Kombinierte hormonale Kontrazeptiva können das Thromboserisiko für Frauen erhöhen. Eine Studie zeigt: Thrombose-Warnungen haben zur Folge, dass Ärzte Pillen meiden, die erwiesenermaßen riskant sind. Dafür verschreiben sie aber häufiger schlecht untersuchte Präparate.
Bereits im Jahr 2013 haben Arzneimittelexperten das Thromboserisiko bei der Anwendung von kombinierten hormonalen Kontrazeptiva im Detail untersucht. Anfang 2014 legte die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) unter dem Titel „Benefits of combined hormonal contraceptives (CHCs) continue to outweigh risks“ einen Abschlussbericht vor. „Insbesondere jungen Frauen und Erstanwenderinnen wird seitens des Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) empfohlen, die kombinierten hormonalen Kontrazeptiva mit dem geringsten Thromboserisiko anzuwenden“, heißt es in einem Übersichtsartikel. Ärzte wurden über Rote-Hand-Briefe und Websites informiert. Die Frage bleibt, ob entsprechende Warnungen ihr Ziel erreicht haben.
Ein Forschungsprojekt des BfArM liefert jetzt Antworten. Als Basis zogen Wissenschaftler fallbezogene Daten über gesetzlich versicherte Frauen vom zehnten bis zum vollendeten 20. Lebensjahr und verknüpfbare AOK-Daten über Verschreibungen und Diagnosen heran. Nur in dieser Altersgruppe können Ärzte orale Kontrazeptiva zu Lasten gesetzlicher Krankenversicherungen aufschreiben. Alle Wirkstoffkombinationen wurden in Risikoklassen von I bis III – bezogen auf das Risko für Thrombosen – ansteigend eingeteilt. Zur Klasse X liegen wenige Daten vor, so dass keine Aussagen möglich sind. Risikoklassen kombinierter hormonaler Kontrazeptiva © BfArM Das Projekt gliederte sich in vier Phasen:
Bei der darauffolgenden Auswertung zeigten sich teils unerwartete Phänomene. Das Volumen an verordneten Tagesdosen von kombinierten hormonalen Kontrazeptiva hat sich während der Studie kaum verändert (plus vier Prozent). Erfreulich war auch der starke Rückgang von Kontrazeptiva der Risikoklasse III um 53 Prozent. Verglichen mit Phase A (26 Prozent) waren es am Ende noch zwölf Prozent der Gesamtverordnungen. Experten waren vom hohen Zuwachs der Klasse X jedoch überrascht. Hier ging es von 39,5 auf 51,8 Prozent, bezogen auf die Gesamtverordnungen, nach oben. Das entspricht plus 37 Prozent. Dieser Effekt lässt sich nicht mit risikominimierenden Maßnahmen erklären. Möglicherweise spielte die Kommunikation anderer Akteue eine Rolle. „Hierzu zählt unter anderem die Veröffentlichung des Pillenreports 2015 sowie begleitende Presseaktivitäten, nach denen eine deutliche Trendänderung bezüglich des Verordnungsverhaltens (von Risikoklasse III hin zu Risikoklasse I oder X) erkennbar war“, vermutet das BfArM. Vergleichsweise gering fiel der Effekt bei Klasse-I-Pillen (Anstieg von 31,9 auf 34,3 Prozent; plus zwölf Prozent) aus. Die Risikoklasse II (vaginal anzuwendende kombinierte hormonale Kontrazeptiva) blieb nahezu unverändert. Entwicklung der Tagesdosen je 1.000 versicherte Frauen im Alter von zehn bis unter 20 Jahren nach Risikoklassen; DDD je 1.000 Frauen © BfArM
Ein zentraler Aspekt bleibt jedoch offen. Bei Frauen über 20 sind die Präparate nicht mehr erstattungsfähig. Damit liegen auch keine GKV-Daten vor. Inwieweit der Trend auf sie übertragbar ist, lässt sich anhand der Studie nicht sagen.