Voraussichtlich am 1. Juni soll die längst erwartete Novelle zur Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) endlich in Kraft treten. Für Kollegen bedeutet das erst einmal zusätzliche Arbeit – durch ein verpflichtendes QMS. Ansonsten bleiben Graubereiche mit Spielraum für Interpretationen.
Nach heißen Diskussionen und zahlreichen Änderungen im Bundesrat sind jetzt alle strittigen Punkte soweit unter Dach und Fach: Durch zahlreiche Änderungen zieht sich das Thema Qualität wie ein roter Faden, wobei strittige Punkte, etwa die verhassten Pick-up-Stellen, außen vor bleiben.
QMS für alle
Sicher die tiefgreifendste Änderung: Künftig müssen alle Apotheker ein Qualitätsmanagementsystem (QMS) aufbauen, was in Eigenregie erfolgen kann. Dafür bleiben 24 Monate Zeit. Externe Zertifizierungen fordert das BMG nicht, allerdings lassen nebulöse Passagen durchaus Spielraum zur Interpretation. Wie zu lesen ist, „sollte die Apotheke an externen Qualitätsprüfungen teilnehmen“. Von der Formulierung her im deutschen Recht ein Novum, das sich durchaus als Verpflichtung interpretieren lässt – falls kein triftiger Grund vorliegt, um Ausnahmeregelungen zu rechtfertigen. Neben den üblichen Abläufen ist ebenfalls zu dokumentieren, wer neben Approbierten noch berät, etwa PTA, PI oder Vorexaminierte, und wann ein Apotheker hinzugezogen werden muss. Auch gilt es, detaillierte Hygienepläne zu hinterlegen. Damit ist von gesetzlicher Seite her klar: Jede Apotheke hat den vollen Leistungsumfang zu garantieren.
Keine Extrawürste
Die anfangs vorgesehenen Filialen ohne Labor wird es nicht geben, auch dürfen Nacht- und Notdienste nicht übertragen werden. Dennoch sind Punkte aus dem ursprünglichen Streichungskatalog übrig geblieben: Das verpflichtende Glaswaren- und Chemikalienlager für analytische Zwecke können Apotheken bald einmotten, künftig entscheidet einzig und allein der Leiter, welche Geräte beziehungsweise Reagenzien Sinn machen. Wie Amtsapotheker oder Pharmazieräte damit umgehen, sollten sie beim Besuch nur noch eine Bürette, ein paar Reagenzgläser und Erlenmeyer-Kolben im Analytik-Eck vorfinden, wird sich zeigen. Zwar dürfen Pharmaka im Verbund zentral geprüft werden, jede Filialen hat aber selbst grundlegende Identitätsprüfungen vorzunehmen und standardmäßige Rezepturen herzustellen.
Gesundheitsangebote herausgearbeitet
Bei den apothekenüblichen Waren arbeitet der Gesetzgeber den Bezug zur Gesundheit stärker heraus: Medizinprodukte, aber auch Präparate zur Körperpflege gehören mit dazu, dann ist Schluss. Quietsche-Entchen, Flip-Flops oder Deko-Artikel sollen aus der Apotheke verschwinden, was sich bereits vor Gültigkeit der Novelle bemerkbar macht: In einem – allerdings noch nicht rechtskräftigen – Urteil verbot das Landgericht Frankfurt einer Apotheke schon jetzt, Trinkflaschen und Pausenboxen für Kinder zu verkaufen. Umso wichtiger sind pharmazeutische Dienstleistungen einzustufen.
Beratung ohne wenn und aber
Mit der ApBetrO-Novelle verpflichtet der Gesetzgeber Apothekenteams, zu beraten: durch aktive Nachfrage, orientiert am Wissensstand des Gegenübers. Ein Diabetiker, der seit zehn Jahren konsequent Blutzuckerwerte bestimmt und Insulin spritzt, wird andere Fakten benötigen als ein Kunde, der vor einer Stunde zum ersten Mal mit der gleichen Diagnose konfrontiert worden ist. Entsprechenden Informationsangeboten entkommt niemand: Auch bei Botenlieferungen, diese bleiben weiterhin eine Ausnahmeleistung, ist das Kundengespräch verpflichtend, und zwar zeitnah. Ob ein Telefonat ausreicht oder ob sich PTA beziehungsweise Apotheker selbst in den Sattel zu schwingen haben, bleibt offen.
Papierberge im Labor
In der Rezeptur wird Dokumentation zum zentralen Thema: Ohne Kontrolle der Ausgangsstoffe, Herstellungsvorschriften, Plausibilitätsprüfungen und Angabe eines Mindesthaltbarkeitsdatums wird es künftig nicht mehr funktionieren. Nach glücklichem Abschluss hat ein Apotheker das Präparat zu prüfen, zumindest organoleptisch, und ein Herstellungsprotokoll zu unterzeichnen – nicht der einzige Richtungswechsel.
Rätselhafte Apothekerpflicht
Erstmals dürfen diverse Tätigkeiten nur von Apothekern ausgeführt werden, sei es Medikationsmanagement oder Dokumentation. Lutz Tisch, Geschäftsführer Recht der ABDA – Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände, verwies in einem Vortrag auf acht dementsprechende Stellen in der Novelle. Unweigerlich drängt sich die Frage auf, welche Folgen das für Pharmazieingenieure oder Vorexaminierte hat. Momentan noch vertretungsbefugt, dürften sie manche Aufgaben künftig nicht mehr übernehmen. Jedoch lehnt es die Bundesregierung ab, zum jetzigen Zeitpunkt den Apothekerberuf generell neu zu bewerten und die Bundesapothekerordnung zu überarbeiten, wie es vom Bundesrat gefordert wurde. Ansonsten heißt nur lapidar, das notwendige Personal müsse vorhanden sein, um einen ordnungsgemäßen Betrieb zu gewährleisten – Zahlen nennt die Novelle nicht.
Qualität hat ihren Preis
Für Apotheken wird sich vor allem das QMS bemerkbar machen – Dr. Reinhard Herzog, Apotheker und Unternehmensberater, rechnet mit einmaligen Kosten von rund 3.000 Euro sowie weiteren 1.000 Euro pro Jahr für die laufende Pflege. Ob die Summe angesichts bekannter Folgen von AMNOG & Co. für kleine Apotheken noch zu schultern ist, bezweifeln viele Kollegen. Vielmehr ist zu befürchten, dass immer mehr Kollegen ihren Kittel an den Nagel hängen, wie zuletzt aus Bayern berichtet. Einsparmöglichkeiten bei Laborgeräten oder Büchern fallen nicht sonderlich ins Gewicht, vor allem nicht bei Apotheken, die ohnehin bereits komplett ausgestattet sind. Ein Mehraufwand durch höhere Beratungsqualität lässt sich hingegen schwer beziffern, da etliche Apotheken die Forderung ohnehin schon seit Jahren mit Leben erfüllt haben.
Besser Sammler als Jäger?
Bei den Rezeptsammelstellen ist Qualität plötzlich kein Thema mehr, und der Gesetzgeber zeigt sich lammfromm: Es bleibt bei marginalen, technischen Anmerkungen, schließlich soll jeder Briefkasten auch ordentlich und sicher hängen – überspitzt formuliert. Pick-up-Verbote hingegen wird es wieder nicht geben, mit den altbekannten juristischen Bedenken. Und langsam wächst auch die Ungeduld, wann es endlich losgeht mit dem Änderungspaket.
Sommerfahrplan in Richtung Novelle
Spekulierten Kollegen anfangs mit dem 1. Mai, dauert es jetzt doch länger als erwartet. Zum weiteren Zeitplanung äußerte sich Jens Spahn, gesundheitspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, in Berlin: Nach abschließender Beratung im Bundeskabinett am 9. Mai werde die Novelle zum 1. Juni in Kraft treten.