Fusionen, Übernahmen und Schließungen von Krankenhäusern sind fast schon an der Tagesordnung. Kaum eine Klinik denkt nicht über ihre Zukunft nach. Was ist zu tun, um wirtschaftlich erfolgreich zu sein? In Berlin diskutierten Experten über ihre Erfahrungen.
Die Tendenz zu Fusionen sei ungebrochen, die Zahl aber in den vergangenen Jahren konstant, sagte Christian Heitmann, Partner bei der Managementberatung zeb in Münster. Um schnell und differenziert zu erfahren, was sich in in Sachen Fusionen in Deutschland tut, betreibt sein Unternehmen den „Fusionsradar“: Jede Pressemitteilung zum Thema wird ausgewertet, so dass ein aktuelles Bild entsteht. „Der Fusionsradar zeigt, dass es jedes Jahr rund 20 Transaktionen gibt, also Übernahmen oder Fusionen, und es werden zwischen sechs und zehn Krankenhäuser geschlossen“, sagte Heitmann. Es habe 2016 sieben Schließungen gegeben, in diesem Jahr schon sechs Schließungen, Stand Mai. „2016 gab es 13 Transaktionen, das bedeutet, einer kauft den anderen, zudem gab es sieben Fusionen, wo auf Augenhöhe miteinander zusammen gegangen wird“, so der Experte. Ob eine Fusion den Erfolg bringt, war auch ein wichtiges Thema, über das auf dem diesjährigen Hauptstadtkongress Medizin und Gesundheit Ende Juni diskutiert wurde. Auf die Größe kommt es nicht an, war das Fazit der Experten: langjährige Erfahrung im Krankenhausmanagement zeigt, dass eine Fusion gut vorbereitet sein muss. Neben wirtschaftlichen Aspekten spielen auch Unternehmenskultur und Identifikation eine Rolle, damit der Wandel gelingt.
Die konkreten Zahlen aus dem Fusionsradar zu Schließungen und Fusionen seien nur die Spitze des Eisbergs, sagte Heitmann. Tatsächlich kenne er keinen Kunden, der momentan nicht darüber nachdenke, wie er kooperieren, fusionieren oder eine bessere Ausgangsgröße schaffen könne. „Dabei ist der Geburtsfehler einer Fusion oder einer Transaktion schlechthin, dass die Häuser erst verkauft werden, wenn es ihnen schlecht geht. Man muss es anders herum machen und ein Haus anbieten, wenn es ihm noch gut geht.“ Über die ideale Größe eines Unternehmens streite man sich seit Jahrhunderten, sagte er: „Größe birgt auch Risiken. Man kann sich komplett übernehmen: es kann passieren, dass man erst nach dem Kauf Risiken erkennt, die man nicht gesehen hat oder nicht sehen konnte. Man muss also aufpassen, denn mit größeren Fusionen kann man auch eine ganze Gruppe gefährden.“ Wichtig sei auch, dass man schon vor der Fusion ein Konzept habe, meinte der Experte: „Wir erleben häufig, dass sich Häuser darüber überhaupt keine Gedanken machen. Sie wollen einfach nur größer werden. Größere Häuser haben eine größere Stabilität, aber nur, wenn dahinter ein Konzept steht.“
Diese Haltung bestärkte Peter Schnitzler, Geschäftsführer Finanzen und Controlling der Paracelsus-Kliniken, ein Verbund von 25 Kliniken mit rund 4.000 Betten, 5.000 Mitarbeitern und etwa 400 Million Euro Konzern-Umsatz. Das Unternehmen sei fast 50 Jahre alt und seitdem in privater Trägerschaft einer Eigentümerfamilie, die an einem langfristigen Erhalt interessiert sei. „Unsere Häuser sind eher kleiner, das Unternehmen ist über Zukäufe viele Jahre gewachsen, und es ist sehr breit gestreut. Wir sind in unterschiedlichen Bereichen tätig und wir haben eine gute Mischung an Generalisten und Spezialisten“, sagte Schnitzler. Hinter dieser Mischung stecke der Portfoliogedanke: Es gehe darum, Risiken zu streuen und dies über eine Diversifikation der Unternehmenstätigkeit herbeizuführen. Das Unternehmen erziele keine sagenhaften Renditen, es gebe aber auch keine existenzbedrohenden Situationen, das Ergebnisniveau sei über Jahre konstant. „In den 50 Jahren seit der Gründung fällt auf, dass kaum ein Haus immer perfekt lief. Letztlich sehen wir, dass die Diversifizierung und damit auch die Größe dazu führen, dass man die Ergebnisse untereinander ausgleichen kann. So entsteht ein dauerhaftes finanzielles Gleichgewicht.“
Um dieses nicht zu gefährden, müsse es bei größeren Fusionen eine Art evolutionären Prozess geben, bei dem man mit Ärzten, Pflegenden und Leistungsträgern gemeinsam Strategien zu entwickelt, wie man die Krankenhäuser als Gruppe voranbringen könne, glaubt Markus Funk, Geschäftsführer der Hessing Stiftung in Augsburg, eine der größten orthopädischen Fachkliniken in Europa. „Aus ökonomischer Sicht gibt es die Möglichkeit, sehr schnell Effekte zu erzielen“, sagte er. „Es gibt Skaleneffekte im Einkauf und Synergie-Effekte in den unterschiedlichsten Bereichen, ob es die Verwaltung, die Reinigung oder die Logistik ist. Die Frage ist, ob das wirklich ein Erfolg bei einer Fusion ist. Schnelle Gewinne helfen erst einmal, doch entscheidend für einen erfolgreichen Fusionsprozess ist es, Gemeinsamkeiten zu entwickeln. Gemeinsame Ziele, gemeinsame Strategien, unter Anbindung aller Beteiligten an den einzelnen Standorten. Und daraus Ziele abzuleiten und in den Alltag zu überführen.“
Ähnliches berichtete Ines Manegold, Geschäftsführerin der Katholischen Kliniken Emscher-Lippe (KKEL). Sie leite ein Krankenhaus, das seine erste Fusion 1998 gemacht habe, sagte sie. Ein großes Haus, aber das sei keine Garantie für tatsächliche Unternehmensgewinne. Diese liefen seit der Fusion zackenartig, mal positiv, mal negativ. Ihrer Erfahrung nach sei die gemeinsame Identität die größte Herausforderung: „Bei einer Fusion muss man eine neue und eigene Identität schaffen. Sonst verliert man eine Menge Mitarbeiter, die keine Identität mehr haben oder ihre alte behalten, was ebenfalls kontraproduktiv ist“, sagte Manegold. Mit einer Fusion gerate man in ein gewisses Fahrwasser der Unruhe und des Widerstands. Wenn man dann die interne Strategie nicht schon auf gute Füße gestellt habe, beschäftige man sich nur noch mit sich selbst und nicht mehr mit der Umgebung.