Forscher haben entdeckt, dass Immunzellen eine wesentliche Rolle bei der Entstehung von Bluthochdruck spielen. Entzündungshemmende Medikamente, die spezifisch in diesen Prozess eingreifen, könnten zukünftig das Therapiespektrum der Volkskrankheit erweitern.
Obwohl Bluthochdruck der bedeutendste Risikofaktor für Erkrankungen des Herzkreislaufsystems ist, diskutieren Wissenschaftler immer noch über seine genauen molekularen Ursachen. Zwar weiß man schon seit einigen Jahren, dass Hormone wie Renin, Aldosteron und vor allem Angiotensin II dafür verantwortlich sind, dass sich die Gefäße verengen und der Blutdruck ansteigt. Doch welche Rolle das Immunsystem bei der Entstehung von Bluthochdruck spielt, blieb unklar. Nun konnte ein Forscherteam der Universität Mainz nachweisen, dass bestimmte Entzündungszellen nicht nur eine Begleiterscheinung der Krankheit sind, sondern unmittelbar dafür sorgen, dass der Blutdruck in die Höhe schießt.
Wie die Wissenschaftler um Professor Thomas Münzel in der Fachzeitschrift Circulation berichten, führen erhöhte Angiotensin II–Werte dazu, dass Makrophagen – auch als Fresszellen des Immunsystems bekannt – in die Gefäßwände hineinwandern. “Die Makrophagen produzieren dort Sauerstoffradikale”, erklärt Münzel, der Direktor der II. Medizinischen Klinik und Poliklinik der Universitätsmedizin Mainz ist. “Diese sehr reaktiven Teilchen neutralisieren das gefäßerweiternde Stickstoffoxid, das von den Endothelzellen gebildet wird.”
Hormon lockt Fresszellen ins Blut
Um herauszufinden, ob Makrophagen tatsächlich notwendig sind, damit Bluthochdruck ausgelöst wird, verwendeten Münzel und seine Mitarbeiter für ihre Experimente Labormäuse, denen sie in regelmäßigen Abständen Angiotensin II spritzten. Die Tiere entwickelten daraufhin nicht nur einen erhöhten Blutdruck, sondern wiesen auch eine erhöhte Anzahl von Fresszellen im Blut auf. Anschließend veränderten die Forscher das Erbgut der Mäuse derart, dass deren Makrophagen anfällig für Diphtherietoxin wurden.
Als das Team um Münzel den modifizierten Mäusen nicht nur Angiotensin II, sondern auch das Toxin verabreichten, machten sie eine interessante Beobachtung: “Durch die Gabe von Diphtherietoxin gehen die Makrophagen zugrunde und die Tiere bekommen keinen Bluthochdruck mehr”, berichtet Münzel. In einem weiteren Experiment injizierten er und sein Team den gleichen Mäusen frische Makrophagen und nach einer erneuten Gabe von Angiotensin II erhöhte sich bei den Tieren auch der Blutdruck wieder.
Entzündungszellen geben Startschuss für Atherosklerose
Dass diese Entzündungszellen eine wichtige Rolle bei Gefäßschädigungen spielen, wurde schon bei einer anderen weit verbreiteten Erkrankung des Herzkreislaufsystems gezeigt. Auch bei Atherosklerose dringen Fresszellen in das Endothel ein und ein verhängnisvoller Kreislauf beginnt: Makrophagen räumen die cholesterinhaltigen Ablagerungen in den Gefäßwänden ab. Dabei kann es passieren, dass sie ihre Kapazität überschreiten und zugrunde gehen. Um die Zellreste zu entsorgen, eilen neue Makrophagen herbei und die Entzündung wird so zum Dauerzustand.
Da Bluthochdruck der wichtigste Risikofaktor für Atherosklerose ist, hält es Münzel für wahrscheinlich, dass diese beiden Krankheitsbilder miteinander verknüpft sind. “Chronische Entzündungen, ausgelöst durch Risikofaktoren wie Rauchen, Übergewicht und mangelnde Bewegung, beeinträchtigen die Gefäßfunktion”, sagt der Wissenschaftler. Unmittelbare Folge der Attacke von Fresszellen auf die vorgeschädigte Gefäßwand seien Bluthochdruck und Gefäßablagerungen, die zu Herzinfarkt oder Schlaganfall führen könnten.
“Die Veröffentlichung der Mainzer Wissenschaftler zeigt auf elegante Weise, dass die Aktivierung der Makrophagen durch Angiotensin II einerseits Bluthochdruck mitverursacht, andererseits aber vermutlich auch die Entstehung von Atherosklerose fördert, wenn Patienten an hohen Cholesterin-Werten leiden”, sagt Professor Johann Bauersachs, Direktor der Klinik für Kardiologie und Angiologie an der Medizinischen Hochschule Hannover.
Entdeckung macht Entwicklung von spezifisch wirkenden Arzneien möglich
Münzel und seine Mitarbeiter vermuten, dass einige der handelsüblichen Medikamente gegen Bluthochdruck ihre Wirkung nicht wie bisher vermutet in den Endothelzellen, sondern in den Entzündungszellen selbst entfalten und dort die Bildung der aggressiven Radikale verhindern. “Die Forschungsergebnisse seiner Arbeitsgruppe”, so Münzel, “könnten Grundlage dafür sein, dass antientzündlich wirkende Substanzen entwickelt werden, die spezifisch den permanenten Angriff der Makrophagen unterbinden und so die Behandlungsmöglichkeiten der Ärzte bei Bluthochdruck erweitern.”
Andere Experten unterstützen diese Ansicht: ”Diese Ergebnisse werden dazu beitragen, die Signalwege zu identifizieren, die für die Aktivierung der Immunzellen verantwortlich sind, auch wenn die Verhältnisse bei Bluthochdruckpatienten sicher noch komplizierter sind als in Modellmäusen”, findet Professor Stephan Baldus, leitender Oberarzt an der Klinik für allgemeine und interventionelle Kardiologie am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf. Dann, so Baldus, könnte man gezielt in diese Signalwege pharmakologisch eingreifen und mit Hilfe klinischer Studie überprüfen, in welchem Ausmaß sich das auf den Bluthochdruck auswirken würde. Sowohl Baldus als auch Bauersachs rechnen damit, dass es noch einige Jahre dauern wird, bis Medikamente, deren Entwicklung auf den neuen Erkenntnissen beruht, tatsächlich auf den Markt kommen.