Das Gesundheitswesen steht vor einem großen Ärztestreik. Die kommunalen Krankenhäuser sind nicht nur wegen ihrer Gehälter, sondern auch wegen ihrer Arbeitsbedingungen in der Kritik. Für eine friedliche Einigung müssten sich die Arbeitgeber bewegen. Doch die zeigen mit dem Finger auf andere.
Wer über die Arbeitsbedingungen von Ärzten in Deutschland spricht, der redet meist von Universitätskliniken, an denen ein unstrukturiertes Nebeneinander von klinischer Tätigkeit und wissenschaftlicher Arbeit einen halbwegs geregelten Alltag angeblich kaum möglich mache. Das stimmt sicher vielerorts. Aber zur Wahrheit gehört auch, dass viele Universitätsklinika in den letzten Jahren einiges getan haben, um attraktiver zu werden.
Die strikte Trennung zwischen klinischen Monaten und Forschungsmonaten, im angloamerikanischen Raum seit langem Standard, ist mittlerweile auch an deutschen Unikliniken immer häufiger anzutreffen. Die Kinderbetreuung an den Unikliniken ist überwiegend gut. Und die Zahl der Bereitschaftsdienste hält sich vielfach im Rahmen, zumindest in den Abteilungen, in denen geforscht wird und entsprechend viele Mitarbeiter zur Verfügung stehen.
„Kein Stück bewegt“
Über die kommunalen Krankenhäuser wird dagegen viel weniger geredet, obgleich sie ungleich zahlreicher sind. Rund 600 von ihnen sind Teil der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände VKA. Zwischen diesen Häusern und dem Marburger Bund droht nun ab dem 26. Januar ein Arbeitskampf, bei dem möglicherweise mit härteren Bandagen gekämpft wird als in den letzten Tarifrunden, die die Ärztegewerkschaft durchgefochten hat. An deren Ende standen im vergangenen Jahr die Abschlüsse mit den Universitätskliniken und mit den privaten Krankenhausträgern.
Die Forderungen des MB liegen auf dem Tisch: Sechs Prozent mehr Gehalt, eine bessere Bezahlung von Bereitschaftsdiensten und eine Limitierung dieser Dienste auf vier pro Monat, das sind die Kernanliegen. 92,7 Prozent der Mitglieder erklärten sich damit einverstanden, indem sie in der Anfang der Woche abgeschlossenen Urabstimmung für einen Streik votierten. Vorausgegangen waren mehrere Verhandlungsrunden, die aus Sicht des Marburger Bund (MB) mehr als dürftig verlaufen sind: „Was die VKA am Ende als Angebot auf den Tisch gelegt hat, entsprach ziemlich genau der Ausgangsposition der allerersten Verhandlungsrunde“, betonte ein MB-Sprecher im Gespräch mit DocCheck. Und weiter: „Die haben sich kein Stück bewegt und verweisen einfach nur auf die Steigerung der Grundlohnsumme. Wenn man mit so einer Aussage konfrontiert wird, bleibt einem gar nichts anderes übrig. Diese Eskalation wurde uns vom VKA aufgezwungen“.
Bereitschaftsdienste im Visier
Tatsächlich bewegt sich der Marbuger Bund mit seiner Forderung von sechs Prozent in demselben Rahmen, in dem Verdi derzeit agiert und der angesichts der in Deutschland weiterhin günstigen wirtschaftlichen Entwicklung auch nicht übertrieben anmutet. Wichtig sind den „Marburgern“ außer der Lohnsteigerung gerade in den kommunalen Krankenhäusern aber auch die Arbeitsbedingungen. „Wir wissen aus einer großen Mitgliederbefragung, dass gerade in den kommunalen Häusern eine hohe Belastung durch Bereitschaftsdienste besteht“, so der MB-Sprecher. Im Durchschnitt würden dort fünf bis neun Dienste pro Monat geschoben. „Maximal vier“, lautet daher die Verhandlungsdevise des MB, und diese Dienste sollten bitte schön zumindest einen Monat im Voraus verbindlich festgelegt werden. Auch das ist gewiss keine unverschämte Forderung, zumal es genug Häuser gibt, die vormachen, dass es geht.
Technikjobs bringen mehr ein
Eines dieser Positivbeispiele ist das Universitätsklinikum Mainz, das erst im Dezember seine Tarifverhandlungen mit dem MB-Landesverband Rheinland Pfalz/Nordrhein-Westfalen abgeschlossen hat. In diesem Vertrag wird die Zahl der Dienste immerhin auf fünf pro Monat begrenzt. Bei den Gehaltserhöhungen landeten die Tarifverträge der Unikliniken im letzten Jahr bei 3,6 Prozent und die der privaten Kliniken bei 3 Prozent, und das bei einer Preissteigerungsrate von derzeit etwa 2,3 Prozent.
„Wir müssen schon im Interesse der Patienten dafür sorgen, dass die Arbeit im Krankenhaus auch in Zukunft attraktiv bleibt“, so der MB. Zahlen der IG Metall zufolge verdient ein Berufseinsteiger mit akademischem Abschluss in den Elektrotechnik-, IT- und Telekommunikationsbranchen im Durchschnitt 4117 Euro bei einer 35-Stunden-Woche. Das sind laut MB-Berechnungen rund 400 Euro mehr als die kommunalen Krankenhäuser für ihre 40-Stunden-Wochen an ihre Ärzte zahlen, Bereitschaftsdienste einmal außen vor.
Die VKA scheint das alles nicht anzufechten. Zwar signalisiert man Gesprächsbereitschaft. Aber ein neues Angebot liegt bisher nicht auf dem Tisch. Man könne nicht über den politisch bewilligten Preiserhöhungsspielraum der Krankenhäuser in Höhe von 1,48 Prozent hinaus gehen, heißt es stereotyp. Das Argument ist nicht völlig von der Hand zu weisen, auch wenn es den Schwarzen Peter einfach nach oben durchreicht. Die Politik will über eine mögliche Anhebung freilich, wenn überhaupt, dann nur nach der Tarifrunde reden. So gesehen wird sich der drohende Streik nicht nur gegen die VKA, sondern auch gegen die deutsche Gesundheitspolitik richten.