Was könnte schlimmer sein, als aufgrund eines Sono-Befundes einer Schwangeren zur Abrasio zu raten, obwohl der Embryo lebt? Die gängigen Beurteilungskriterien sind wohlmöglich zu eng bemessen. Empfohlen werden weiter gefasste Cut-off-Werte.
Die Ultraschalluntersuchung in der frühen Schwangerschaft soll Klarheit darüber bringen, ob die Schwangerschaft vital ist oder nicht. Die in der Literatur angegebenen Cut-off-Werte für den Chorionhöhlendurchmesser (CHD) und die Scheitel-Steiß-Länge (SSL) betragen zwischen 13 und 25 mm (CHD) bzw. zwischen 3 und 8 mm (SSL).
Prozentsatz falsch-positiver Abort-Diagnosen
Yazan Abdallah und seine Kollegen erforschten nun den Prozentsatz falsch-positiver Abort-Diagnosen bei 1060 Frauen mit einer unsicheren Schwangerschaft. Eine unsichere Vitalität lag vor, wenn nur eine leere Fruchthöhle nachzuweisen war oder eine Fruchthöhle mit Dottersack ohne Embryo bei einem Chorionhöhlendurchmesser von < 20 mm oder < 30 mm oder ein Embryo ohne Herzschlag bei einer SSL von < 6 mm oder < 8 mm.
Von den 1060 Frauen mit anfänglich unsicherer Schwangerschaft zeigten immerhin 473 eine vitale Schwangerschaft in der 11.-14. (SSW). Bei 587 Frauen war sie avital. Eine falsch-positive Rate (FPR) bezüglich der Diagnose "Missed Abortion" fand sich bei 4,4% der Frauen, wenn Embryo und Dottersack fehlten und dabei ein CHD-Cut-off von 16 mm verwendet wurde. Die FPR lag bei 0,5%, bei einem CHD-Cut-off von 20 mm. Es gab keine falsch-positiven Ergebnisse, wenn der CHD-Cut-off bei >= 21 mm lag.
Bei sichtbarem Dottersack ohne Embryo war die Missed-Abortion-Diagnose bei 2,6% der Frauen falsch positiv, wenn der CHD-Cut-off-Wert bei 16 mm lag. Erst bei einem CHD-Cut-off von >= 21 mm gab es keine falsch-positiven Diagnosen mehr. War der Embryo sichtbar, aber kein Herzschlag nachweisbar, lag die FPR bei jeweils 8,3%, wenn ein SSL-Cut-off-Wert von 4 mm oder 5 mm angewendet wurde. Es gab allerdings keine falsch-positiven Ergebnisse bei einem SSL-Cut-off-Wert von >= 5,3 mm. Diese Ergebnisse zeigen, dass die gängigen Cut-off-Werte unsicher seien, so die Autoren. Sie schlagen vor, den CHD-Cut-off auf > 25 mm und den SSL-Cut-off auf > 7 mm festzulegen, um das Risiko einer falsch-positiven Diagnose zu minimieren.
Für das Abwarten entscheiden
Wie groß die emotionale Belastung der Eltern ist, wenn die Diagnose "Missed Abortion" gestellt wird, beschreibt ein Vater namens "Oli" im Internet sehr deutlich. Das Schöne an seiner Fallgeschichte ist, dass sich an dem Tag, an dem bei seiner Frau die Abrasio stattfinden sollte, im Ultraschall ein lebender Fötus mit schlagendem Herzen präsentierte. Der beste Weg, um zu vermeiden, dass bei falsch-positiver Diagnose versehentlich lebende Föten entfernt werden, ist es, abzuwarten. Etwa 15 % der klinisch festgestellten Schwangerschaften enden als Abort. Die Möglichkeiten eines unkomplizierten Ausgangs seien bei Abwarten und Abrasio in etwa gleich, so die Autoren Alexandra Molnar et al. von der University of Washington, Seattle. Sie fragten 75 Frauen im Alter zwischen 18 und 45 Jahren, welche Behandlungsmethode sie sich im Fall der Diagnose "Missed Abortion" wünschen würden. 27 der befragten Frauen hatten bereits spontane Aborte erlebt. Das Befragungsergebnis: 72 % der Befragten würden sich für das Abwarten entscheiden - es gab dabei keinen prozentualen Unterschied zwischen den Frauen, die bereits einen Abort erlebt hatten und denen, die bisher keine Fehlgeburt erlitten. Die Hälfte der Frauen sagte jedoch, dass sie sich im Ernstfall für das vom Frauenarzt empfohlene Vorgehen entscheiden würden.
Anscheinend ist es also nicht so, dass die Frauen die avitale Schwangerschaft - nach dem ersten Schock - "so schnell wie möglich hinter sich bringen" wollten. Viele Frauen wünschen sich anscheinend doch das Abwarten und eine natürliche Beendigung der Schwangerschaft. Gleichzeitig ist dieses Vorgehen der beste Schutz vor den unerwünschten Folgen einer Fehldiagnose.