich hilflos und allein gelassen. Ihre Lösung: Ein Blog. Dadurch ergab sich Informationsaustausch und eine Gemeinschaft. Beide finden, Ärzte sollten ihren Patienten empfehlen, zu schreiben.
„Ich mache das, weil es mir persönlich hilft, mich mit dem Thema auseinanderzusetzen, neue Informationen zu bekommen und auch, mir den Frust von der Seele zu schreiben, wenn die Krankheit mich wieder ärgert“, sagt Stefanie Blockus, die 1997 einen der ersten Diabetes-Blogs gründete und bis heute betreibt. Die 35-Jährige bekam im Alter von 14 Jahren die Diagnose Diabetes Typ 1. Ein Schock für das junge Mädchen: „Mit dem Blog möchte ich vor allem anderen helfen, weil ich mich damals sehr allein gelassen gefühlt habe mit der Krankheit. Vor 20 Jahren war wirklich niemand da, den ich ansprechen und der mir helfen konnte, ich war total überfordert.“ Sie war eine der ersten, die im Internet nach Gleichgesinnten suchte und sie fand: Stefanie Blockus © privat Anfangs wollte Blockus mit www.diabetes-leben.com nur aus ihrem Alltag berichten. „Daraus ergab sich zwangsläufig auch das Thema Diabetes, weil ich im Alltag ständig damit zu tun hatte“, sagt sie: „Ich merkte dann, dass genau das Thema Diabetes die Leute interessiert. Es kamen immer mehr Leser, Interessenten und Kommentare. Es waren auch viele Neulinge dabei, die selbst Diabetes Typ 1 hatten. Ich fragte sie, was für Themen sie noch interessieren würde, und habe so nach und nach den Blog aufgebaut.“
Auch Eva Maria Streppel gründete ihren Blog www.evalescam.com aus einem Gefühl der Hilflosigkeit nach der Diagnose Morbus Crohn und dem Bedürfnis, sich mit anderen auszutauschen. „Meinen Blog gibt es jetzt zwei Jahre. Mittlerweile schreibe ich monatliche Beiträge und fast täglich kleine Posts zum Thema Alltag mit chronisch entzündlichen Darmentzündungen (CED) auf der entsprechenden Facebook-Seite „Glücklich trotz Morbus Crohn“. Sie bekomme ein unglaublich großes Feedback von Betroffenen, sagt Streppel. Hilfe durch Selbsthilfe: Eva Maria Streppel gründete einen Blog für Morbus Crohn © privat Sie sage anderen klar, dass sie kein Arzt sei und empfehle keine Therapie, aber sie beschreibe, was ihr selbst gut getan habe: „Ich kann anderen auch vermitteln, wo ich gute Informationen gefunden habe und schreibe über Themengebiete, die allgemein bei Morbus Crohn hilfreich sind, wie zum Beispiel Bewegung, Resilienz, Stressmanagement oder Entspannung.“ Der Blog funktioniere in beide Richtungen, so Streppel. „Auch ich profitiere von dem Austausch. Manche der Leser schreiben mich an und fragen, ob ich schon von dieser oder jener Studie gehört habe und schicken mir dann einen Link.“ Evalsecam hat heute etwa 100 Stammleser, einen Traffic von etwa 2.000 Seitenaufrufen im Monat und eine Reichweite von rund 5.500 Lesern bei Facebook. „Manche lesen sicher auch die anderen rund 15 Blogs rund um CED“, sagt Streppel. „Bei Facebook gibt es eine Gruppe mit etwa 9.000 Betroffenen. Die Beiträge dort sind leider nicht gut zu managen und auch qualitativ schwer zu sichern, aber es zeigt, wie groß die Nachfrage nach Austausch und Information sind.“
Mit ungefähr 35.000 Seitenaufrufe im Monat sei Diabetes-leben als einer der ersten Blogs noch bekannter in der Szene , so Blockus. „Dazu kommt eine Community von ungefähr 3.700 Leuten auf Facebook, und es kommen täglich E-Mails und Kommentare. Manchmal wollen Leute sogar Rezepte haben oder etwas kaufen, weil sie denken, ich wäre ein kommerzieller Anbieter.“ Rund 40 Blogs rund um Diabetes gebe es ungefähr im deutschsprachigen Raum, meint Blockus. „Wichtig ist, vollkommen unabhängig zu bleiben. Ich hatte einmal ein wirklich gutes Angebot, aber ich habe abgelehnt. Ich bin selbst betroffen, mein Herzblut hängt an diesem Blog.“ Es gebe einige, die so täten, als seien sie unabhängig, sagt die Bloggerin. „Aber sie sind es nicht. Man erkennt es zum Beispiel daran, dass die Betreiber bei dem Unternehmen arbeiten, dessen Produkt sie auf ihrem Blog bewerben. Viele Leser merken es leider nicht.“
In den USA ist die Entwicklung von Blogs für bestimmte Patientengruppen weiter fortgeschritten; dementsprechend gibt es mehr Hilfe bei der Orientierung auf der Suche nach guten Seiten. Online-Magazine und Gesundheitsportale wie etwa Healthline stellen Diabetes-Blogs vor, die besonders hilfreich sein sollen – teils von Privatpersonen, teils von offizieller Seite betrieben, wie etwa der American Diabetes Association. Hierzulande ist dies noch nicht der Fall, aber es gibt Zusammenfassungen wie das „Blogverzeichnis für Medizinblogs“, das 235 Einträge auflistet, von „MediBlog Allgemeinmedizin“ über „Ernährung und Krebs“ bis hin zu „Minimalinvasive Fußchirurgie“. Am Ende muss jeder Betroffene selbst heraussuchen, wo er sich am besten aufgehoben fühlt. „Es hilft, wenn man abgeholt und verstanden wird“, sagt Streppel. „Häufig geht es auch einfach darum, anderen Mut zu machen. Es passiert vieles im Kopf. Wichtig ist, dass man sich mit der Krankheit arrangiert, dass man sie akzeptiert und für sich schaut, dass man das Beste daraus macht.“ Allerdings habe sie sich gerade zu Anfang ihrer Erkrankung mehr Orientierungshilfe gewünscht, sagt sie: „Wenn mir mein Arzt damals gesagt hätte, dass ich mich online nach anderen Patienten umsehen könnte und dort Hilfe finde, hätte mir das sehr geholfen.“