Die Hartmann-OP war lange das einzige, was Chirurgen bei Patienten mit akuter Divertikulitis eingefallen ist. Die direkte Anastomose ist nun schon länger ein Thema. Jetzt kommt noch ein laparoskopischer Ansatz ins Spiel, bei dem (fast) gar nicht mehr geschnitten wird.
Die Frage, ob und wann Patienten mit Divertikulitis operiert werden sollten, wurde und wird viel diskutiert. Unterschieden wird dabei zwischen elektiven und notfallmäßigen Operationen. In beiden Situationen sind die Therapiegrundsätze derzeit im Wandel.
Perforation: Am Anfang ist die Gefahr am größten
Bei der elektiven Operation galt Jahrzehnte lang die Faustregel: Wer zwei oder drei Divertikulitisschübe hatte, der wird operiert. Doch dieses tradierte Vorgehen, das auf eine Studie aus dem Jahr 1969 zurückgeht, wird zunehmend in Frage gestellt. „Wir wissen heute, dass die Schwere der Rezidive mit jedem neuen Schub eher abnimmt“, betonte Dr. Gian Andrea Binda, Genua, bei einer Divertikulitis-Konferenz in Köln. Festmachen lässt sich das vor allem am Perforationsrisiko: Eine aktuelle Studie zeigte, dass das Risiko einer Perforation während der ersten Episode etwa ein Viertel beträgt, bei der zweiten dann nur noch zwölf Prozent, bei der dritten sechs Prozent und bei der fünften ein Prozent.
Diese und einige ähnliche Daten deuten darauf hin, dass das Risiko, bei einem Rezidivschub nicht zu operieren, sehr viel geringer ist als qua Lehrbuchmeinung. Hinzu kommt, dass die Operation gar nicht zwangsläufig hilft. So gab es in einer Schweizer Kohorte bei 7,5 Prozent der operierten Patienten Hernien. Und 15 Prozent hatten weiterhin so schwere Symptome, dass sie trotz Operation Medikamente nehmen mussten. „Wir müssen unsere Patienten in jedem Fall darüber aufklären, dass die Operation ihre Beschwerden unter Umständen nicht lindert“, betonte Dr. Asha Senapati aus Portsmouth, Großbritannien.
Einmal oder zweimal ran, das ist hier die Frage
Auch bei der notfallmäßigen Divertikulitisoperation deuten sich derzeit Veränderungen an, die sich allerdings teilweise noch in einem frühen Stadium der klinischen Evaluation befinden. Der Klassiker bei der notfallmäßigen Operation einer dann oft perforierten Divertikulitis ist die Hartmann-Operation. „Hartmann“ bedeutet schöne, klassische Viszeralchirurgie: Der Operateur öffnet das Abdomen. Die von der Divertikulitis betroffenen Kolonabschnitte werden reseziert. Das rektale Darmende wird verschlossen und der Stuhl über einen Anus praeter abgeleitet. Erst in einem zweiten Eingriff erfolgt dann einige Tage oder Wochen später die Re-Anastomosierung.
Dass diese Operation Charme hat, liegt auf der Hand. Sie geht schnell. Es braucht kein großes Operationsteam. Auch im Bereitschaftsdienst ist sie handhabbar. Der Preis dafür ist die Zweitoperation, die zumindest bei einem Teil der oft gebrechlichen Patienten dann gar nicht mehr durchgeführt wird, weil das Risiko als zu hoch eingestuft wird. Einige Chirurgen bevorzugen deswegen die primäre Anastomose, die die Kontinuität des Darms gleich beim ersten Eingriff wiederherstellt. Beide Operationsverfahren lassen sich auch laparoskopisch durchführen.
Die primäre Anastomose ist nicht neu. Das Problem dabei ist, dass die Primäranastomose deutlich häufiger insuffizient ist als bei einer elektiven Zweitoperation. Viele Chirurgen setzen deswegen bei einer fäkalen Peritonitis eher auf einen „Hartmann“, bei weniger gravierenden Befunden im Situs dagegen auf eine primäre Anastomose. Professor Martin Kreis von der Chirurgie am Münchener Klinikum Großhadern hält das nicht für optimal. In einer eigenen Patientenserie konnte er zeigen, dass das Auftreten einer Anastomoseninsuffizienz statistisch unabhängig vom Hinchey-Stadium und damit vom Vorliegen einer fäkalen Peritonitis war. Kreis hält es deswegen für sinnvoller, die Entscheidung für oder gegen eine primäre Anastomose vom Gesamtzustand des Patienten abhängig zu machen.
Spülung fordert Hartmann heraus
Vielleicht stellt sich diese Frage aber künftig ohnehin seltener. Denn mit der laparoskopischen Lavage bringt sich seit einiger Zeit ein überraschend wenig invasives Verfahren bei der perforierten Divertikulitis ins Gespräch, mit dem möglicherweise bei vielen Patienten ähnlich gute Ergebnisse erzielt werden könnten wie mit den großen Operationen. Das Verfahren ist erschreckend simpel: Die Bauchhöhle wird laparoskopisch mit Salzlösung gespült. Den Rest erledigt Mutter Natur.
Ärzte aus Irland haben das Verfahren in einer Multicenterstudie bei 100 Patienten mit Perforation und generalisierter Peritonitis untersucht. Nur bei acht Patienten musste die Lavage wegen fäkaler Verunreinigungen im Peritoneum abgebrochen und auf eine Hartmann-OP umgestellt werden. „Die Mortalität lag bei akzeptablen drei Prozent“, betont Dr. Connor Shields von der Elm Park Klinik in Dublin.
Diese vor drei Jahren publizierte Studie hat erhebliches Interesse erfahren. Daten aus irischen Registern erlauben mittlerweile den Vergleich von 424 Patienten mit laparoskopischer Lavage und 2000 Patienten mit offener oder laparoskopischer Operation. Ergebnis laut Shields: Die Mortalität bei der Lavage beträgt 4,1%, bei der Operation 10,1%. Nun sind solche Registergruppen bekanntlich nicht zwangsläufig vergleichbar. Deswegen gibt es jetzt erste Multicenterstudien, die die Lavage in randomisiert-kontrolliertem Design evaluieren. Dazu gehört die irische LAPLAND-Studie, bei der „Hartmann“ und Lavage bei Divertikulitis-Patienten im Hinchey-Stadium III ins Kopf-an-Kopf-Rennen gehen. An dieser Studie können sich auch noch chirurgische Zentren aus anderen Ländern beteiligen.