Medikamente landen oft im Klo - wegen ordnungswidriger Entsorgung und auch im Urin. Im Wasserkreislauf richten sie Schäden an. Das Projekt „Sauber+“ entwickelt Konzepte und Technologien für saubere Abwässer aus Krankenhäusern.
Auch Medikamente gehen den Gang alles Irdischen: Sie werden eingenommen, teilweise verstoffwechselt und gelangen dann als Konjugate und Metabolite über den Urin wieder aus dem Körper. Besonders in Einrichtungen des Gesundheitssystems wie Krankenhäusern, Pflegeeinrichtungen, Seniorenresidenzen, Hospizen und Ärztehäusern finden sich in den Abwasserströmen hohe Mengen an Medikamentenrückständen. Da die pharmazeutischen Wirkstoffe in konventionellen Kläranlagen oft nur teilweise oder gar nicht eliminiert werden (können), verbleiben sie im Wasserkreislauf, verunreinigen Flüsse und führen dort zu messbaren Veränderungen. So ist seit einigen Jahren bekannt, dass Rückstände von Ethylenestradiol, wie sie aufgrund der Einnahme der Pille ausgeschieden werden, zur Verweiblichung, Zwitterbildung und Unfruchtbarkeit von Fischen führen.
Die Tiere nehmen das Hormon über die dünne Haut der Kiemen auf. Einmal im Körper beeinflusst es das Hormongleichgewicht. Forellen und Lachse reagieren besonders empfindlich auf Hormone im Wasser. Neben Medikamentenrückständen finden sich im Abwasser aus Einrichtungen des Gesundheitswesens auch Krankheitserreger. In welchen Konzentrationen und auf welche Weise die Wirkstoffe in ihrer Kombination auf Mensch und Umwelt wirken ist noch offen. Ebenfalls unklar ist bislang, ob die im Abwasser enthaltenen Erreger mit den Medikamentenrückständen zur Bildung von multiresistenten Keimen beitragen können.
Sauber+ nimmt Abwässer unter die Lupe
Um diese Fragen zu klären, wurde unter der Leitung des Instituts für Siedlungswasserwirtschaft der RWTH Aachen das Projekt „Sauber+“ ins Leben gerufen. Es hat zum Ziel, innerhalb der dreijährigen Laufzeit neue Konzepte und Technologien für die separate Behandlung von Abwasser aus Einrichtungen des Gesundheitswesens zu entwickeln. Dazu soll zunächst das durch die Abwasserströme entstehende Risiko charakterisiert werden. Zur Eliminierung von Medikamenten und Keimen aus dem Abwasser werden verschiedene Methoden, wie eine Reinigung über Aktivkohle, eine Behandlung mit UV-Strahlen oder Ozonung gegeneinander getestet. Neben den praktischen Untersuchungen wird auch die Entwicklung innovativer Kommunikations- und Bildungsmaßnahmen im Fokus stehen, um die neuen Erkenntnisse zu vermitteln und bei allen beteiligten Akteuren (Ärzte, Apotheker, Pflegekräfte, Patienten, Angehörige, etc.) eine Sensibilisierung für das Thema zu erreichen.
Mit Ozonung und Aktivkohle 90% der Rückstände eliminieren
Aus verschiedenen, an dem Projekt beteiligten, Einrichtungen in Deutschland werden Abwasserproben genommen und auf Medikamentenrückstände, Resistenzkeime und die Gentoxizität des „Cocktails“ untersucht. In einem vorgeschalteten abgeschlossenen Pilotprojekt am Kreiskrankenhaus Waldbröl wurde genau diese Art der Untersuchung bereits durchgeführt. Aus diesem Projekt ist bekannt, dass Krankenhausabwasser eine bedeutende Punktquelle für eine Reihe an untersuchten Pharmaka und Röntgenkontrastmitteln darstellen. Für einzelne Antibiotika konnte gezeigt werden, dass der aus dem Krankenhaus stammende Anteil im kommunalen Abwasser des Gesamteinzugsgebietes bei etwa 30% liegt. Das unbehandelte Krankenhausabwasser zeigte eine deutlich höhere Toxizität für aquatische Organismen als rein kommunales Abwasser.
Darüber hinaus zeigten sich im Krankenhausabwasser deutliche gentoxische und mutagene Effekte. In einem Versuch im Rahmen einer Studie des Bayerischen Landesamtes für Wasserwirtschaft wurde festgestellt, dass eine 28-tägige Exposition von Regenbogenforellen in 5µg Diclofenac/l zu schwerwiegenden pathologischen Veränderungen im Bereich von Niere und Kiemen führten. Im Zulauf kommunaler Kläranlagen belief sich die Konzentration an Diclofenac auf 1,6µg/l; in Abwässern von Einrichtungen des Gesundheitswesens dürfte dieser Wert höher liegen. Die Datenlage im Hinblick auf Langzeitwirkungen von Arzneimittelwirkstoffen auf aquatische Organismen ist noch sehr dünn. Zudem fehlt es auch an Untersuchungen zu Kombinationswirkungen bei mehreren, gleichzeitig in die Umwelt eingetragenen Arzneimittelwirkstoffen.
Das Projekt „Sauber+“ möchte hier verlässliche Daten liefern und Wege zur Verbesserung der Situation aufzeigen. Das Pilotprojekt in Waldbröl zeigte, dass sowohl mit Ozonung, also auch mittels Aktivkohlefiltration fast alle untersuchten Substanzen zu 90% eliminiert wurden. Besonders vor dem Hintergrund des demographischen Wandels wird die Menge an Arzneimittelrückständen zukünftig noch zunehmen. Daher ist es dringend nötig, dieses Problem aktiv anzugehen. Denn wenn Wirkstoffe nicht mehr nur gezielt eingenommen, sondern mit dem Trinkwasser unkontrolliert aufgenommen werden, sind Wechselwirkungen und Nebenwirkungen nicht mehr auszuschließen. Dann kann auch der Arzt oder Apotheker nicht mehr helfen.