Es ist Herbst und ich bin unterwegs zum ersten Tag meiner nächsten PJ-Rotation. Die Tropen sind es nicht ganz, obwohl auch hier, im Institut für Tropenmedizin, die Regenzeit zu herrschen scheint. Ich möchte Euch nun von meinen sechs Wochen im Institut berichten.
Die Tropenmedizin ist ein Teilbereich der Inneren Medizin, unter dem sich viele nicht so recht etwas vorstellen können. Das möchte ich hiermit ändern und Euch durch meine Erfahrungen dieses spannende und vielseitige Fach schmackhaft machen – sei es auch nur für eine Rotation im praktischen Jahr. Die Aufgabenbereiche eines Tropenmediziners sind nämlich sehr vielseitig und abwechslungsreich. In der Ambulanten Betreuung liegt der Schwerpunkt vor allem in den Gebieten Beratung, Impfung, Behandlung, Labordiagnostik, Lehre und Forschung im Bereich tropischer Erkrankungen aber auch teilweise heimischer Infektionskrankheiten. In den stationären Einrichtungen wird dann die weiterführende Behandlung der, meist im Ausland, erkrankten Patienten übernommen. Für mich begann der Tag in der Abteilung für Tropenmedizin um 07:45 Uhr mit der allgemeinen Sprechstunde in der Ambulanz, wo angemeldete Patienten und Notfälle untersucht und behandelt werden. Die körperliche Untersuchung läuft nach bekanntem Schema ab, bei der Anamnese wird der Schwerpunkt meist auf Informationen zu vorhergegangenen Auslandsaufenthalten gelegt. Je nach Land und Region unterscheiden sich die tropenmedizinischen Erkrankungen und verschiedene Erreger kommen zur Differentialdiagnose in Frage. Tropische und subtropische Mitbringsel In der Ambulanz hatte ich die Möglichkeit sehr verschiedene Krankheitsbilder zu sehen. Mal traf ich auf eher „heimisches“ wie ein klassisches borrelienbedingtes Erythema chronicum migrans, mal hatte ich eine kutane Leishmaniose (auch als Bagdad- oder Orientbeule bekannt) vor mir, die vor allem im östlichen und nördlichen Afrika, der Sahelzone, Indien, Westasien sowie im Mittelmeerraum vorkommt. Das sind schon spektakuläre Eindrücke, die man nicht alle Tage zu sehen bekommt. Ähnlich wie der große Amöbenabszess der Leber als Folge einer extraintestinalen Amöbenruhr, meist verursacht durch Verunreinigung in Wasser oder Nahrung und mitgebracht aus tropischen und subtropischen Regionen. Wir entdeckten den Abzess bei einem Patienten mit persistierenden epigastrischen Schmerzen und erhöhten Leberwerten in der sonografischen Untersuchung. Nach labordiagnostischer Bestätigung durch eine Stuhlprobe war der Befall gesichert und es wurde die Therapie mit Metronidazol eingeleitet. Beeindruckt hat mich auch die manifeste, lehrbuchartige Malariainfektion eines Patienten, der leider seine Symptomatik und die wiederkehrenden Fieberschübe lange nicht ernst nahm. Hier bestand wirklich schneller Handlungsbedarf und der Patient wurde direkt zur stationären Behandlung aufgenommen. Interessant fand ich auch das Vorgehen nach Biss eines mutmaßlich tollwütigen Tieres. Zur Verminderung des Risikos einer Tollwutinfektion wird eine Postexpositionsprophylaxe durch Einmalgabe von Immunglobulinen und mehrmaliger Gabe aktiven Impfstoffs vorgenommen. // var dcmv = new DcMediaViewer(); dcmv.embed({"slider": "Mxw8IIgJU0eV8IPQ4cW8uQ", "view": "max", "tooltips": false }); // Schnellstmögliche Behandlung als oberstes Gebot Optimalerweise geschieht dies an Tag 0, 3, 7, 14, 28 und 90 nach Exposition. Oberstes Gebot ist also nach einem Biss: So schnell wie möglich in Behandlung eines erfahrenen Arztes begeben. Die Infektion endet nämlich bei Ausbruch obligat letal. Dies kann bei Reisen in Tollwut-Endemiegebiete auch durch vorherige Impfung vermieden werden. Deshalb auch der Ratschlag an alle Reisenden: Am besten keine Tiere anfassen oder füttern – so verringert sich logischerweise auch das Risiko eines Bisses. Nach Versorgung aller Patienten in der Ambulanz, ging es mit der Impfsprechstunde weiter. Das Wartezimmer platzte meist schon zu Beratungsbeginn aus allen Nähten. Hier ging es darum, mit den vielen Reisefreudigen wichtige Fakten zu Impfempfehlungen, eventuellen gesundheitlichen Risiken in bestimmten Reiseländern und deren Prävention zu besprechen. Auch hier wird nach einem klaren Schema vorgegangen. Die Beratung erfolgt länderspezifisch. Es werden also zunächst Zielland, Reisedauer und Reiseform (Rucksackreise, Kreuzfahrt, Fünf-Sterne-Hotel, organisiert oder auf eigene Faust) in Erfahrung gebracht. Prophylaxe ist das A und O Das jährlich aktualisierte Handbuch für Reisemedizin von Thieme ist die Grundlage für diese Beratung. Hier sind die möglichen Risiken und Impfempfehlungen alphabetisch nach Ländern geordnet aufgelistet. Außerdem ist bei der Beratung natürlich das Infektionsrisiko für Malaria ein wichtiger Punkt. Hier gilt es die Fragen zu klären: Wie hoch ist das Infektionsrisiko im jeweiligen Reiseland? Ist dementsprechend eine Prophylaxe oder eine sogenannte Stand-By-Medikation – also Medikamenteneinnahme erst bei bereits bestehendem Infektionsverdacht – sinnvoll bzw. ausreichend? Und wenn ja, welche Medikamente werden aufgrund der vorhandenen Erregerresistenzen und des Nebenwirkungsprofil eingesetzt? Optionen zur Prophylaxe sind derzeit unter anderem die Medikamente Lariam, Malarone, Resochin sowie Doxycyclin (welches allerdings in Deutschland noch nicht zudiesem Zweck zugelassen wurde). Zur Prophylaxeberatung gehört außerdem immer der Hinweis auf einen ausreichenden Schutz durch Moskitonetze, Imprägnieren der Kleidung sowie vor Stichen durch geeignete Mittel. Vertieftes Wissen Eine der praktischen Hauptaufgaben in der ambulanten Tropenmedizin sind natürlich wie schon angesprochen die Reiseimpfungen. Intrakutanes und subkutanes Impfen konnte ich also in den Wochen im „Tropi“ zu genüge trainieren. Da nicht ausschließlich gegen tropenmedizinische Krankheiten geimpft wird, sondern auch die gängigen Impfungen nach den Richtlinien des Robert Koch Instituts (RKI) durchgeführt werden, konnte ich auch mein Wissen zu Impfrichtlinien sowie Lagerung und Handhabung der verschiedenen Impfstoffe noch vertiefen. Zu Gesprächsbeginn gingen wir mit dem Patienten die Liste der Impfungen anhand dessen (im besten Fall – jedoch leider nicht immer vorliegenden) Impfpasses durch. Je nach Reiseland und spezieller Indikation bzw. Kontraindikation wurden Impfstatus und Empfehlung zu folgenden Impfungen erhoben: Gelbfieber, Polio, Tetanus/Diphterie/Pertussis, Hepatitis A und B, Typhus, Meningokokken, Japanische Enzephalitis, Tollwut, Cholera, FSME, Influenza, Pneumokokken und Masern/Mumps/Röteln. Manche Patienten möchten nach der Beratung eine „Bedenkzeit“ und kommen zu einem späteren Impftermin wieder, manche wollen es direkt „hinter sich bringen“. Entscheidet sich ein Patient für die sofortige Impfung, ist neben ausführlicher Aufklärung und Einwilligung des Patienten zuvor vor allem eine kurze Anamnese der wichtigsten Kontraindikationen und Impfkomplikationen von Nöten. Dazu zählen unter anderem fieberhafte Infekte, bereits stattgefundene allergische Reaktionen auf Impfungen (zur Vertiefung hierzu ein informativer Artikel), Allergien gegen Hühnereiweiß (vor allem in Bezug auf Impfstoffe, die Hühnereiweiß enthalten), Schwangerschaften (vor allem bei Lebendimpfstoffen wie Gelbfieber, Masern, Mumps, Röteln und Varizellen) sowie Immundefekte. Das Kosten-Nutzen-Prinzip Nach dem Kosten-Nutzen-Prinzip abzuwägen sind Impfungen bei Autoimmungeschehen wie Myasthenia gravis und Hashimoto Thyreoiditis oder auch Multipler Sklerose, da Impfungen als Auslöser eines Schubes nicht auszuschließen sind. Viele Patienten fragen verständlicherweise auch nach Kostenübernahme, da viele der Impfungen sehr kostenintesiv sind. Reiseimpfungen sind allerdings vornehmlich zum eigenen Schutz gedacht und werden – bis auf die Gelbfiebervakzine, die in Endemiegebieten als Einreisebedingung gilt – meist fakultativ vorgenommen. Daher sind die Regelungen von Kasse zu Kasse sehr unterschiedlich. Es existieren diverse Möglichkeiten sich über die Kostenerstattung zu informieren – am besten aber, man ruft direkt bei der jeweiligen Krankenkasse an, um die Übernahme zu klären. Eine weitere Aufgabe des Tropenmediziners sind berufsgenossenschaftliche Tropentauglichkeits- oderRückkehrer-Untersuchungen. Diese werden dann durchgeführt, wenn ein Arbeitnehmer von seinem Arbeitgeber beruflich ins Ausland geschickt wird und dient der Absicherung beider Parteien vor gesundheitlichen Folgen des Auslandsaufenthalts. Sollte bei vorher festgestellter Gesundheit während des Aufenthalts oder nach Rückkehr eine tropenmedizinische Erkrankung festgestellt werden, zählt diese als Berufskrankheit und wird dementsprechend gehandhabt. Auch die Forschungsprojekte der Abteilung konnte ich während meiner Rotation näher kennenlernen. Neben Impfstudien stehen vor allem Malaria, HIV, Tuberkulose und Buruli Ulkus im Vordergrund der momentanen Forschung am Institut. Natürlich ist hier auch die internationale Zusammenarbeit besonders wichtig. Also zieht es letztendlich doch viele der Mitarbeiter ab und an in die Tropen: Partnerinstitutionen befinden sich momentan in Tansania, Ghana, Äthiopien, Uganda, Kenia, Burkina Faso, Mali, Mauretanien, Namibia, Malawi, Südafrika, Indonesien, Laos, Kambodscha, Vietnam, Thailand, Bolivien, Brasilien, Jamaika, Trinidad und Tobago. Quellen für Interessierte Für diejenigen, denen ich den Mund etwas wässrig machen konnte und die sich tiefergehend - über das Fachgebiet oder zur nächsten eigenen Reise - informieren möchten, hier einige Tipps:
An Literatur gibt es verschiedene umfangreiche – hauptsächlich praktisch ausgerichtete - Werke, bei denen man allerdings gerade bei diesem Fachbereit auf Aktualität achten sollte:
Weit mehr als Rezepte Wie ihr seht ist die Tropenmedizin zwar ein kleiner aber sehr spannender Bereich der Inneren Medizin, der weit mehr beinhaltet als Rezepte für Malariaprophylaxe zu schreiben. Im Rahmen meiner Rotation im Tropeninstitut konnte ich nicht nur viel theoretisches Wissen zum Impfen und Infektionskrankheiten mitnehmen sondern auch selbstständig – unter den wachsamen Augen der erfahrenen Kollegen – Beratungen und Impfungen durchführen. In diesem Sinne bin ich von meinem „Tropenaufenthalt“ sicherlich nicht mit einem braunen Teint im Gesicht zurückgekehrt, aber dafür mit einer gehörigen Portion an zusätzlicher grauer Substanz im Kopf.