Spät-, Nacht- und Wochenendschichten sind der Alltag für einen Großteil der Pflegekräfte. Entlastung ist nicht in Sicht. Mit den wachsenden Zahlen der Pflegebedürftigen nimmt ihre Arbeitsbelastung stetig zu. Fürsorgliche Pflege ist ist oft kaum noch möglich.
Ende Dezember 2010 arbeiteten nach Berechnungen des Statistischen Bundesamts rund 4,8 Millionen Menschen in Deutschland im Gesundheitswesen. Davon waren mehr als eine Million als Krankenpfleger oder Krankenpflegehelfer angestellt. Das sind zwar fast 150.000 mehr Menschen als noch zehn Jahre zuvor, doch die Pfleger arbeiten häufig weniger Stunden. Während die Vollzeitbeschäftigung zwischen 1997 und 2006 zurückgegangen ist, haben Teilzeit und geringfügige Beschäftigung zugenommen.
Sparen, sparen, sparen
Vor allem in der Krankenhauspflege wurde an Personal gespart. Insgesamt wurde dort von 1996 bis 2008 rund 50.000 Vollkraftstellen abgebaut - jede siebte Stelle. Der Anteil der Teilzeitstellen ist in acht Jahren um etwa zehn Prozent gestiegen. Viele Pfleger gehen freiwillig den Schritt in die Stundenreduktion, weil sie sich überfordert fühlen, ausgebrannt, kaputt. Ihre Arbeitsbelastung steigt stetig mit den größer werdenden Patientenzahlen. Im Jahr 1995 wurden rund 15.6 Millionen Menschen in Krankenhäusern behandelt, 2008 waren es bereits 17.5 Millionen. Der Grund: Es gibt immer mehr ältere Menschen. Waren 1997 etwa ein Drittel der Patienten im Krankenhaus 65 Jahre und älter, kletterte der Anteil innerhalb von zehn Jahren auf 43 Prozent. Da sich ältere Menschen schlechter selbst versorgen können und sie mit größerer Wahrscheinlichkeit an mehreren Krankheiten leiden, steigt der Anspruch an das Pflegepersonal dem Bericht zufolge doppelt an. Zudem werden die Patienten heute eher nach Hause geschickt und benötigen während ihres Aufenthalts damit intensivere Pflege.
Auch Pflegeheime spüren die Folgen des Demografischen Wandels. Die Zahl der Pflegebedürftigen hat laut dem Barmer GEK Pflegereport von 1999 bis 2009 um 16 Prozent zugenommen. Schon um der wachsenden Zahl der Demenzkranken gerecht zu werden, seien Mehrausgaben von rund drei Milliarden Euro erforderlich, sagt Heinz Rothgang vom Zentrum für Sozialpolitik der Universität Bremen.
Verschärfter Fachkräftemangel
Doch schon jetzt fehlen nach Berechnungen des Statistischen Bundesamtes rund 39.000 qualifizierte Fachkräfte. Und der Fachkräftemangel könnte sich künftig noch verschärfen. Nach den Berechnungen der Statistiker sollen 2025 mindestens 152.000 Beschäftigte in der Pflege fehlen. Der Nachschub aus der nächsten Generation bleibt jedoch aus. Denn auch wenn die Zahlen leicht erholt haben, sind zehn Prozent der Ausbildungsstellen zwischen 2000 und 2008 weggefallen. Eine neue EU-Richtlinie zur Berufsqualifikation könnte die Lage derweil noch verschärfen: Zurzeit wird darüber diskutiert, die Zugangsvoraussetzungen für die Pflegeausbildung heraufzusetzen. Eine Ausbildung zum Krankenpfleger wäre dann erst nach 12 Schuljahren möglich und nicht wie bislang nach zehn Jahren.
Für viele junge Menschen ist der Pflegeberuf zudem keine reizvolle Aussicht. Denn da Kranke häufig rund um die Uhr betreut werden müssen, wird von Pflegenden eine hohe Flexibilität verlangt. Rund mehr als zwei Drittel von ihnen arbeiten im Schichtdienst. In der Gesamtwirtschaft liegt der Anteil bei gerade 14 Prozent. Arbeit an Wochenenden und Feiertagen leisten regelmäßig etwa 85 Prozent von ihnen. Mehr als die Hälfte muss auch nachts arbeiten. Regelmäßig schwer heben, tragen, betten - und das auch nachts: Pfleger und Pflegerinnen gaben nach dem Pflegereport mehr als doppelt so häufig an, unter einem ein Gesundheitsproblem zu leiden, als Menschen anderer Wirtschaftszweige. Gelenk-, Knochen- oder Muskelbeschwerden. Vor allem der Rücken scheint die größten Probleme zu machen.
Die Bezahlung der Pflegekräfte variiert je nach Stundenzahl, Ausbildung und Erfahrung. Das Einstiegsgehalt einer Krankenschwester als Vollzeitkraft nach Tarif beginnt etwa bei 2.000 Euro brutto. Hinzu kommen jedoch noch verschiedene Zuschläge etwa für Nachtschichten. Für Pflegehilfskräfte ohne Ausbildung gilt seit August 2010 ein Mindestlohn von 8,50 Euro die Stunde im Westen und 7,50 Euro im Osten.
Chaos im Pflegeheim
Belastung und Personalmangel bekommen auf Dauer auch die Patienten zu spüren. Immer wieder kann man von chaotischen Verhältnisse in Pflegeheimen lesen, von Senioren die mit Medikamenten ruhig gestellt werden, sich wund liegen, weil ihnen keiner hilft, sich zu bewegen. In Krankenhäusern mit einer ausgedünnten Personaldecke zeigen sich vermehrt Probleme in der Patientenversorgung und -sicherheit. In der Notaufnahme müssen Patienten oft stundenlang sitzen bevor sie medizinisch betreut werden. Häufig fehlt die Zeit, etwa Demenzkranken beim Essen zu helfen. Hinzu kommen Krankenhauskeime, die wegen mangelnder Hygiene jedes Jahr viele Leben kosten.
Das hat vor allem zwei Gründe: Die Hygienevorschriften sind zwar klar formuliert, doch längst nicht jedes Krankenhaus oder Pflegeheim hat gut ausgebildete Hygieneärzte, die sich um die Schulung und das Hygienebewusstsein der Angestellten kümmern. Vier von fünf Pflegekräften gaben im Pflegebarometer von 2009 so zu, dass sie Mängel in den letzten sieben Tagen nicht ausschließen können. Müssen sich immer weniger Pflegende um immer Patienten kümmern, fehlt in Notsituationen und bei Unterbesetzung zudem schlichtweg die Zeit, sich die Handflächen, Finger und Nägel ausreichend gründlich zu desinfizieren und das Mittel einwirken zu lassen – wie vom Robert Koch Institut empfohlen.
Dabei ist die Zufriedenheit der Menschen mit dem Gesundheitssystem in den letzten Jahren sogar gestiegen: 2011 machten sich weniger Menschen Sorgen im Krankheitsfall als noch vor drei Jahren.