Endlich ist sie da: Nach Zustimmung des Kabinetts veröffentlichte Daniel Bahr (FDP) jetzt die heiß ersehnte Novelle zur Apothekenbetriebsordnung. In der Tat haben Gesundheitspolitiker damit mehrere Kritikpunkte der Berufsverbände aufgegriffen und ein klares Bekenntnis zu mehr Qualität abgelegt. Von heißen Eisen wie Pickups lassen sie aber nach wie vor die Finger.
Der Aufschrei war groß, als Ende 2011 ein erster Referentenentwurf zur Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) das Licht der politischen Welt erblickte, waren darin Apotheken zweiter Klasse vorgesehen: ohne Rezeptur und ohne Verpflichtung zum Notdienst. Mit der jetzt veröffentlichten Novelle revidiert das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) seine ursprüngliche Position in strittigen Punkten teilweise und rückt das Thema Qualität in den Mittelpunkt.
Light war gestern
Schmalspurapotheken ohne Labor sind endgültig vom Tisch, Filialen bekommen aber dennoch eine besondere Stellung: Andere Apotheken innerhalb eines Verbunds können anstehende Notdienste übernehmen, vorausgesetzt, ein berechtigtes, nicht näher definiertes Interesse liegt vor. Auch dürfen Ausgangsstoffe beziehungsweise Arzneimitteln zentral geprüft werden. Anders als befürchtet, wird das Nebensortiment jedoch nicht eingeschränkt. Auf strenge Vorgaben zu Literatur und Geräten verzichtet das BMG ebenfalls, ohne Gesetzestexte oder das Arzneibuch wird es aber kaum gehen. Statt Büchern und Loseblattsammlungen sind elektronische Lösungen wie Datenbanken legitim, vorausgesetzt, diese bleiben ständig verfügbar – auch bei Nachfragen im Rahmen von Kundengesprächen.
Situationsabhängige Beratung
Keine Überraschung: Die Beratungspflicht für Patienten, Human-, Zahn- und Tiermediziner bekommt eine zentrale Bedeutung. Im Vergleich zu ersten Entwurf wird dennoch zurückgerudert. Entsprechende Informationsangebote können der Situation angepasst werden, das heißt, Ärzte benötigen sicher fachspezifischere Daten als Laien. Und bei chronisch Kranken, die bereits seit Jahren das gleiche Präparat einnehmen, reicht aus, neu aufgetretene Erkrankungen oder Nebenwirkungen abzuklopfen. Generell ist eine Beratung durch Nachfrage auch für Versandapotheken verpflichtend. Wie das in der Praxis auszusehen hat, schreibt die ApBetrO nicht vor, nur eine Telefonnummer muss künftig bei Bestellungen angegeben werden. Ansonsten sind auch Rezepte strenger auf deren Plausibilität hin zu überprüfen, entweder mit elektronischen Hilfsmitteln oder nach dem Vier-Augen-Prinzip. Das Bekenntnis zu mehr Qualität beschränkt sich jedoch nicht auf den HV-Tisch.
QMS für alle
War im Referentenentwurf ein Qualitätsmanagementsystem (QMS) ausschließlich bei Apotheken vorgesehen, die Defekturarzneimittel beziehungsweise Parenteralia herstellen oder verblistern, erwischt es jetzt alle. Eine spitze Bemerkung kann sich das BMG hier aber nicht verkneifen: Immer wieder seien in Apotheken hergestellte Arzneimittel beanstandet worden, weil deren Qualität nicht stimmte, hieß es aus dem Ministerium. Darauf hat Daniel Bahrs Haus jetzt reagiert – mit einer umfassenden QMS-Pflicht. Art und Umfang orientieren sich dabei an den Tätigkeiten, die ausgeführt werden. Außerdem müssen Apothekenleiter künftig dokumentieren, welche Kollegen des pharmazeutischen Personals beraten und wann unbedingt ein Approbierter hinzugezogen werden muss. Pharmazeutisch-kaufmännische Angestellte hingegen dürfen anders als in der ersten Fassung der ApBetrO nun doch keine Arzneimittel herstellen, sondern lediglich abfüllen, verpacken oder im Labor assistieren. Als weitere Berufsgruppe kommen Boten mit hinzu.
Arzneimittel auf Achse
Das jetzt veröffentlichte Regelwerk wertet nämlich Arzneimittellieferungen von der Ausnahmeleistung zum Bestandteil der Regelversorgung auf, und zwar mit folgenden Eckdaten: Fahrer müssen in der Apotheke angestellt sein, pharmazeutischen Kenntnisse sind allerdings nicht erforderlich – es sei denn, dass noch keine Beratung der Kunden stattgefunden hat. Dann hat sich pharmazeutisches Personal auf den Sattel zu schwingen und bei der Übergabe Rede und Antwort zu stehen. Wie sich diese Forderung in der Praxis umsetzen lässt, etwa bei der Versorgung von Altenheimen, ist eine andere Frage. Bei den Dienstzeiten sind die Regelungen dafür weitaus präziser formuliert.
Versorgung garantiert
Das BMG verpflichtet Apotheken nämlich zur ständigen Bereitschaft. In der Praxis heißt das, Ladenöffnungszeiten der einzelnen Bundesländer haben bald keine Relevanz mehr. Ausnahmen sind dennoch vorgesehen: montags bis freitags ab 18.30 Uhr, montags bis samstags bis 8.00 Uhr und samstags ab 14 Uhr darf geschlossen werden. Aber auch während der regional üblichen Öffnungszeiten können Rollläden unten bleiben, sollte die zuständige Aufsichtsbehörde ihren Segen geben. Das kann vielerorts auf Mittwochnachmittage oder regionale Ereignisse wie den Karneval zutreffen. Scheinbar traut das BMG dem Apothekennotdienst dennoch nicht so ganz – und startet einen Angriff auf das Dispensierrecht: Schwerstkranke Patienten bekommen schon bald BtMs direkt von Ärzten, Details sollen in weiteren Rechtsnormen festgelegt werden.
Ein kleiner Schritt nach vorne
Nachdem endlich alle Karten auf dem Tisch liegen, äußerten sich zahlreiche Kollegen und Standespolitiker. Aus pharmazeutischer Sicht ist der Kabinettsentwurf im Vergleich zur vorigen Version sicher zu begrüßen. Ganz glücklich sind viele mit der Novelle dennoch nicht. Die ABDA – Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände etwa monierte, dass bei Rezeptur, Defektur und Fachliteratur keine genauen Vorgaben gemacht würden. Dies sehe man vor dem Ziel, mehr Qualität im Bereich der Rezeptur zu erreichen, kritisch. Andererseits bemängeln gerade Inhaber, dass mit der QMS-Pflicht ein bürokratisches Ungetüm geschaffen werde, verbunden mit hohen Kosten, aber ohne spürbare Hilfen für bereits bestehende Apotheken. Mit dieser Problematik haben sich Vertreter des Nationalen Normenkontrollrats befasst und belastende beziehungsweise entlastende Maßnahmen gegenübergestellt. Ihr Ergebnis: In Summe ist mit einmaligen Ausgaben von 5,1 Millionen Euro rechnen, allein das neue QMS schlägt bundesweit mit 3,7 Millionen Euro zu Buche. Von Entlastungen werden vor allem neue Filialen profitieren.
Auch das ärztliche Dispensierrecht bei BtMs gilt als zweischneidiges Schwert: Natürlich steht eine schnelle Versorgung von Palliativpatienten an erster Stelle, der Staat verzichtet aber auf die pharmazeutische Kontrolle und damit auf die Arzneimittelsicherheit. Und an ein Pickup-verbot hat sich das BMG wieder einmal nicht herangewagt, die Regeln zur Genehmigung von Rezeptsammelstellen bleiben ebenfalls unangetastet. Laut der parlamentarischen Staatssekretärin Ulrike Flach (FDP) setze sich die Koalition aber weiter dafür ein. Angestrebt würden Lösungen, die für Apotheker deutlich besser seien als derzeit. Das kann noch dauern, deutlich schneller geht es dafür mit dem Kabinettsentwurf zur ApBetrO weiter: Anfang März muss der Bundesrat zustimmen, was als sehr wahrscheinlich gilt. Dann könnten alle Änderungen – kein Scherz – pünktlich zum 1. April in Kraft treten.