Für viele ist das Medizinstudium die große Erfüllung. Nach langen Wartezeiten oder eifriger Vorbereitung hat man es endlich geschafft und die NC Hürde überwunden. Doch was passiert, wenn man jetzt erst merkt, dass Medizin doch nicht das Richtige ist oder der Leistungsdruck einfach zu groß ist?
Medizinstudenten gehören im Allgemeinen zum beißerischen Hochschulklientel. Eine Schwundquote von nur 14% im Verlaufe des Studiums ist im Vergleich zu anderen Fächern fast schon utopisch, verlassen doch über 20% der Studienanfänger im Laufe der Zeit die Biologie und Geographie. Ingenieurswissenschaften und Geisteswissenschaften müssen sogar einen Verlust von knapp 50% in Kauf nehmen. Auch wenn sich die Abbrecherquote bei Medizinern seit den Neunzigern um 2% erhöht hat, was vornehmlich den Veterinär- und Zahnmedizinern zuzuschreiben ist, sind die medizinischen Studiengänge die einzigen, welche eine „Erfolgsquote“ von über 80% in der Hochschullandschaft vorweisen können (Stand 2005). Differenzieren sollte man den Schwund nach reinem „Abbruch“ und dem „Fachbereichswechsel“, wobei in Humanmedizin der Anteil an Abbrechern dreimal so groß ist, wie der Studienbereichswechsel.
Doch was sind die Gründe für einen Studienabbruch bzw. einen Fachbereichwechsel. Hier kommen viele individuelle Ursachen zum Tragen, welche sich aber zum Teil aus der Studentenstruktur ableiten lassen. Da sind Studenten, welche der schieren Masse an geballtem Wissen ohnmächtig gegenüberstehen und daher das Studium meist schon vor dem ersten Staatsexamen beenden. Selbst im Abitur überzeugende Schüler können mit der Art des Lernstoffes und der Forderung nach abstrakt-logischem Denken manchmal überfordert sein und müssen leider feststellen, dass sie für das Studium nicht geeignet sind. Daneben gibt es aufgrund zahlreicher Studienanfänger im mittleren Erwachsenenalter immer mehr Abbrecher aufgrund der Unvereinbarkeit von Studium und Beruf. Wer sich eigenständig und vielleicht noch die Kleinfamilie ernähren muss, stößt hier sicherlich, alleine beim Zeitmanagement, an seine Grenzen (nur ca. 60% beginnen direkt nach der Schule ein Medizinstudium, 20% haben bereits eine Ausbildung fertig absolviert). Daneben entschließt sich ein nicht unerheblicher Anteil aus „freien Stücken“ zum Studienabbruch bzw. -wechsel. Nicht zuletzt sind die Studienordnung und das theorielastige Grundstudium oft ausschlaggebend für die Beendigung der familiären Ärztedynastie.
Unsere Wege trennen sich hier...
Ob man das Studium aus freien Stücken beendet, oder aufgrund der äußeren bzw. „inneren“ Umstände, bestimmt oft die emotionale Belastung des Abbrechers. Zwangsläufig muss eine Umorientierung stattfinden, auch kämpft man mit dem persönlichen Eindruck versagt zu haben. Dieser wird noch verstärkt, wenn die Familie kein Verständnis für die Situation aufbringt. Ganz besonders bitter ist ein endgültiges Durchfallen beim zweiten Staatsexamen, was sehr selten ist, aber vorkommt. Seine Lebenslage hier akzeptieren zu lernen und mit neuer Begeisterung und Motivation auf Alternativlösungen zu schauen, ist der notwendige Prozess, der an diese Krise anknüpft.
Möchte man im medizinisch–naturwissenschaftlichen Genre bleiben, kommen neben fachverwandten Ausbildungsberufen (Gesundheits- und Krankenpfleger, Physiotherapeut, Logopäde, etc.) auch weitere Studiengänge in Betracht. Dank der Fachnähe ist es an einigen Universitäten möglich in die Zahnmedizin zu wechseln. Hier erwarten einen zumindest vom ersten Semester an praktische Kurse, viele vorklinische Scheine aus der Humanmedizin können hier mitunter angerechnet werden. Deutschlandweit werden zudem Studiengänge aus den Sparten Ernährungswissenschaften, Gesundheitswesen, Pflegewissenschaften, Pharmazie und „Therapien“ mit vielerlei Schwerpunkten angeboten. Wer sich aus der medizinischen Sparte entfernen möchte, kann trotzdem mit etwas Kreativität sein gesammeltes Wissen in der Juristerei, der Betriebswirtschaftslehre oder dem Maschinenbau integrieren.
Zusammenfassend lässt sich sagen, nur wenige (Human-)Mediziner beenden ihr Studium vorzeitig. Die Entscheidung, das Studium abzubrechen, sei es aus eigener Überzeugung oder der Überzeugung der Hochschule, ist ein schwieriger Prozess, der erstmal verarbeitet werden muss. Aber es mangelt in der deutschen Hochschul- und Ausbildungslandschaft nicht an Alternativen, mit denen man seine Überzeugungen und Motivationen ausleben kann und es darf Hoffnung geben, seine feste Nische im Berufsleben doch noch zu finden.