Acetylsalicylsäure (ASS) hat vor allem in der Prävention von kardiovaskulären Erkrankungen seinen Platz. Britische Wissenschaftler belegen in drei Studien nun eine hohe Wirksamkeit gegen Krebs und Metastasen. Also täglich etwas ASS für alle?
Die tägliche Low-Dose-ASS-Therapie hemmt die Plättchenaggregation und ist deshalb wesentlicher Bestandteil der Behandlung kardiovaskulärer Patienten. Eine krebsprotektive Wirksamkeit wurde ASS bereits mehrfach attestiert. Drei neue Untersuchungen von Forschern um Peter Rothwell der Universität Oxford ergaben noch mehr: Eine mehrjährige ASS-Therapie beugt nicht nur Krebs und den damit verbundenen Todesfällen vor, sie schützt auch vor der Bildung von Metastasen. Dabei sinkt das Risiko der häufig vorkommenden Blutungen unter der Behandlung nach drei Jahren (Lancet Oncology 2012).
Weniger Blutungen, weniger Krebs nach drei Jahren
In ihrer ersten Studie, einer Metaanalyse von 51 Studien, belegen die Forscher bei einer täglichen Low-Dose-Therapie in der Primärprävention von Herzkreislauferkrankungen eine um 15 Prozent reduzierte Krebssterblichkeit bei Frauen und Männern gegenüber Patienten, die kein ASS erhalten. Ab einer dreijährigen Einnahme sinkt das Sterberisiko um 25 Prozent, ab fünf Jahren sogar um 37 Prozent. Auch nichtkardiovaskuläre Todesfälle waren reduziert. Zwar war die mit ASS erreichte Reduktion der kardiovaskulären Ereignisse initial von einem erhöhten Blutungsrisiko überschattet, das aber mit der Zeit abnahm. Im Ergebnis bleibt ab einer dreijährigen Behandlung der Vorteil der sinkenden Krebssterblichkeit.
Besonders bei Adenokarzinomen seltener Metastasen
Eine zweite Untersuchung der Wissenschaftler mit der Analyse von Daten aus fünf Studien ergab, dass mindestens 75 mg ASS pro Tag auch die Bildung von Metastasen bei einer Krebserkrankung im Verlauf von 6,5 Jahren beeinflusst. Das Risiko einer Krebserkrankung mit Fernmetastasen war um 36 Prozent reduziert, das der Entwicklung eines Adenokarzinoms sogar um 46 Prozent. Patienten mit einem Adenokarzinom, die initial noch keine Metastasen entwickelt hatten, profitierten von ASS und ihr Risiko für Tochtergeschwülste sank um über 70 Prozent.
Die dritte Studie verglich Ergebnisse von Beobachtungsstudien und randomisierten Studien, um den Zusammenhang zwischen ASS und dem Auftreten auch seltenerer Krebsarten auf die Spur zu kommen, die in randomsierten Studien in nur geringer Anzahl vertreten sind. Langzeitbeobachtungen sind hier vielversprechender. Es zeigte sich, dass die tägliche ASS-Therapie auch das Langzeitrisiko seltenerer Krebsarten und die Bildung von Metastasen senkt.
ASS – Medizin deines Lebens?
Andrew Chan und Nancy Cook der Harvard Medical School in Boston, Massachusetts benennen die Grenzen der Untersuchung: Die größten verfügbaren randomisierten Studien zur Primärprävention, die Women’s Health Study mit fast 40.000 Teilnehmerinnen, die zehn Jahre lang alle zwei Tage ASS erhielten, und die Physicians Health Study mit rund 22.000 teilnehmenden Männern und einer ebenfalls alternierenden ASS-Behandlung über fünf Jahre bleiben in der Analyse aufgrund des nicht täglichen Verabreichungsmodus unberücksichtigt. Diese Studien hatten allerdings kein geringeres Risiko für Darmkrebs oder andere Krebsarten und für die Krebssterblichkeit ergeben. Grenzen der Analyse ergeben sich auch aus der Anzahl der verwendeten randomisierten Studien zur Häufigkeit des Auftretens von Krebserkrankungen. Es waren nur sechs Studien. Zudem waren Studien darauf angelegt kardiovaskuläre Endpunkte zu untersuchen und beinhalteten keine Screening-Untersuchungen auf Krebs.
Für neue Leitlinien scheint es deshalb zu früh. Denn es gilt immer individuelle Vor- und Nachteile der ASS-Therapie abzuwägen. Für Menschen ohne erhöhtes Krebsrisiko eignet sich eine prophylaktische Einnahme derzeit nicht. Unklar ist auch, welche Dosierung eine Protektion bietet. Vor einer Selbstmedikation warnen Experten.