Kinder erhalten häufig Antibiotika, meist Penicillin. Ob die Dosierung aber tatsächlich die Richtige ist oder eher der Resistenzentwicklung Vorschub leistet, ist britischen Forscher zufolge oft zweifelhaft. Denn Empfehlungen basieren oft auf Daten aus den 60er Jahren.
Penicillin ist seit über 50 Jahren das wichtigste Antibiotikum, das bei Kindern eingesetzt wird. Jährlich erhalten britische Kinder gegen bakterielle Infektionen sechs Millionen Verschreibungen über Antibiotika, 4,5 Millionen davon machen orale Penicilline aus. Ob die Dosierung allerdings hoch genug ist, ist laut Forschern vom King's College London und der University of London fraglich. Denn Dosierungsempfehlungen der British National Formulatory for Children (BNFC) beruhen v.a. auf Altersklassen, die die Gewichtsentwicklung der letzten Jahrzehnte weitgehend unberücksichtigt lassen.
Baby = Achtel-Erwachsener?
So lautet eine Produktinformation aus 2011 für die Amoxil Suspension für Kinder unter 40 kg Körpergewicht 40 bis 90 mg pro Kilogramm und Tag für alle Indikationen. Andere Empfehlungen etwa für Amoxicillin und Penicillin V basieren auf Altersklassen, wobei für einige Indikationen zusätzlich gewichtsbasierte Empfehlungen existieren. Häufig eingesetzte Dosierungen bei Kindern orientieren sich an der Erwachsenendosis nach dem Motto: Ein großes Kind entspricht einem halbem Erwachsenen, ein kleines Kind entspricht der Hälfte eines großen Kindes und ein Baby entspricht der Hälfte eines kleinen Kindes.
Um den Ursprung gegenwärtiger Dosierungsempfehlungen zu verstehen, prüften Paul Young und Mike Sharland im Namen des Children’s Antibiotic Prescribing Research Network (iCAP) die Literatur einschließlich historischer Archive u.a. der British Medical Association. Dosierungsempfehlungen nach Altersklassen waren erstmals in den 50er Jahren vorgeschlagen worden und basieren auf Dosierungsstudien. Berücksichtigt dabei wurde das durchschnittliche Gewicht der Altersklassen. Nach den Altersklassen sollten ab 1963 alle Antibiotika bei Kindern dosiert werden.
Doch haben sich Wachstum und Gewicht seit Entwicklung der Empfehlungen stark verändert. Während 1963 das Durchschnittsgewicht etwa für Fünfjährige 18 Kilogramm und für Zehnjährige 30 kg betrug, ist es heutzutage 21 und 37 Kilogramm. Die Kinder weisen heute ein durchschnittlich um 20 Prozent höheres Gewicht auf, ergab eine Untersuchung in England aus 2009. Unterdosierungen sind häufig die Folge.
Antibiotika-Fehlerquellen: Von Dosierung bis Compliance
Während bei Erwachsenen regelmäßiger Anpassungen von Penicillindosierungen vorgenommen wurden, steht eine Überprüfung der Empfehlungen für Kinder aus. Auch bei uns bestehen einige besondere Probleme bei der Verschreibung und Dosierung oraler Antibiotika bei Kindern. Standardisierungen sind mit denen Erwachsener nicht vergleichbar. Nicht nur, dass viele Antibiotika für die Behandlung von Kindern nicht zugelassen sind, sondern Angaben zu Dosierungen etwa von Penicillinen oder Cephalosporinen sind oft nur in Tagesdosen pro Milligramm Körpergewicht angegeben, wobei der angegebene Bereich oft groß ist.
Die Dosierung muss individuell der Erkrankung und deren Schweregrad angepasst werden, aktuelle Empfehlungen müssen berücksichtigt werden. Möglich sind oft zwei- bis dreimal tägliche Einnahmen, was einen Unterschied in der Wirksamkeit bedeuten kann, da die Wirkstoffkonzentration im Gewebe unterschiedlich ist. Die Häufigkeit der Einnahme beeinflusst zudem die Compliance. Zusätzliche Fehlerquellen bestehen darin, wenn Eltern das Antibiotikum erst gebrauchsfertig anmischen müssen.
Um die Entwicklung von Resistenzen zu verhindern, sind aber nicht nur Anpassungen der Dosierungen von Antibiotika an Gewicht und individuelle Faktoren von Kindern notwendig, auch bei Erwachsenen fehlen oft Dosisanpassungen, so griechische Wissenschaftler. Demnach hinkt die aktuelle Praxis auch hier den Erkenntnissen der molekularen Biologie und der Möglichkeit einer auf den Patienten zugeschnittene Therapie all zu oft hinterher.