Weltweit erkranken circa eine Milliarde Menschen jedes Jahr an einer akuten Diarrhö. Ungefähr 30 Prozent der deutschen Bevölkerung leiden pro Jahr unter akuten Diarrhöepisoden. Besonders Noro- und Rotaviren sind im Winter häufig Auslöser.
Rotaviren sind die häufigsten viralen Auslöser von Gastroenteritiden bei Kleinkindern bis fünf Jahre. 500.000 Kinder sterben jährlich weltweit in den Entwicklungsländern an einer Rotaviren-Gastroenteritis. Wenn Sie zum Lesen dieses Artikels 10 Minuten benötigen, werden 10 Kinder gestorben sein.
In Deutschland haben die Viren in den Monaten Februar bis April Hochsaison. Zwischen 75.000 und 87.000 Hospitalisierungen gehen in Europa auf das Konto dieser Keime. Meist besteht nach zwei Rotavirus-Infektionen eine Kreuzimmunität, die zumindest vor einem schweren Verlauf von Infektionen mit anderen Rotavirus-Typen schützt.
Deshalb infizieren Rotaviren vor allem Säuglinge und Kleinkinder. In den ersten Lebenswochen sind Neugeborene noch durch mütterliche Antikörper geschützt. Die Übertragung der Rotaviren erfolgt fäkal-oral, vermutlich von Person zu Person. Kinder und asymptomatische Erwachsene sind meist das Reservoir der Viren. Rotaviren zerstören Enterozyten und vermindern die Bürstensaumhydrolasen. Außerdem besitzt ein Protein des Virus eine enterotoxinähnliche Wirkung. Die verschiedenen Mechanismen sind gemeinsam verantwortlich für die akute sekretorische Diarrhö.
Rotavirus: Geringer Flüssigkeitsverlust
Die meisten Rotavirusinfektionen verlaufen glücklicherweise asymptomatisch. Nach einer Inkubationszeit von 1 - 3 Tagen kommt es bei den symptomatischen Varianten zu folgender Symptomatik:
Bei Rotavirusinfektionen ist der Flüssigkeits- und Elektrolytverlust meist nicht so ausgeprägt, dass eine intravenöse Rehydrierung notwendig wäre. Die Rehydrierung sollte deshalb primär oral erfolgen. Eine spezifische antivirale Therapie existiert nicht.
Zwei Impfstoffe stehen zur Verfügung, mit denen eine Prophylaxe möglich ist.
Die Ergebnisse zweier großer Studien sind im New England Journal of Medicine vorgestellt worden. Die Rotavirus-Vakzine Rotarix ® mit dem abgeschwächten Lebendimpfstoff wurde bei 63.225 Säuglingen als Schluckimpfung eingesetzt. Die Zahl der Klinikbehandlungen wegen Diarrhoen im Kindesalter nahm um 42 Prozent ab, die Zahl der stationären Behandlungen wegen einer Rotavirus-Infektion um 85 Prozent, die schweren Verlaufsformen um 100 Prozent. Der pentavalente Rotavirus-Impfstoff Rotateq ® wurde bei 68.038 Säuglingen Placebo-kontrolliert eingesetzt. Hier wurden 95 Prozent aller Klinikaufnahmen verhindert, schwere Verlaufsformen gingen um 98 Prozent zurück. Die beiden Impfstoffe wurden so konzipiert, dass sie die normalerweise im Leben eines Kindes ablaufenden Vorgänge vorwegnehmen. Kinder entwickeln mit der ersten - oder der zweiten - Rotavirusinfektion eine natürliche Immunität, die sie vor zukünftigen derartigen Durchfallerkrankungen schützt. Die Ständige Impfkommission STIKO hat sich im Mai 2010 über eine Impfempfehlung beraten. Im Ergebnis hat die STIKO festgestellt, dass für eine generelle Impfempfehlung noch wesentliche Daten zur Impfstoffsicherheit und zur Krankheitslast fehlen.
Noroviren: Geringe Menge, großer Schaden
Noroviren sind bei Erwachsenen für bis zu 50 Prozent, bei Kindern für etwa 30 Prozent aller nicht-bakteriellen, akuten Gastroenteritiden verantwortlich. Noroviren gehören zur Familie der Caliciviren. Das erste Norovirus wurde 1972 in der Stadt Norwalk, Ohio, USA entdeckt, weshalb die Viren früher auch als „Norwalk-Viren“ bezeichnet wurden. Noroviren sind unbehüllte, ca. 26 bis 35 nm große RNA-Viren, deren einziges bislang bekanntes Reservoir der Mensch ist. Die Viren zeichnen sich durch eine hohe Genomvariabilität aus. Weltweit werden Infektionen jedoch hauptsächlich durch den Genotyp GGII.4 verursacht. Diese genetische Variabilität des Erregers durch Gendrift erschweren, ähnlich wie bei der Influenza, die Ausbildung einer Immunität und einer Impfung.
Noroviren sind extrem infektiös: Bereits 10 bis 100 Viruspartikel genügen, um eine Infektion auszulösen. Die Erreger sind nach Krankheitsausbruch sowohl im Stuhl als auch im Erbrochenen des Patienten in hoher Anzahl nachweisbar, wobei ein Gramm Stuhl bis zu 10 Millionen Viruspartikel enthalten kann. Die Übertragung erfolgt hauptsächlich auf fäkal-oralem Weg. Darüber hinaus können Noroviren auch aerogen durch Bildung virushaltiger Aerosole während des Erbrechens (Tröpfcheninfektion) übertragen werden. Erbrochenes kann als „Virenbombe“ angesehen werden und muss unter Eigenschutz (Mundschutz, Handschuhe) entfernt und die Fläche ausgiebig desinfiziert werden.
Nach dem Infektionsschutzgesetz besteht eine Meldepflicht für den direkten Nachweis von Noroviren im Stuhl. Die gemeldeten Fälle zeigen, dass Norovirus- Infektionen zwar über das gesamte Jahr hinweg vorkommen, jedoch in den Wintermonaten gehäuft auftreten.
Die Inkubationszeit beträgt 10 bis 50 Stunden. Folgende Symptome treten auf:
Asymptomatische Infektionen werden bei etwa einem Drittel der infizierten Personen beobachtet. Die Krankheitsdauer beträgt 28 - 60 Stunden, selten länger als 3 Tage. Bei einer Immunsuppression ist eine Virusausscheidung für bis zu zwei Monate möglich. Bei Menschen mit reduziertem Allgemeinzustand oder Immunschwäche sind in allen Altersgruppen Todesfälle berichtet worden.
Eine spezifische Therapie existiert nicht. Im Vordergrund steht eine symptomatische Behandlung mit Flüssigkeits- und Elektrolytersatz. Meist reicht die orale Gabe aus. Wichtig sind bei einem Norovirusausbruch geeignete Hygienemaßnahmen (Händedesinfektion) sowie größte Sorgfalt bei der Zubereitung von Nahrung.Augen auf beim Mittelkauf
Das Problem ist, dass die meisten Desinfektionsmittel zwar für Flächen und Instrumente, jedoch nicht für Hände geeignet sind. Die Verbindungen sind so aggressiv, dass sie zwar das Virus, leider auch die Haut zerstören. Wie alle Caliciviren sind Noroviren zwar unbehüllte, jedoch leicht lipophile Erreger. Vermutlich können Noroviren daher in gewissem Umfang durch lipidartige Wirkstoffe inaktiviert werden. Bislang liegen allerdings nur wenige Erkenntnisse über die Desinfektionsmittelresistenz von Noroviren vor. Auch das RKI gibt keine klaren Empfehlungen. Auf jeden Fall sollten Substanzen verwendet werden, die mindestens 70% Ethanol enthalten und eine viruzide Wirkung aufweisen. Die für eine ausreichende Wirksamkeit im Allgemeinen geforderte Reduktion von 99,99% ist im Falle der Noroviren aufgrund der extrem niedrigen Infektionsdosis und der gleichzeitig hohen Erregerkonzentrationen im Stuhl nicht ausreichend. Bei Kontakt mit Norovirus-infizierten Patienten wird daher dringend empfohlen, die Hände zweimal hintereinander mit einer ausreichenden Flüssigkeitsmenge zu desinfizieren!
Die Problematik von Norovirus-Ausbrüchen liegt in der explosionsartigen Ausbreitung unter Patienten ebenso wie unter dem medizinischen Personal. Schutzimpfung für Noroviren existiert bislang nicht. Nach einer Infektion ist der Körper oft nur über einen sehr kurzen Zeitraum von ca. 8 Wochen gegenüber den Erregern immun.
Noros auf dem Traumschiff
Virusepidemien mit Noroviren auf Kreuzfahrtschiffen haben in letzter Zeit deutlich zugenommen. In einigen Fällen erkrankten über 40 Prozent aller Passagiere. Obwohl eine gründliche Desinfektion nach einer Kreuzfahrt das Virus eliminieren sollte, können Crew-Mitglieder als Träger des Virus in Frage kommen oder neue Passagiere können das Virus wieder einschleppen. Gemäß Virologen des European Centre for Disease Prevention and Control sind die Ausbrüche Folge einer verstärkten Norovirusaktivität in der Allgemeinbevölkerung.
Strategie gegen das Virenduo
Um Infektionen mit Noro- und Rotaviren einzudämmen schlagen Terletskaia-Ladwig, Eggers et al. folgende Konsequenzen für die Praxis vor:
Kohle, Wurzel, Salze, Bakterien und Opiate: Therapieansätze sehr heterogen
Bei viralen Durchfallerkrankungen ist die wichtigste Therapie die Substitution von Mineralien. Sinnvoll und von allen Fachgesellschaften empfohlen sind zum Elektrolytausgleich fertige Elektrolyt-Glucose-Mischungen. Sie werden mit stillem Mineralwasser oder abgekochtem Leitungswasser versetzt. Bevor Sie diese einem Patienten jedoch euphorisch anpreisen, sollten Sie die Tütchen vorher mal selbst probieren. Selbst die größte Therapiemotivation leidet unter dem unbeschreiblich scheußlichen Geschmack der Zubereitungen. Die Industrie bietet das Ganze zwar mit Kirscharoma, aber das schmeckt dann halt scheußlich, nur mit Kirschgeschmack. Hier sollten Sie also bereits bei der Empfehlung/Verschreibung motivierend-überzeugende Worte des Trostes finden. „Zwingen wir uns, eine bittere Medizin mit Gesichtsbewegungen einzunehmen, die dem grinsenden Ausdruck des Behagens und Wohlschmeckens entsprechen, so wird der unangenehme Geschmack nach einiger Zeit angenehm". Dies sagte im 19. Jahrhundert der Psychologe Hugo Münsterberg. Wer heilt hat Recht.
Cola und Salzstangen?
Wohl kaum ein Gerücht hält sich so hartnäckig. Nur der hohe Gehalt an Eisen im Spinat hat eine ähnliche lange Erinnerungshalbwertzeit. Um es ganz klar zu sagen: Cola und Salzstangen sind unsinnig! Der Darm verliert beim Durchfall Elektrolyte, Wasser und Zucker. Cola enthält den Mehrfachzucker Saccharose und nicht den benötigten Einfachzucker Glucose. Nur dieser wirkt für Elektrolyte als Carrier. Außerdem reizt die enthaltene Phosphor- und Kohlensäure den Darm. Koffein, wir kennen das vom Kaffee, regt die Peristaltik sogar an. Und die Salzstangen? Sie enthalten Natrium in großen Mengen und schlecht verdauliche Kohlehydrate. Der Darm verlangt aber nach Nahrungsabstinenz und Kalium.
Loperamid – Elektrolyte sind wichtiger
Bereits im 16. Jahrhundert wurde Durchfall schon mit Opiumtinktur behandelt. Das Heilmittel Laudanum wurde von Paracelsus entwickelt. Der Wirkstoff Loperamid ist ein bewährtes und effizientes Mittel gegen Durchfallerkrankungen. Es ist mit dem Opioid Piritramid verwandt. Loperamid besetzt die Opiatrezeptoren im Darm, lähmt für kurze Zeit die Darmmuskulatur und reguliert die gestörte Flüssigkeitsbalance im Darm.
Loperamid ist extrem fettlöslich und überwindet nicht die Blut-Hirn-Schranke. Die Mengen die doch in das Gehirn gelangen, werden mit Hilfe eines Transportproteins rasch hinausgeschleust. Es kann deshalb kaum zu den zentralen Opiatbindungstellen gelangen. Bei viralen und bakteriellen Diarrhoen ist eine Anwendung von Loperamid nicht sinnvoll.
Uzarawurzel – auf Interaktionen achten
Die Uzarawurzel enthält Cardenolidglykoside wie Uzarin und Xysmalorin. Sie hemmt die muskulären Bewegungen des Dünndarms, des Harn- und Genitalbereichs und wirkt entkrampfend. In höheren Dosierungen verstärkt sie geringfügig die zusammenziehende Kraft des Herzmuskels (digitalisartige Wirkung). Das Fertigarzneimittel besitzt folgende Wirkungen:
Bedingt durch die digitalisartige Wirkung ist es im Tierexperiment bei hoher Dosierung zu Unruhe, Erbrechen, Lähmungserscheinungen, Kaukrämpfen und Tod durch Herzstillstand gekommen. Dies ist beim Menschen, wenn überhaupt, sicherlich erst in Extremdosen zu erwarten. Dennoch sollte das Pharmakon nicht von digitalisierten Patienten eingenommen werden.