Immunsuppressiva oder UV-Licht helfen bei Neurodermitis. Doch ihre dauerhafte Anwendung verbietet sich aufgrund der zum Teil schweren Nebenwirkungen. Forscher konnten nun zeigen, dass eine Bestrahlung mit blauem Licht eine schonende Alternative darstellt.
Quälender Juckreiz macht vielen Neurodermitis-Patienten das Leben schwer. Immer wieder entzündet sich die Haut der Betroffenen – oft ihr ganzes Leben lang. Heilen kann man das atopische Ekzem – wie die Krankheit auch genannt wird – bislang nicht, aber die Symptome können durch unterschiedliche Methoden behandelt werden. Im Vordergrund stehen dabei die Behandlung der betroffenen Hautpartien mit Immunsuppressiva oder UV-Licht.
„Eine Bestrahlung mit UV-Licht hilft vielen Patienten etwas besser als die äußere Anwendung von Glukokortikoiden, aber von einer nachhaltigen Therapiewirkung sind wir noch weit entfernt“, sagt Privatdozent Detlef Becker, Oberarzt an der Mainzer Hautklinik der Universitätsmedizin Mainz. „Da UV-Licht jedoch Krebs verursachen kann und dieses Risiko von der Gesamtdosis der Bestrahlung abhängt, ist eine sehr häufige oder sogar kontinuierliche Anwendung dieser Methode auch keine wirkliche Lösung für die Hautprobleme der Neurodermitis-Patienten.“
Erfolgreiche Anwendung bei Hand- und Fußekzemen
In den vergangenen Jahren entwickelten Wissenschafter deshalb eine Bestrahlungsart, die ohne UV-Licht auskommt. Die Anwendung von blauem Licht wurde zunächst bei Hand- und Fußekzemen erfolgreich erprobt. Jetzt haben Becker und seine Mitarbeiter in einer weiteren Studie zeigen können, dass blaues Licht anscheinend auch Patienten mit großflächig auftretenden Ekzemen helfen kann. Wie das Forscherteam in der Fachzeitschrift PLoS One mitteilen, führte eine sechsmonatige Anwendung zu einer wesentlichen Verbesserung der Symptome.
An der Studie nahmen anfangs 36 Erwachsene teil; sie alle litten an einer schweren, langfristig nicht zu kontrollierenden Form der Neurodermitis. Jeder Proband wurde – sobald ein Krankheitsschub begann – an fünf aufeinander folgenden Tagen jeweils über einen Zeitraum von 48 Minuten am ganzen Körper mit Blaulicht bestrahlt. Anschließend wurden die Ekzeme der Patienten solange mit einem Kortikosteroid lokal behandelt, bis sie verschwanden.
Wiederholung der Behandlung nach erneutem Krankheitsschub
Erst wenn die Krankheit bei einem Studienteilnehmer erneut aufflammte, wiederholten die Ärzte die Prozedur aus Bestrahlung und nachfolgender Anwendung eines Kortikosteroids. Die Hälfte der Patienten erhielt mehr als vier dieser Therapieblöcke. Während der gesamten Studiendauer wurden die klinischen Symptome beurteilt, charakteristische Laborparameter bestimmt und die Patienten befragt.
Nach sechsmonatiger Behandlung hatten sich bei 26 von 28 Patienten die Hautprobleme deutlich abgeschwächt. „Dazu haben wir den EASI-Index herangezogen, der eine gängige Methode zur Bestimmung der Ausdehnung und des Schweregrads der Neurodermitis ist“, sagt Becker. „Die Mehrheit der Patienten war mit der neuen Therapie zufrieden und stufte sie als wirksamer ein als die bisherigen Behandlungen.“
Immunsystem spielt wichtige Rolle bei Neurodermitis
Über die Ursachen der Erkrankung herrscht immer noch Unsicherheit. In einigen Fällen scheint es eine Verknüpfung mit Allergien zu geben, da bei diesen Patienten die Konzentration der IgE-Antikörper im Blutserum deutlich erhöht ist. In anderen Fällen funktionieren bestimmte Strukturproteine in der Hornhaut der Betroffenen nicht richtig und machen diese dadurch empfindlicher für externe Einflüsse. Auch könnte ein Ungleichgewicht verschiedener Komponenten des Immunsystems die Ausprägung des Krankheitsbilds verstärken.
Bislang ist auch noch nicht wirklich klar, auf welche Weise die Blaulichttherapie die Symptome der Neurodermitis lindert: „Wir gehen im Moment davon aus, dass chromophore Substanzen wie Riboflavin das blaue Licht in der Haut absorbieren und Singulett-Sauerstoff erzeugen“, sagt Becker. „Diese sehr reaktiven Teilchen greifen wahrscheinlich in die Regulation des Immunsystems ein und bewirken so, dass ein Prozess in Gang kommt, der längerfristig die Krankheit herunterreguliert.“
Blaulicht ohne ausgeprägten immunsuppressiven Effekt
Die Auswertung der Hautbiopsien und der Laboruntersuchungen, so der Mediziner, habe ergeben, dass die Blaulichttherapie keine deutlichen immunsuppressiven Auswirkungen auf das Entzündungsgeschehen der Haut ausübe. Becker: „Im Gegensatz zur Behandlung mit UV-Licht basiert der Effekt der neuen Therapie vermutlich nicht auf der kurzfristigen Zurückdrängung der Entzündung.“
Nach diesen ersten positiven Ergebnissen wollen Becker und seine Mitarbeiter nun die Wirkung der Blaulichttherapie im Vergleich zu einer Kontrollgruppe überprüfen. Deshalb haben die Forscher eine weitere Studie gestartet, an der erwachsene Patienten im Alter zwischen 18 und 40 Jahren teilnehmen können, die seit mehreren Jahren unter einer mittelschweren bis schweren Neurodermitis leiden. Eine Hälfte der Probanden wird nach dem Protokoll der alten Studie behandelt, die andere Hälfte wird zunächst für ein Jahr mit Standardtherapien entsprechend der Leitlinie für das atopische Ekzem behandelt und erhält erst danach die Blaulichttherapie.
Fehlende Kontrolle mindert Aussagekraft der Studie
Auch andere Experten wie Professor Thomas Werfel, Leitender Oberarzt an der Klinik für Dermatologie und Venerologie der Medizinischen Hochschule Hannover, halten die Therapie mit Blaulicht grundsätzlich für vielversprechend: „Allerdings mindert das Fehlen einer Kontrollgruppe die Aussagekraft der Studie“, so Werfel. Der Dermatologe hofft deshalb, dass die neue Studie die Wirksamkeit der Methode eindeutig belegt und die Blaulichttherapie dann in der entsprechenden Leitlinie der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AMWF) empfohlen werden könnte.