Patienten im Spätstadium der peripher-arteriellen Verschlusskrankheit droht die Amputation der betroffenen Gliedmaßen. Eine Studie deutet darauf hin, dass die Injektion von Knochenmarkzellen zu einer Verringerung der Amputationsrate führen könnte.
Experten schätzen, dass rund 4,5 Millionen Menschen in Deutschland an der peripher-arteriellen Verschlusskrankheit (PAVK) leiden. Sie entsteht durch Verengung der Arterien, welche die Extremitäten versorgen. Risikofaktoren sind Diabetes, Adipositas, Bluthochdruck, Rauchen und Fettstoffwechselstörungen. In der Regel sind bei PAVK-Patienten nicht nur die Arterien der Beine verengt, sondern auch die herz- und hirnversorgenden Schlagadern. Deshalb haben sie ein deutlich erhöhtes Risiko, an einem Herzinfarkt oder Schlaganfall zu sterben.
Rasche Intervention vermeidet Amputationen
Im fortgeschrittenen Stadien der Krankheit können Betroffene nur noch kurze Strecken laufen, da der dabei auftretende Schmerz sie zwingt, immer wieder stehen zu bleiben. Verschlimmert sich die PAVK weiter, treten Ruheschmerzen und Gewebeschädigungen auf. Dann hilft nur noch eine schnelle Intervention, um Amputationen der betroffenen Gliedmaßen zu vermeiden. Neben der medikamentösen Therapie mit blutverdünnenden oder vasoaktiven Substanzen können Ärzte versuchen, mit Hilfe einer Gefäßaufdehnung den Verschluss aufzulösen oder ihn mit einem Bypass zu überbrücken.
Ein Forscherteam des Franziskus-Krankenhauses in Berlin und drei weiterer Kliniken konnte nun zeigen, dass auch die Injektion von autologen Knochenmarkzellen bei PAVK-Patienten zu einer verbesserten Wundheilung und einer Verringerung der Amputationsrate führt. Wie die Forscher um Claas Lüdemann und Berthold Amann kürzlich auf der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie berichteten, litten die untersuchten Patienten alle an starken Schmerzen und nicht heilenden Wunden.
Pilotstudie erbrachte erste Erfolge
„Trotz maximaler Therapie werden in Deutschland jährlich bei bis zu 40.000 PAVK-Patienten Amputationen oberhalb des Sprunggelenkes durchgeführt“, sagt Lüdemann, der Assistenzarzt in der Abteilung für Innere Medizin am Franziskus-Krankenhaus ist. Für Lüdemann und Amann waren diese erschreckend hohen Zahlen Anlass, nach weiteren Behandlungsoptionen Ausschau zu halten. In einer Pilotstudie konnten die beiden Mediziner zeigen, dass die Transplantation von patienteneigenen Knochenmarkzellen sich bei Diabetikern, die aufgrund einer finalen PAVK bereits für eine Amputation vorgemerkt waren, auf längere Sicht als erfolgreich erwies: Bei der Mehrheit der Patienten verbesserte sich die Durchblutung und eine Amputation konnte verhindert werden.
Um diese Ergebnisse auf eine statistisch ausreichende Basis zu stellen, entwarfen die Mediziner eine placebokontrollierte, doppelblinde und randomisierte Studie. In deren Rahmen wurden anschließend an vier deutschen Gefäßzentren insgesamt 96 Patienten mit fortgeschrittener arterieller Verschlusskrankheit aufgenommen. Den Studienteilnehmern, bei denen eine Öffnung der verschlossenen Gefäße auf anderem Weg nicht mehr möglich war, injizierten die Forscher intramuskulär entweder autologe Knochenmarkzellen oder eine physiologische Kochsalzlösung. „Das geschieht an 40 bis 80 definierten Stellen des betroffenen Beins, um die gesamte Verschlussstrecke zu überbrücken“, sagt Lüdemann. Die Knochenmarkzellen entnahmen die Mediziner aus dem Beckenkamm der Probanden und reicherten sie mit einer Zentrifuge an. Ob und wie gut die Behandlung bei den Studienteilnehmern anschlug, wurde drei Monate nach der Injektion gemessen.
Wunden heilen besser
Nachdem die Mediziner um Lüdemann die Ergebnisse von den ersten 47 Studienteilnehmern ausgewertet haben, zeigt sich nun ein positiver Trend: In der mit Knochenmarkzellen behandelten Patientengruppe musste bei rund zehn Prozent der Studienteilnehmer eine Amputation oberhalb des Knöchels vorgenommen werden, in der Placebogruppe bei rund 20 Prozent. Schlecht heilende Wunden sind ein typisches und besonders schwer kontrollierbares PAVK-Problem. In der Knochenmarkzellen-Gruppe nahm die Wundgröße um 27 Prozent ab, in der Placebogruppe mit konventioneller Wundversorgung hingegen um 32 Prozent zu.
Auch die angiologischen Parameter, wie der Knöchel-Arm-Index oder der transkutane Sauerstoffpartialdruck, verbesserten sich bei den Probanden, denen Knochenmarkzellen injiziert worden waren, im Gegensatz zu den Patienten der Placebogruppe. Allerdings, so Lüdemann, sei die Wahrscheinlichkeit hoch, dass der neue Therapieansatz versage, wenn die angiologischen Werte nahe Null seien oder großflächige Wunden vorlägen. Nebenwirkungen, die direkt auf die Behandlung mit den autologen Knochenmarkzellen zurück zu führen wären, konnten die Mediziner bisher nicht feststellen. Mit dem Endergebnis der Studie rechnet Lüdemann noch dieses Jahr.
Knochenmarkzellen geben Anstoß für zusätzliche Gefäße
Welcher Subtyp der Knochenmarkzellen dafür sorgt, dass neue Blutgefäße entstehen, ist noch nicht genau bekannt. Vieles, so der Mediziner, spreche dafür, dass die verschiedenen Knochenmarkszellen in ihrer Gesamtheit dafür verantwortlich seien, dass sich kollaterale Gefäße bilden, die den Verschluss umgehen. Lüdemann: „Wahrscheinlich wandern die Knochenmarkszellen an den Injektionsstellen wenige Zentimeter ins Gewebe ein und schütten Moleküle aus, welche die Ausbildung der Überbrückungsgefäße fördern.“ Dieser Mechanismus scheint Lüdemann zufolge bei Diabetikern, Rauchern und Patienten mit Bluthochdruck gestört zu sein und wird durch die Gabe von Knochenmarkszellen wieder in Gang gesetzt.
Andere Experten wie Holger Lawall, Leiter des Gefäßzentrums am Asklepios-Westklinikum in Hamburg, halten den Ansatz, PAVK-Patienten mit Knochenmarkzellen zu therapieren, für viel versprechend, wollen aber erst die Endauswertung abwarten: „Falls diese die Ergebnisse der bisherigen Studien bestätigen würde, dann hätte man zukünftig eine gute Option für die 10 bis 20 Prozent der PAVK-Patienten in einem späten Erkrankungsstadium, bei denen die bisherigen Behandlungsmethoden versagen“, findet Lawall.