Blutabnahmen zu diagnostischen Zwecken sind nach einem Herzinfarkt üblich. Ein zu hoher Blutverlust jedoch ist mit der Entwicklung einer Anämie assoziiert – die den Gesundheitszustand der Patienten nicht unbedingt verbessert.
Blutabnahmen sind Bestandteil der täglichen klinischen Routine und sind sie erst mal angesetzt, wird ihr Sinn oft nicht mehr hinterfragt. Und bei Blutabnahmen zu diagnostischen Zwecken wird um Milliliter meist auch nicht gefeilscht. Wegen der paar Blutuntersuchungen wird ein Patient ja nicht gleich sterben, denken sich sicher viele, also warum mit dem Blut geizen?
Gib mir dein Blut!
Tatsächlich jedoch ist Blut für den Patienten oft kostbar und häufige Blutabnahmen können besonders bei Intensiv- bzw. Hochrisikopatienten zu einem nennenswerten Blutverlust führen, sodass auch Bluttransfusionen notwendig werden können. Anämien, ob bereits vor der Krankenhausaufnahme entstanden oder im Krankenhaus erworben, und der große Bedarf an Transfusionen sind Ursache einer erhöhten Morbidität und Mortalität besonders bei Patienten mit Herzkreislauferkrankungen. Dass diagnostische Blutabnahmen Patienten mit akutem Herzinfarkt gefährden können, ist das Ergebnis einer aktuellen Studie von Kardiologen vom Saint Luke’s Mid America Heart and Vascular Institute in Kansas City.
Paul Salisbury und Mitarbeiter untersuchten die Beziehung zwischen dem Blutverlust durch Blutabnahmen und krankenhauserworbenen Anämien anhand einer Datenanalyse von Patienten aus 57 medizinischen Zentren. Über 17.600 Patienten, die wegen eines akuten Myokardinfarkts ins Krankenhaus kamen und keine Anämie aufwiesen, wurden erfasst. Anhand der Aufzeichnungen rekonstruierten die Forscher Blutabnahmen und diagnostische Tests und konnten so Rückschlüsse auf die verwendeten Teströhrchen ziehen. Für jeden Patienten ließ sich auf diese Art der Blutverlust während des gesamten Krankenhausaufenthalts, der Blutverlust pro 24 Stunden und der ersten zehn Tage des Krankenhausaufenthalts bestimmen.
Die Definition der Anämie beruhte auf den Kriterien nach Beutler und Waalen, deren Klassifikation anhand großer Kohorten erarbeitet wurde und die die Forscher genauer bewerten als die Definition der Weltgesundheitsorganisation. Demnach handelte es sich um eine leichte Anämie, wenn der Hämoglobinwert bei 11,0 g/dl oder darüber lag und um eine moderate bis schwere Anämie, wenn sich der Wert unter 11,0 g/dl befand.
Weniger ist mehr
3.551 Patienten, das entspricht etwa 20 Prozent der Untersuchten, entwickelten eine moderate bis schwere Krankenhaus-assoziierte Anämie. Der durchschnittliche Blutverlust dieser Patienten während der Zeit im Krankenhaus belief sich auf 173,8 ml und war damit um fast 100 ml höher als die verlorene Blutmenge von Patienten, die keine Anämie entwickelten (83,5 ml). Besonders Patienten mit einer Entnahme von viel Blut entwickelten eine schwere Anämie. Manchmal waren über 500 ml Blut entnommen worden. Das während der Krankenhausaufenthaltsdauer entnommene Blutvolumen war mit dem Auftreten einer Anämie assoziiert. Das relative Risiko für eine Anämie stieg pro 50 ml Blutentnahme um 18 Prozent und dies unabhängig von möglichen anderen beeinflussenden Faktoren. Die entnommene Blutmenge war in den ersten beiden Tagen im Krankenhaus am höchsten.
Zwischen einzelnen Krankenhäusern variierte allerdings die Menge des entnommenen Blutes beträchtlich. Dies lässt hoffen, dass eine Prävention möglich ist, wenn einige Routineblutuntersuchungen gestrichen würden und auch die Blutmenge für wichtige Bestimmungen oder Tests reduziert werden könnte. Hier neue Strategien zu entwickeln hat für Myokardpatienten große Bedeutung. Denn frühere Studien wie die von Dorin Aronson und Mitarbeitern des Rambam Medical Center in Haifa, Israel, belegen, dass bei Herzinfarktpatienten Krankenhaus-assoziierte Anämien häufig vorkommen und eine erhöhte Langzeitsterblichkeit wie auch ein schlechteren Gesundheitszustand nach dem Infarkt verursachen. In der aktuellen Studie entwickelte immerhin einer von fünf Patienten, der bei Krankenhausaufnahme weder eine Anämie noch einen chirurgischen Eingriff an den Koronararterien hatte, eine mäßige bis schwere Anämie.