Eine aktuelle Untersuchung zeigt, dass bei Frauen mit einer Androgenersatztherapie die Kopfhaare wieder zu wachsen beginnen. Das stellt die bisherige These auf den Kopf, erhöhte Testosteronspiegel würden Haarausfall verursachen.
Viele Frauen in und nach der Menopause klagen über Haarausfall und dünner werdendes Haar. Bisher wurden hierfür meist erhöhte Testosteronspiegel verantwortlich gemacht. Andererseits finden sich in vielen Studien keine klinischen oder biochemischen Hinweise auf einen Androgenüberschuss. Ganz im Gegenteil: in einer aktuellen Studie, in der Frauen wegen Androgenmangels eine Androgenersatztherapie erhielten, wurde kein Haarausfall beobachtet. Vielmehr begann das Kopfhaar wieder zu wachsen.
An der Studie hatten 285 prä- und postmenopausale Frauen teilgenommen. Sie erhielten wegen Androgenmangels mindestens ein Jahr (12–56 Monate) lang subkutane Testosteronimplantate (mittlere Dosis 133,3 mg). Um die Effekte der Therapie zu untersuchen, beantworteten sie u.a. Fragen zu Kopf- und Gesichtshaar, Alter, BMI und Serumtestosteronwerte wurden ebenfalls erfasst. Vor Beginn der Hormonbehandlung berichteten knapp 27% der Frauen über dünner werdendes Haar. Bei diesen Frauen wurden niedrigere Serumtestosteronwerte gemessen, als bei Frauen mit vollem Haar. Vier Wochen nach dem Einsetzen des Hormonimplantats wurden die Frauen befragt und eine Laborkontrolle der Serumtestosteronwerte durchgeführt.
Etwa 63% der Frauen mit vorangegangenem Haarverlust gaben an, dass das Haar wieder nachgewachsen sei. Die Serumtestosteronwerte wiesen jedoch keine signifikanten Unterschiede zwischen den drei Gruppen auf: Frauen, die vor der Therapie dünnes Haar hatten und deren Haare wieder wuchsen, Frauen, die vor der Therapie dünnes Haar hatten und deren Haare nicht wuchsen und Frauen, die nicht über dünnes Haar vor der Therapie berichtet hatten. Allerdings wurde beobachtet, dass Frauen, deren Haare unter der Behandlung nicht wuchsen, einen höheren BMI hatten, als solche Frauen, bei denen das Haarwachstum wieder einsetzte. Frauen, die auf die Hormonbehandlung nicht mit Haarwachstum reagierten, hatten häufiger weitere Erkrankungen wie eine Hashimoto-Thyreoiditis, einen stark erniedrigten TSH-Wert oder eine Eisenmangelanämie.
Ist das Testosteron unschuldig?
Die Autoren der Studie stellen auf Grund ihrer Ergebnisse die bislang gültige Meinung in Frage, dass erhöhte Testosteronspiegel bei der Frau den Haarausfall fördern. Vielmehr vermuten sie einen positiven anabolen Effekt des Androgens auf das Haarwachstum. Nach ihrer Theorie wäre der mit dem Alter abnehmende Testosteronspiegel der Frau – mit 40 Jahren ist er nur noch etwa halb so hoch wie mit 20 – für das dünner werdende Haar verantwortlich, da der postulierte anabole Effekt auf das Haarwachstum im Alter verloren ginge. Allerdings, so stellen die Autoren der Veröffentlichung heraus, war ihre Untersuchung nicht darauf ausgelegt, das Haarwachstum unter Androgenersatztherapie zu untersuchen. Eine Untersuchung, in der das Haarwachstum objektiv beurteilt und gemessen wird und nicht nur auf einer Aussage der Studienteilnehmerinnen beruht, wäre daher nötig. Dennoch fügen sich die Ergebnisse in eine Reihe früherer Untersuchungen, in denen kein Androgenüberschuss bei Haarausfall festgestellt wurde.
Der Haarausfall bei der Frau scheint vielmehr multifaktorielle Ursachen zu haben. Genetische Faktoren können ebenso beteiligt sein, wie hormonelle und psychische. Möglich ist auch, dass es Androgen-abhängige, sowie Androgen-unabhängige Mechanismen gibt, die je nach weiteren Voraussetzungen unterschiedliche Folgen für das Haarwachstum haben. Während der Schwangerschaft haben Frauen meist sehr schönes und üppiges Haar. Das liegt am hohen Östrogenspiegel, der die Wachstumsphase der Haare verlängert. Gleichzeitig fallen weniger Haare aus. Nach der Entbindung sinkt der Östrogenspiegel, was nach zwei bis drei Monaten verstärkten Haarausfall zur Folge hat (postpartales Effluvium). Das Haar findet sich wieder in seinen alten Wachstumszyklus ein. Während der Menopause nimmt die Produktion von Östrogenen ab. Das Gleichgewicht der Hormone untereinander ist gestört. Möglicherweise liegt vielmehr darin ein Grund für Haarausfall, als in der absoluten Konzentration eines Hormons.