Schon vor der Menopause steigt das Risiko behinderter Kinder bei Frauen jenseits der Vierzig. Männer können auch im hohen Alter noch Kinder zeugen. Aber welches Risiko geben sie ihrem Nachwuchs mit?
„Kaiser Franz“ war fast sechzig, als das fünfte Kind des Fussballstars zur Welt kam, der frühere Finanzminister Theo Waigel, 56, als ihm die frühere Skirennläuferin Irene Epple noch einen Sohn schenkte. In wenigen Wochen erwarten Nicolas Sarkozy (56) und Carla Bruni (44) ihr erstes gemeinsames Kind. Kaum jemand hat Zweifel daran, dass diese Menschen, die eigentlich eher im „Opa-Alter“ wären, fürsorgende Väter waren oder sein werden.
Nicht nur Prominente leisten sich kurz vor dem Ruhestand oder gar später noch ein Kind. In den westlichen Industriestaaten ist das Eltern-Alter in den letzten Jahrzehnten kräftig angestiegen. Zu Mitte der Siebzigerjahre war die Mutter bei der Geburt ihres Kindes durchschnittlich knapp 27 Jahre alt, der Vater 29. Heute sind beide Elternteile rund drei Jahre älter. Aber: Jedes hundertste Kind einer Mutter über 40 leidet an einer Trisomie 21. Wie hoch das Gendefekt-Risiko für die Nachkommen alter Väter ist, weiß kaum jemand.
Mit jedem zusätzlichen Jahr weniger Spermien-Speed
Während für das Down-Syndrom vor allem die Mutter verantwortlich ist, gibt es bei den Sprösslingen männlicher Senioren eine ganze Reihe von Krankheiten und Defekten, die sich mit zunehmendem Erzeuger-Alter häufen. Darunter sind Wachstumsstörungen wie Achondroplasie oder das Apert-Syndrom, aber auch mentale Leiden wie Autismus, Schizophrenie, Epilepsie oder bipolare Störungen. Ganz allgemein nimmt die Spermienqualität und damit auch die Zeugungsfähigkeit ab. Und das schon ab Dreißig. So kam Brenda Eskenazi von der amerikanischen Berkeley-Universität auf einen Wert von 0,7 Prozent weniger Beweglichkeit pro Jahr. Nicht immer stimmen die Studienergebnisse dabei überein. So fand eine belgische Gruppe zumindest im Vergleich von Anfangsdreißigern zu Vierzigern und darüber keine Unterschiede in Morphologie, Konzentration und auch Beweglichkeit.
Ein genauer Blick auf die Veränderungen in der DNA verrät, dass es vor allem Spontanmutationen sind, die das Erbgut der Zygote belasten. Die Natur bietet bei der Spermienentwicklung aber auch reichlich Gelegenheit, in das Genom der Gameten einzugreifen. Während sich Oozyten 24 mal teilen, bevor sie das Ovar verlassen, teilen sich männliche Keimzellen nach der Pubertät alle 16 Tage. Im Alter von 40 haben sie damit fast 700 Mitosen hinter sich.
Hotspot bei Senioren-Spermien: FGFR2
Besondere Aufmerksamkeit widmen Spermienforscher dem Gen für Rezeptoren des Fibroblasten-Wachstumsfaktors (FGFR2 und FGFR3), der für Missbildungen am Schädel verantwortlich ist. Beim Crouzon-Syndrom (Schädeldeformierung durch vorzeitige Verwachsung) gehen die häufigen „de-novo“ Mutationen fast ausschließlich auf den väterlichen Erbgut-Anteil. Über 40 verschiedene DNA-Aberrationen fanden Forscher dabei im FGFR2-Gen. Auch das Apert-Syndrom, dass sich mit zunehmendem Vateralter häuft, geht auf diese Gene zurück. Noch wenig untersucht, aber wahrscheinlich auch beteiligt sind epigenetische Defekte, Störungen bei der Expression wichtiger Gene im Erbgut.
Erhöhtes Risiko: Autismus, Schizophrenie, Bipolare Störungen
Einige aufschlussreiche Studien gibt es dagegen zur Verbindung von senilen Spermien zu Kindern mit Autismus. Die Rekrutierungsdaten der israelischen Armee nutzten Epidemiologen, um nach dem Vater-Alter von insgesamt 110 autistischen Kindern zu suchen. Entsprechend ihren Analysen stieg das Risiko für ein Kind mit Handikap um das sechsfache, wenn sich Männer über Vierzig im Vergleich zu solchen in den Zwanzigern noch zur Familiengründung entschlossen. Eine amerikanische Studie kam auf immerhin 22 Prozent zusätzliches Risiko für jedes Lebensjahrzehnt des Vaters. Noch größer - 38 Prozent - war dabei allerdings der rechnerische Anteil der Mutter.
Ähnliche Risiken für Kinder von Vätern im fortgeschrittenen Alter sieht eine schwedische Studie für Bipolare Störungen. Bei Schizophrenie resümierte eine Metastudie die Zahlen einzelner Untersuchungen auf das zwei bis vierfache im Vergleich zu Männern im besten Zeugungsalter. Tierversuche mit Mäusen haben inzwischen bestätigt, dass sich auch dabei die Mutationen Gene „aussuchten“, die in Zusammenhang mit Autismus und Schizophrenie stehen.
Intelligentere Kinder mit jungem Vater und älterer Mutter
John McGrawth aus dem australischen Queensland interessiert sich generell für die Intelligenz von Kindern, die von Männern mit reichlich Lebenserfahrung gezeugt wurden. Im Jahr 2009 veröffentlichte er das überraschende Ergebnis seiner epidemiologischen Untersuchungen in der Fachzeitschrift „PLoS Medicine“. Er wertete die Daten von rund 33.000 amerikanischen Kindern aus, die im Alter von acht Monaten, vier und sieben Jahren auf ihre kognitiven Leistungen wie Konzentration, Lernen und Verstehen getestet wurden. Während das Alter des Vaters sich negativ auf diese Leistungen niederschlug, nahmen die geistigen Fähigkeiten bei Kindern von Müttern im fortgeschrittenen Alter eher noch zu. Erklärungen zu diesem Phänomen gibt es bisher jedoch noch keine.
Magnetresonanzaufnahmen zeigen Veränderungen auch schon bei der Gehirnanatomie: Kinder älterer Väter haben bei der Analyse der grauen Substanz eine geringere Kortexoberfläche, ältere Mütter sorgen für ein geringeres Volumen. In der weißen Substanz sahen die Forscher kein Unterschiede.
Senioren-Papa kostet zwei Lebensjahre
Mit Daten von rund 103.000 Paaren berechnete schließlich eine dänische Gruppe den Zusammenhang zwischen Kindersterblichkeit bis zur Volljährigkeit und dem Vater-Alter. Senioren geben demnach ihrem Nachwuchs ein etwa eineinhalbfaches Risiko eines frühzeitigen Ablebens mit. Ein Team aus Russland veröffentlichte 1997 in „Science“ Ergebnisse, nach denen Töchter etwa zwei Lebensjahre verlieren, wenn ihr Vater bei ihrer Geburt älter als 45 Jahre war.
Nur wenige Informationen gibt es bisher dazu, inwieweit die soziale Absicherung von „gesettelten“ Vätern das Leben und die Gesundheit ihres Nachwuchses beeinflusst. Denn zumeist sind die Störungen, die gealterte Spermien hervorrufen, eher selten. Gideon Sartorius und Eberhard Nieschlag aus Münster und Basel sehen in ihrer Publikation jedenfalls keinen Anlass für „invasive Prozeduren“ während der Schwangerschaft, anders als bei Müttern in den Vierzigern.
Allerdings spielen jenseits der Medizin auch noch andere Aspekte bei der Entscheidung für oder gegen ein Kind mit: Beispielsweise die nachlassende Energie bei der Kindererziehung und weniger Möglichkeiten bei der Kinderbetreuung durch Großeltern. Schließlich kann „Mann“ auch noch etwas tun, um seinen Schatz im Hoden möglichst fit zu halten: Ausgewogene Ernährung. Besonders Vitamin B12 und Folsäure scheinen eine wichtige Rolle im Kampf gegen Mutationen durch Sauerstoff-Radikale zu spielen. Letztendlich nützt seine Gesundheit nicht nur den Gameten, sondern verhilft ihm auch zu vielen Jahren gemeinsamer Zeit mit seinem Nachwuchs.