Steht die Ampel bei der Produktion von menschlichem Zahnschmelz auf Rot, lässt sie sich nicht mehr umschalten. Mit der Aufklärung der Synthese- und Regulationsgene könnte es gelingen, reparaturbedürftigen Zähnen einen natürlichen Überzug zu verschaffen.
Die zahnärztliche Reparaturwerkstatt würde sich völlig verändern, wenn die Zukunftsvision der Autoren des Artikels im American Journal of Human Genetics wahr würde. James O‘Sullivan und seine Kollegen von der Universität Manchester erwähnen am Ende Ihres Forschungsberichts die Möglichkeit, verloren gegangenen Zahnschmelz mit Hilfe der Stammzelltechnologie wieder zu ersetzen. Voraussetzung dafür ist aber eine genaue Kenntnis der Gene und ihrer Regulation, die die Produktion des harten Zahnüberzugs steuern. Mit den veröffentlichten Untersuchungen kommt das englischen Team jedoch dieser Vision einen guten Schritt näher.
In einer Familienanalyse fanden die Wissenschaftler ein Gen, das offenbar bei der Reifung der von Ameloblasten eine zentrale Rolle spielt. Experimente mit Mäusezähnen, die anders als im menschlichen Gebiss dank des andauernden Zahnschmelz-Nachschubs scharf bleiben, bestätigten den Gen-Verdachtsfall.
Zahnschmelz-Stoffwechsel: Zusammenarbeit vieler Gene
Amelogenesis imperfecta (AI) ist eine Zahnschmelz-Produktionsstörung, die für die Betroffenen meist große Probleme mit sich bringt. Der verminderte und gar fehlende harte Überzug führt zu Schwierigkeiten bei der Mundhygiene. Wenn das gewöhnliche Weiß der Zähne nicht da ist, leidet auch das Selbstbewusstsein der Patienten und im in der Folge auch die Lebensqualität. Die Krankheit versammelt ein Gemisch verschiedener Störungen mit genetischem Hintergrund. Nicht zuletzt deshalb bietet sie den Forschern aber auch deswegen die Chance, den Stoffwechselweg des Zahnschmelzes auseinanderzunehmen und die zugehörige Erbgut-Information zu studieren.
Rund 14 verschiedene Subtypen der Krankheit mit sechs betroffenen Genen sind bis heute bekannt. Die entsprechenden Veränderungen werden autosomal-dominant oder -rezessiv oder auch X-chromosomal-rezessiv weitergegeben. Weil bis jetzt Versuche aber immer scheiterten, den Phänotyp mit einer bestimmten Mutation zu korrelieren, ist auch die genetische Hintergrund der Bildung von Zahnschmelz noch nicht völlig klar.
Schlüsselgen FAM20A
Die Forscher stießen bei ihrer Forschung auf eine Familie, bei der vier Mitglieder an der AI litten und verglichen deren Erbgut mit fünf nicht betroffenen Verwandten. Als Kontrollgruppe dienten über 900 Gesunde. Die Analyse von Mutationen deutete auf das Gen FAM20A hin, das bei den Betroffenen auf beiden Allelen verändert ist, bei den nicht erkrankten Familienmitgliedern jedoch nur auf einem. Alle Kontrollen zeigten ohne Ausnahme den Wildtyp diese Gens. FAM20A findet sich in hoher Konzentration in Ameloblasten und der Gingiva, der Peak bei der Proteinsynthese liegt bei der Reifung der Ameloblasten.
Mit entsprechenden Antikörpern gelang der Nachweis auch bei Mäusezähnen. Dort sekretieren Ameloblasten das entsprechende Eiweiß, zudem auch noch Zellen des Stratum intermedium und der Gingiva sowie Odontoblasten. Ein sehr naher Verwandter des neu gefundenen Zahnschmelz-Gens scheint ebenfalls eine Schlüsselrolle bei der Mineralisierung zu spielen. FAM20C bindet Kalzium ausserhalb der Zelle und beeinflusst die Entwicklung von Odontoblasten, die Dentin produzieren. Mutationen bei FAM20C führen zum Raine-Syndrom, einer letalen kongenitalen Osteosklerose.
„Biozähne“ aus dem Labor
Welche Rolle FAM20A bei Zahnschmelz-Produktion spielt, steht noch nicht fest. Das Gen reiht sich damit eine Reihe mit früher gefundenen DNA-Signalen ein. Dazu gehören zum Beispiel Signalweg-Faktoren wie etwa ein „Notch-Rezeptor“ (Jagged2) oder Transkriptionsfaktoren wie CTIP2 und Tbx1. „PERP“ ist ein Membranprotein, das mit seiner Polypeptidkette viermal die Zellmembran durchspannt und für die Zellanheftung von Ameloblasten an das Stratum intermedium sorgt. Bei Defekten lösen sich die Zahnschmelz-produzierenden Zellen aus dem Verbund und führen zu schweren Zahnschmelz-Defekten.
Zusammen mit den bisherigen und zukünftig aufgedeckten Synthesemechanismen für den harten Zahnüberzug wäre es denkbar, den Stopp der Synthese mit dem Ende der Zahnentwicklung beim Menschen eventuell aufzuheben. Tony Phan, ein Kollege von O‘Sullivan an der University of Western Australia spekuliert, dass sich beschädigte Zähne durch Umlegen der möglichen Genschalter in Zukunft reparieren lassen könnten. Und Thimos Mitsiadis von der Universität Zürich hält so genannte „Biozähne“ für ein Ziel von der Dentaltechnologie. Stammzellen die nicht nur kaputte Zähne reparieren, sondern komplett neue Zähne schaffen. Ideen werden dafür am Institut für Biologie bereits gesponnen: „Eine Kombination von Stammzellen und künstlichem Stützgerüst könnte eine Lösung für dieses Problem sein.“