Macht der Chirurg, der sich der weiblichen Brust nur mit einem Skalpell und seinem Tastsinn nähert, etwas verkehrt? Europäische Brustkrebsexperten favorisieren eine intraoperative Zielsteuerung per Ultraschall. Das scheint sowohl sicherer als auch schonender zu sein.
Wenn bei Frauen mit einem operablen Mammakarzinom die Resektion ansteht, dann läuft das heute meist so, wie Chirurgie eben läuft. Der Operateur kennt die präoperative Bildgebung, weiß also, wo er suchen muss. Während der Operation ertastet er sich den Tumor und reseziert ihn unter Einhaltung eines Sicherheitsabstands. Kollege Pathologe überprüft dann, ob die Resektionsränder frei von Tumorzellen sind. Wenn nicht, wird weiter operiert. Mitunter ist bei unklaren Befunden dann auch ein Zweiteingriff nötig, was weder für die Frau noch für den Chirurgen besonders angenehm ist. Schallen statt tasten – den Rändern zuliebe Lässt sich dieses Vorgehen optimieren? Die Ärztin Dr. Nicole Krekel, Expertin für plastische und rekonstruktive Chirurgie in der Abteilung für chirurgische Onkologie am University Medical Center in Amsterdam, wollte es genau wissen. Sie hat eine Studie konzipiert, deren Ergebnisse jetzt auf der achten European Breast Cancer Conference in Wien vorgestellt wurden. Zur intraoperativen Zielsteuerung hat sie in einer randomisiert-kontrollierten Studie den Ultraschall eingesetzt und analysiert, wie sich der Einsatz des Schallkopfs auf die Resektionsränder und auf das Resektionsvolumen auswirkte. Dabei wurde einerseits untersucht, bei welchem Prozentsatz der operierten Patientinnen die Resektionsränder in der histopathologischen Aufarbeitung tatsächlich tumorfrei waren. Andererseits wurde das Volumen des Resektats mit dem tatsächlichen Tumorvolumen in Beziehung gesetzt und daraus eine so genannte kalkulierte Resektionsquote (CRR) errechnet. Sie ist ein Maß dafür, wie viel Gewebe über den eigentlichen Tumor hinaus entfernt wurde. Eine CRR von 1 ist dabei ideal. Eine CRR von 2 oder 3 bedeutet, dass mehr Gewebe entfernt wurde, als eigentlich nötig gewesen wäre. Auch bisher wird der Ultraschall in der Brustkrebschirurgie schon gelegentlich eingesetzt. Er gilt als eine Option zur Tumorlokalisation bei nicht tastbaren Tumoren. „Die Standardmethode ist hier aber bisher die Drahtmarkierung“, so Krekel. Vorteile der Ultraschalltechnik gegenüber der Drahtmarkierung bei Frauen mit nicht tastbarem Tumor wurden in Studien wiederholt gezeigt. Breit durchgesetzt hat sich der Ultraschall aber nicht. Und bei Frauen mit tastbaren Tumoren sei diese Art der Tumorlokalisation bisher noch kaum wissenschaftlich untersucht worden, so Krekel. Auch kosmetisch günstigere Ergebnisse In ihrer Studie haben Krekel und ihre Mitstreiter insgesamt 124 Patientinnen mit tastbarem Brustkrebs im Frühstadium jeweils einer von zwei Gruppen zugelost. In der ersten Gruppe operierten die Chirurgen mit der Standardmethode, orientierten sich also per Tastsinn. In der zweiten Gruppe wurde der Tumor mittels Ultraschall lokalisiert und die Resektion entsprechend per Schallkopf kontrolliert. Die Unterschiede bei der erst Ende Februar fertig gestellten und auf der EBCC 8-Tagung bisher nur als Abstract publizierten Studie waren ziemlich beachtlich. Nur bei 3,3 Prozent der untersuchten Geweberänder von 61 Frauen in der Ultraschallgruppe fanden sich an den Rändern des Resektats Tumorzellen. In der Gruppe mit Standardverfahren waren es dagegen bei insgesamt 63 Probandinnen 16,4 Prozent, also fünfmal so viele. „Trotzdem war die Menge des entfernten Gewebes in der Ultraschallgruppe deutlich kleiner“, betonte Krekel. Im Schnitt wurden in der Ultraschallgruppe 40 Kubikzentimeter Brustgewebe entnommen, in der Kontrollgruppe waren es 58 Kubikzentimeter. Das alleine sagt bei der relativ kleinen Gruppengröße noch nicht so viel aus. Wenn allerdings die CRR berechnet wird, sieht es für das Standardverfahren nicht besser aus. In der Ultraschallgruppe lag die CRR bei im Mittel 1,0, ein sehr guter Wert. In der Kontrollgruppe waren es hohe 1,9. Bestätigungsstudien gesucht Die Macher der Studie haben sich in Wien relativ weit aus dem Fenster gelehnt und dafür plädiert, den Ultraschall auf Basis dieser Daten zum neuen Standard zu erklären. Das erscheint freilich etwas voreilig. Die Studie fand nur an einem Zentrum statt. Sie ist nicht besonders groß. Und sie hat mit dem resezierten Tumorvolumen zwar einen sehr patientenrelevanten Endpunkt. Aber auf Seiten der Effektivität hätte man schon gerne zumindest noch die Zahlen zu Zweiteingriffen und Rezidivquoten. Sie werden vermutlich nachgeliefert, die Daten sind ja derzeit noch ganz frisch. Kongresspräsident Professor David Cameron von der Universität Edinburgh zeigte sich jedenfalls relativ angetan: „Die Studie zeigt, wie sich neuerliche Eingriffe verhindern lassen. Die Ergebnisse müssen aber erst noch bestätigt werden, bevor sie zum Standard erhoben werden können.“