Geht es um gesundheitliche Vorsorge von Patienten, verfolgen Apotheker und Ärzte das gleiche Ziel. Dennoch sind die Fronten verhärtet. Die ABDA will mehr Präventionsprojekte in den Apotheken anbieten. Ärzte sehen das Thema eher in ihrer Verantwortung.
Aus ärztlicher Perspektive war der „Tag der Apotheke“ bislang kein Ereignis mit großem Konfliktpotenzial. Dieses Jahr reagierten Mediziner auf die Studien der ABDA (Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände) jedoch wenig begeistert. Ärzte sehen das Thema eher in ihrer Hand. Sie wittern einen Interessenskonflikt zwischen Präventionsberatung und Verkauf nicht verschreibungspflichtiger Präparate. Pharmazeuten kritisieren Defizite beim Thema Prävention und fordern mehr Einbindung in Projekte..
Anlässlich einer Pressekonferenz zum „Tag der Apotheke“ stellten ABDA-Präsident Friedemann Schmidt und ABDA- Hauptgeschäftsführer Dr. Sebastian Schmitz einen umfangreichen Tabellenband zum Gesundheitsverhalten der Bevölkerung vor. Das infas Institut für angewandte Sozialwissenschaft hatte im April und Mai 2017 rund 3.400 Menschen ab 16 Jahren repräsentativ befragt. Experten verglichen ihre Resultate mit Daten aus dem Jahr 2008. Innerhalb von knapp zehn Jahren hatten sich wichtige Aspekte weder signifikant verbessert noch verschlechtert. Rund 87 % aller Befragten erklärten, sich regelmäßig zu bewegen. Hoch im Kurs standen auch gesunde Ernährungsweisen (84 Prozent), möglichst wenig Alkohol (81 Prozent), wenig Stress (74 Prozent) und der Verzicht auf den Glimmstängel (65 Prozent). Präventionsmaßnahmen im Überblick. Die Kürzel weisen auf Bundesländer mit einem besonders hohen beziehungsweise niedrigen Anteil hin. © ABDA Wissenschaftler identifizierten jedoch weiteren Handlungsbedarf:
Schmidt konstatierte zwar ein „großes Gesundheitsbewusstsein in Deutschland“, aber ohne einen Trend zu Verbesserungen. „Ich glaube, wir könnten das ändern, wenn wir das Potenzial der Apotheken in der Vorsorge stärker nutzen würden“, erklärte der ABDA-Chef. Umfrageergebnisse bestätigen, dass 24 Prozent aller Kunden beim Thema Prävention ihren Apotheker ansprechen würden. Vorrangig geht es um Ernährungsfragen (75 Prozent aller Interessierten), um Sport und Bewegung (69 Prozent) sowie um den richtigen Umgang mit Medikamenten (64 Prozent). Themen wie die Rauchentwöhnung (40 Prozent) oder Diäten (34 Prozent) werden seltener in der Offizin verortet. © ABDA Zur Überraschung wäre ein Viertel aller Befragten bereit, für Vorsorgeangebote in die eigene Tasche zu greifen. "Apotheken-IGeL" scheinen angesichts der Zahlen in greifbare Nähe zu rücken. © ABDA
Trotzdem ist das Interesse vieler Inhaber, entsprechende Leistungen anzubieten, gering. Der Mehrwert steht außer Frage. Pharmazeuten hatten im Rahmen eines Modellprojekts gezeigt, dass sie per EKG-Stab Patienten mit Schlaganfallrisiko innerhalb einer Minute identifizieren können . Und die sogenannte Lipid-Liga (Deutsche Gesellschaft zur Bekämpfung von Fettstoffwechselstörungen und ihren Folgeerkrankungen), informierte vor wenigen Tagen: „Um Herz-Kreislauf-Erkrankungen vorbeugen zu können, sollte jeder Patient auch seine LDL-Cholesterin-, Triglyzerid- und möglichst die Lipoprotein(a)-Werte im Blut bestimmen lassen – am besten schon im Kindesalter.“ Praxen können dies allein kaum leisten. Eine Arbeitsteilung zwischen Arzt und Apotheker macht Sinn. Schmidt: „Wir können mehr tun, wenn die Rahmenbedingungen für Präventionsleistungen der Apotheken besser werden.“ Er fordert eine „saubere Rechtsgrundlage“ für Dienstleistungsverträge zwischen Apotheken und Krankenkassen im V. Sozialgesetzbuch. Seiner Ansicht nach gehören Apotheken auch als Leistungserbringer in den ‚Leitfaden Prävention‘ der Krankenkassen. Und nicht zuletzt müsse die Vergütung geklärt werden. Entsprechende Forderungen hat er auch als Kernpositionen zur Bundestagswahl 2017 formuliert.
Umgehend meldete sich die Freie Ärzteschaft (FÄ) zu Wort. Der Verband vertritt nur 2.000 vorwiegend niedergelassene Haus- und Fachärzte, agiert aber umso offensiver. „Präventionsberatung, wie Ärzte und andere dafür qualifizierte Berufsgruppen sie durchführen, ist etwas anderes als die Beratung zu Medikamenten in den Apotheken“, kommentiert der FÄ-Vorsitzende Wieland Dietrich. Er befürchtet Interessenskonflikte hinter dem HV-Tisch: Apotheker beraten zum Thema Prävention, verkaufen aber gleichzeitig OTCs, Kosmetika und Lifestyle-Präparate. Dass Pharmazeuten zusätzliche Gelder fordern, ist für Dietrich schwer nachvollziehbar: „Die Beratungsleistung des Apothekers wird bereits durch den Gewinn am Verkauf dieser Produkte honoriert.“ Ob vor Ort viel Interesse besteht, bleibt ebenfalls fraglich. Der FÄ-Chef vermutet, Apotheker würden eher „mit ganz anderen Problemen wie dem zunehmenden Onlineverkauf von Medikamenten kämpfen und bei derlei Vorschlägen dankend abwinken“.
Sollte es dennoch soweit kommen, haben Ärzte noch einen Joker im Ärmel. Laut Dietrich könnten sie fordern, „in ihren Praxen auch Medikamente abzugeben und zu verkaufen – was beispielsweise in der Schweiz sogar gut funktioniert und den Patienten den Weg in die Apotheke erspart“. Das Dispensierrecht ist vermutlich aufgrund eines Erlasses des Stauferkaisers Friedrich II. seit 1241 Apothekern mit wenigen Ausnahmen vorbehalten. Bereits damals ging es eher um wirtschaftliche Verflechtungen als um Fehler bei der Verordnung. Gerade die vom FÄ-Chef genannten Eidgenossen entpuppen sich bei näherer Betrachtung als schlechtes Beispiel. Falls Hausärzte Präparate selbst dispensierten, waren die Durchschnittskosten um 56 Franken höher als bei der Abgabe durch Apotheker. Zu diesem Ergebnis kamen Wirtschaftswissenschaftler der Uni Bern. Hauptautor Daniel Burkhard erklärt seine Zahlen in erster Linie mit Mengeneffekten. Offensichtlich halten sich Mediziner stärker zurück, falls Dritte ihre Verordnung einsehen können. Ob und wie viele Fehler ohne das Vier-Augen-Prinzip durch Arzt plus Apotheker unbemerkt bleiben, ist nicht bekannt.